Studie weckt Hoffnungen Das ist über die erste Pille gegen Covid-19 schon bekannt

tafi/dpa/AP

5.10.2021

Das neue Corona-Medikament des US-Pharmakonzerns Merck reduziert bei Risiko-Patienten einer klinischen Studie zufolge die Wahrscheinlichkeit sehr schwerer Verläufe deutlich.
Das neue Corona-Medikament des US-Pharmakonzerns Merck reduziert bei Risiko-Patienten einer klinischen Studie zufolge die Wahrscheinlichkeit sehr schwerer Verläufe deutlich.
Keystone / AP / Merck & Co.

Corona-Medikamente gibt es erst wenige. Der US-Pharmakonzern Merck & Co. hat ein neues Präparat getestet – und das kommt sogar als Pille. Erste Ergebnisse bei Risiko-Patienten seien vielversprechend.

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Längst noch nicht alle Menschen sind gegen das Coronavirus geimpft, in der Schweiz geniessen weniger als 60 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständigen Impfschutz. Ein Medikament für infizierte Menschen wäre noch immer ein wichtiges zusätzliches Werkzeug im Kampf gegen Covid-19.

Der US-Pharmakonzern Merck Sharp & Dohme, in den USA und Kanada kurz Merck & Co. genannt, hat es in seinem Werkzeugkasten, wie eine klinische Studie nahelegt. Das Präparat Molnupiravir senke die Zahl der Spitalaufenthalte und Todesfälle erheblich.

Wie wird die Arznei verabreicht?

Das Medikament Molnupiravir wäre das erste Mittel zur Behandlung von Covid-19, das oral verabreicht wird. Das ist ein potenziell wichtiger Fortschritt im Kampf gegen die Krankheit, könnten die Tabletten doch ausserhalb des Spitalbetriebs von den Patienten selbst eingenommen werden. Alle derzeit zugelassenen Covid-19-Therapien erfordern eine Infusion oder Injektion.

Was kann die Pille gegen Covid-19?

Ersten Ergebnissen zufolge seien Patienten, die das Medikament Molnupiravir innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der Symptome von Covid-19 erhielten, nur halb so häufig ins Krankenhaus eingeliefert worden oder an der Krankheit gestorben wie Patienten, die ein Placebo erhalten hätten. In der Zeitspanne der Studie gab es in der Medikamentengruppe keine Todesfälle, in der Placebogruppe derer acht.

An der Studie nahmen 775 Erwachsene mit einem leichten bis mittelschweren Krankheitsverlauf teil. Sie nahmen acht Pillen täglich für eine Dauer von fünf Tagen ein, insgesamt also 40 Tabletten. Alle Patienten hatten aufgrund von Gesundheitsproblemen wie Fettleibigkeit, Diabetes oder Herzerkrankungen ein höheres Risiko für eine schwere Erkrankung durch das Coronavirus.

Merck testete das Medikament nur an Menschen, die nicht gegen Covid-19 geimpft waren. Die US-Zulassungsbehörde FDA könnte jedoch erwägen, das Medikament für einen breiteren Nutzerkreis zuzulassen, es also auch Geimpften zu verabreichen, die Covid-19-Symptome zeigen.

Wie funktioniert Molnupiravir?

Die Tabletten wirken, indem sie in ein Enzym eingreifen, das das Coronavirus verwendet, um seinen genetischen Code zu kopieren und sich zu vermehren. Eine ähnliche Wirkung wurde auch bei anderen Viren nachgewiesen. 

Was sagen die Experten?

Eine unabhängige Gruppe medizinischer Experten, die die Studie überwachte, empfahl den vorzeitigen Abbruch, weil die Zwischenergebnisse so überzeugend gewesen seien. Die Daten sollen in den kommenden Tagen zur Prüfung durch andere Wissenschaftler und Behörden vorgelegt werden.

Das Weisse Haus zeigte sich erfreut über die Erfolgsmeldung. Der US-Virologe und Regierungsberater Anthony Fauci bezeichnete die erfolgreichen Tests als «sehr gute Nachrichten», die gelieferten Daten seien «beeindruckend».



Nicht ganz so optimistisch ist der deutsche Intensivmediziner Stefan Kluge: «Die Daten sind vielversprechend, aber momentan handelt es sich nur um eine Zwischenauswertung einer Studie», zitiert der «Spiegel» den Mediziner. Ein «Gamechanger» sei Molnupiravir nicht. Der Wirkstoff würde auch die Impfungen «selbstverständlich nicht überflüssig machen».

Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?

Das ist bislang ein Unsicherheitsfaktor. Über mögliche Nebenwirkungen weiss man so gut wie nichts. Wie der «Spiegel» berichtet, sei den Teilnehmer*innen der klinischen Studie allerdings gesagt worden, auf heterosexuellen Sex zu verzichten oder zu verhüten. Dies sei gemäss dem britischen Mikrobiologen Simon Clarke ein Anzeichen dafür, «dass das Medikament im Falle einer Schwangerschaft womöglich das Potenzial hat, zu Geburtsschäden zu führen».

Wann wird Molnupiravir erhältlich sein?

Merck will zügig eine Zulassung des Medikaments in den USA und anderen Ländern beantragen. Der Konzern ist so zuversichtlich, dass er bereits Verträge mit Regierungen weltweit geschlossen habe. Unter anderem hätten die USA 1,7 Millionen Dosen bestellt. Zu den Preisen für das Medikament wurde offiziell nichts bekannt, die «New York Times» berichtet von 700 US-Dollar (650 Franken) pro Patient, die in den USA gezahlt würden.

Welche Covid-19-Medikamente werden in der Schweiz bereits eingesetzt?



In der Schweiz gibt es mit Veklury (Remdesivir) ein befristet zugelassenes Corona-Medikament. Dazu kommen die Arzneimittel «Casirivimab/Imdevimab» und «Sotrovimab», die laut BAG noch keine Zulassung von Swissmedic erhalten haben, aber unter Einhaltung gewisser Kriterien an Risikopatientinnen und -patienten verschrieben werden dürfen. Ihre Anwendung ist im Rahmen der Covid-19-Pandemie gemäss Artikel 21 der Covid-19-Verordnung 3 ausnahmsweise erlaubt.