Kampf um Deutungshoheit Vor 75 Jahren verbrannte Dresden im «Feuersturm» der Bomben

AFP/dpa/tafi

13.2.2020

Die Bombenangriffe der Alliierten am 13. und 14. Februar 1945 hinterliessen nicht nur ein Trümmerfeld. Die Zerstörung Dresdens hat sich tief in das Gedächtnis der Stadt eingebrannt.

«Dresden war jetzt wie der Mond, nichts als Mineralien», schreibt der US-Schriftsteller Kurt Vonnegut in seinem Buch «Schlachthof 5». Als Kriegsgefangener hatte er im Februar 1945 die Luftangriffe auf die Stadt miterlebt. Dresden sei eine einzige Flamme gewesen, beschrieb er den Feuersturm.

Im englischsprachigen Raum gilt der Begriff «like Dresden» als Synonym für ein verheerendes Feuer mit immenser Zerstörung. Auch der Dichter Gerhart Hauptmann fand eindringliche Worte: «Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens.»

In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 erreichte der von Hitler-Deutschland entfesselte Krieg Dresden: In mehreren Angriffswellen warfen alliierte Bomberverbände Tausende Sprengsätze und Brandbomben auf die barocke Stadt. 37 Stunden, bis zum 15. Februar, dauerte der Feuersturm.

Kampf um die Deutungshohheit

Die Altstadt wurde fast vollständig zerstört. Berühmte Bauten wie Zwinger, Schloss und Frauenkirche brannten völlig aus, bis zu 25’000 Menschen starben. Am Donnerstag erinnert Dresden mit einer Gedenkveranstaltung, bei der auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reden wird, an die Bombennacht vor 75 Jahren.

Dresden blickt aber nicht nur auf die Bombardierung der Stadt zurück, sondern will an alle Opfer von Krieg und Nationalsozialismus erinnern und neben dem Gedenken ein Signal gegen Hass und Gewalt setzen. Der 75. Jahrestag der Bombardierung stehe auch für «75 Jahre Frieden, was ungefähr ein Menschenleben ist», sagte Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) der Nachrichtenagentur AFP.



Die Bombenangriffe der Alliierten auf Dresden hinterliessen nicht nur ein Trümmerfeld. Die Zerstörung der Barockstadt und der Tod vieler Menschen sorgten auch für reichlich Propagandastoff. Der «Feuersturm» von Dresden wurde von Politikern und Historikern unterschiedlichster Couleur vor allem im Kalten Krieg für ihre Zwecke benutzt – und ist bis heute ein Politikum.

Der Kampf um die Deutungshoheit dreht sich um Opferzahlen, angebliche Angriffe von Tieffliegern und letztlich darum, ob die Alliierten in Dresden ein Kriegsverbrechen begingen. «Es gibt Völkerrechtler, die diese Frage bejahen. Man muss das aber mit einem grossen ‹Aber› versehen», sagt der Historiker Jens Wehner.

Propaganda und Mythen

Man könne Dresden nicht ohne Kontext zum Kriegsverlauf sehen. Wenn Dresden ein Kriegsverbrechen sei, dann gelte das auch für viele andere Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg, egal ob nun von Deutschen oder Alliierten ausgeübt.

Die Nazipropaganda selbst hat dafür gesorgt, dass sich schon bald Mythen um Dresden rankten. Während die Behörden nach Bergung der Leichen damals von 18’000 bis 25’000 Opfern ausgingen – was eine Historikerkommission 2010 bestätigte – fügte das NS-Regime als Beleg für ein alliiertes Kriegsverbrechen noch eine Null dazu.



«Im März 1945 wies schliesslich das Auswärtige Amt die deutschen Gesandtschaften im neutralen Ausland an, Opferzahlen von bis zu 200’000 Toten zu verwenden», heisst es im Kommissionsbericht. Die Zahl ist noch heute für Rechte eine Tatsache. Als wären 25’000 Tote nicht schlimm genug.

Streit zwischen Alliierten

Schon als der Bruch zwischen den Alliierten der Anti-Hitler-Koalition bald nach dem Krieg immer deutlicher wurde, versuchten sich beide Seiten gegenseitig die Verantwortung für die Toten von Dresden aufzubürden. So beteuerten die Westmächte, der sowjetische Diktator Josef Stalin habe um Angriffe gebeten, um seine Rote Armee zu entlasten.

Die Sowjets wiederum gaben den USA als ihrem wichtigsten Gegenspieler nach Kriegsende die Hauptschuld für die Bombardierung Dresdens. Dies, obwohl den Nachtangriffen der britischen Lancaster-Bomber die weitaus grösste Vernichtungswirkung zugeschrieben wurde.

Die Propagandafloskeln, die schon aus dem Dritten Reich stammten, wurden Experten zufolge von Rechten wie auch Linken in unterschiedlicher Intensität aufgegriffen, um den Blick auf die Tatsachen zu verstellen. So war auch in der DDR-Propaganda lange vom «angloamerikanischen Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung» die Rede.

Damit einher ging der Streit, ob die massiven Angriffe auf das unverteidigte Dresden militärisch notwendig waren, oder ob sie weit über das Ziel hinausschossen, den letzten deutschen Widerstand zu brechen.

Dresden hat Schuld auf sich geladen

In den vergangenen Jahren hat sich eine kritische Sicht auf den Mythos von der «unschuldigen Stadt» gefestigt. Experten hatten die Unschuld stets bezweifelt und durchaus Gründe für ein Bombardement gesehen. Denn Dresden war damals nicht nur eine Hochburg der Nazis, sondern auch ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und Standort von Rüstungswerken. «In Dresden wurden Waffen für den Krieg gefertigt und Zwangsarbeiter in Lagern gehalten. Das alles geschah nicht versteckt und heimlich. Es war für jeden sichtbar», sagte Hilberts Vorgängerin Helma Orosz (CDU) 2014. Dresden habe Schuld auf sich geladen.



Die rechtsextreme Szene instrumentalisiert das Thema bis heute für Propagandazwecke, indem sie die Bombenangriffe als Terrorakt hinstellt und die deutschen Opferzahlen in den Vordergrund schiebt. Neonazis leugnen einen ursächlichen Zusammenhang mit Hitlers Angriffskrieg. Im Jahr 2005 bezeichneten NPD-Abgeordnete im sächsischen Landtag die Angriffe auf Dresden als «Bomben-Holocaust». Die unverhohlene Relativierung der NS-Verbrechen sorgte in Deutschland und international für einen Skandal.

Lange wurde in Dresden um den richtigen Umgang mit dem Gedenken gerungen. Erst 2010 gelang es, mit der Menschenkette einen Konsens für den breiten bürgerlichen Protest gegen die Rechtsextremen zu finden, die seit Jahren den Gedenktag für ihre Propaganda missbrauchen. Zeitweise versammelten sich mehr als 6'000 Neonazis in der Stadt. Mit den Jahren wurden es immer weniger, vor allem weil sich ihnen Tausende Gegendemonstranten teils mit Blockaden in den Weg stellten.

Die Narben bleiben sichtbar

Auch in diesem Jahr haben Neonazis für Samstag wieder einen sogenannten «Trauermarsch» angekündigt. Die Gegenseite mobilisiert bereits und ruft ebenfalls zu Demonstrationen auf. Die Dresdner Polizei geht von «einer konfrontativen Versammlungslage» aus. Polizeipräsident Jörg Kubiessa mahnte zu friedlichen und gewaltfreien Versammlungen.

Zu den zentralen Gedenkorten gehört neben dem Heidefriedhof, wo zahlreiche Opfer der Luftangriffe begraben sind, auch der Altmarkt. Dort wurden nach der Bombardierung Tausende Tote eingeäschert. An der im Krieg zerstörten und vor wenigen Jahren wieder aufgebauten Frauenkirche können Besucher Kerzen entzünden. Noch heute mahnen die mehr als 8'400 Originalsteine in der Fassade und im Altar der Kirche, die aus den Trümmern geborgen wurden, wie Narben an die Schrecken des Kriegs.

1. April 1944: Die Bombardierung Schaffhausens

Zurück zur Startseite