Drei Millionen vermutet Sonar und Roboter spüren jetzt in der Tiefsee wertvolle Wracks auf

Von Gabriela Beck

18.6.2023

Schiffswracks sind wertvolle Kulturgüter. Ein internationales Forscherteam hat sich deshalb darangemacht, deren Lage in den flachen Gewässern vor Tunesien zu kartieren.
Schiffswracks sind wertvolle Kulturgüter. Ein internationales Forscherteam hat sich deshalb darangemacht, deren Lage in den flachen Gewässern vor Tunesien zu kartieren.
Drassm Unesco

Drei neue Schiffswracks im Mittelmeer entdeckt – und drei Millionen weitere sollen noch auf dem Meeresgrund ruhen. Moderne Technik spürt sie auch abseits von Schiffsrouten und in der Tiefsee auf.

Von Gabriela Beck

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  • Mithilfe moderner Unterwasser-Technik wurden kürzlich drei neue historische Schiffwracks im Mittelmeer entdeckt.
  • Mit Multibeam-Sonar und ferngesteuerten Unterwasserrobotern ist die Suche nach legendären Schiffen auch in der Tiefsee möglich.
  • Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl an Schiffen auf dem Meeresgrund auf drei Millionen.

Bei einer archäologischen Unterwasserexpedition im Mittelmeer entdeckte ein internationales Wissenschaftlerteam letztes Jahr drei neue historische Schiffswracks: die Überreste zweier Boote aus dem 19. oder 20. Jahrhundert sowie eines Handelsschiffs, das wohl zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem 2. Jahrhundert n. Chr. unterging.

Die Ergebnisse der Forscher wurden letzte Woche während einer Unesco-Pressekonferenz in Paris vorgestellt: Mit hochauflösenden Kameras, Multibeam-Sonar und ferngesteuerten Unterwasserrobotern, sogenannten ROVs, erkundeten die Forscher demnach die flache Skerki-Bank vor Tunesien und den Sizilianischen Kanal in Italien.

Der Einsatz moderner Technik wie Unterwasser-Roboter erleichterte den Forschern die Arbeit.
Der Einsatz moderner Technik wie Unterwasser-Roboter erleichterte den Forschern die Arbeit.
Angel Fitor/Unesco

ROV «Arthur» tauchte in für Menschen unzugängliche Tiefen von 700 bis 900 Meter, um Bilder und Videos der Wracks und ihrer Artefakte zu sammeln. Und nach Schätzungen der Unesco könnten noch viele, viele weitere bislang unentdeckte Wracks unter den Wellen der Weltmeere zu finden sein. Die Vereinten Nationen veranschlagen ihre Zahl bei drei Millionen.

Reichtümer auf dem Meeresgrund

Die Weltmeere sind mit den Trümmern von Jahrtausenden des Handels, des Krieges und der Erkundung übersät – mit Silber beladene Piratenschiffe, Frachtschiffe mit antiken Waren entlang der maritimen Seidenstrasse, königliche Luxusgefährte, Walfänger aus dem 19. Jahrhundert, riesige Passagierdampfer wie die Titanic bis hin zu Zerstörern und U-Booten aus dem Zweiten Weltkrieg.

Es gibt mehrere Datenbanken, in denen die Gesamtzahl der gefundenen Schiffswracks jeweils leicht unterschiedlich gelistet wird. Wrecksite präsentiert einen Katalog von 209'640 gesunkenen Booten. 179'110 davon haben einen bekannten Standort.

Die Global Maritime Wrecks Database (GMWD) der NASA hingegen enthält die Aufzeichnungen von mehr als 250'000 versunkenen Schiffen, von denen einige jedoch noch nicht gefunden wurden. Tatsächlich geht man aber davon aus, dass die dokumentierten Schiffswracks nur einen Bruchteil der Gesamtzahl ausmachen.

Maritime Friedhöfe entlang gefährlicher Routen

Schiffswracks sind nicht gleichmässig über den Meeresboden verteilt. Sie sammeln sich vielmehr entlang häufig befahrener oder gefährlicher Routen. Dazu gehören im Mittelmeer die Skerki-Bank, deren felsiger Meeresboden teilweise weniger als ein Meter unter der Wasseroberfläche liegt, sowie der Fourni-Archipel in der Ägäis, wo bisher 58 Schiffe entdeckt wurden – davon 23 in nur 22 Tagen im Jahr 2015.

Bislang wurden viele Schiffswracks in relativ flachen Gewässern entdeckt, oft als Zufallsfunde von Fischern. Doch mit Unterwasser-Robotern, spezialisierten U-Booten, moderner Kameraausrüstung und neuen Sonartechnologien wird das Auffinden tiefer liegender Schiffswracks einfacher. Mittlerweile ist es möglich, selbst in der Tiefsee ein Bild vom Meeresboden zu erstellen.

So entdeckten Forscher im Jahr 2019 die Ruhestätte des Zerstörers USS Johnston 6000 Meter tief im Philippinischen Graben. Und letztes Jahr wurde die «Endurance» im Weddellmeer vor der Küste der Antarktis in einer Tiefe von 3008 Metern geortet – jenes legendäre Schiff des britischen Polarforschers Ernest Shackleton, das vor über hundert Jahren unterging.

Im Mai dieses Jahres bauten Wissenschaftler einen digitalen Zwilling der Titanic, basierend auf einem 3D-Scan des Wracks auf dem Grund des Atlantischen Ozeans in einer Tiefe von fast 4000 Metern. Dazu machten zwei Tauchroboter insgesamt 715'000 Aufnahmen so detailliert, dass sich sogar die Seriennummer der Schiffsschraube herauslesen lässt.

Die «Titanic»... fast wie in echt

Die «Titanic»... fast wie in echt

Das Wrack des weltberühmten, 1912 gesunkenen Passagierdampfers konnte erstmals in einem kompletten 3D-Modell dargestellt werden. Laut Wissenschaftlern ist es das grösste Unterwasser-Scan-Projekt der Geschichte.

19.05.2023

Legendären Wracks auf der Spur

So wie der Einsatz von Sonar- und GPS-Tracking die Fischerei verändert hat, indem es mit der Technologie möglich wurde ganze Schwärme einstmals schwer lokalisierbarer Thunfische im offenen Meer zu identifizieren, wird die Technik nun eingesetzt werden, um Schiffswracks auch an Orten aufzuspüren, an denen man sie nicht vermutet hat.

Vielleicht kann ja auf diese Weise auch die Ruhestätte der legendären  Waratah geortet werden, dem riesigen Passagierdampfer, der oft mit der Titanic verglichen wird. Er fuhr am 26. Juli 1909 mit 211 Personen an Bord von Durban nach Kapstadt und verschwand auf ihrem Weg spurlos. Trotz neun Such-Expeditionen weiss bis heute niemand, was passiert ist oder wo das Schiff genau gesunken ist.