Verschollenes Atom-U-BootDer Untergang der USS Thresher liess die Titanic auftauchen
Von Philipp Dahm
10.4.2023
Die USS Thresher taucht ab – für immer: Vor 60 Jahren sank zum ersten Mal ein Atom-U-Boot. Warum das Unglück Jahre später in einer Geheim-Mission und der Entdeckung des Titanic-Wracks mündete, liest du hier.
Von Philipp Dahm
10.04.2023, 12:03
10.04.2023, 12:39
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Am 10. April 1963 ist mit der USS Thresher erstmals ein Atom-U-Boot gesunken.
1968 musste die US Navy den Verlust der USS Scorpion hinnehmen.
Die beiden untergegangenen U-Boote liessen die US Navy 1985 die Suche nach dem Wrack der HMS Titanic finanzieren, die für die Aktion als Deckmantel diente.
Es ist der 10. April 1963 im Atlantik, rund 350 Kilometer östlich der Halbinsel Cape Cod im US-Bundesstaat Massachusetts. Um 7:47 Uhr beginnt die USS Thresher ihren Test, bei dem sie auf 400 Meter Tiefe tauchen soll. Sie wird nie wieder an die Oberfläche zurückkehren.
Das erst zwei Jahre zuvor in Dienst gestellte U-Boot bringt Bewegung in den Rüstungswettlauf zwischen West und Ost. 1954 stellt die US Navy mit der USS Nautilus das erste U-Boot mit Atomantrieb in Dienst. 1960 schiesst die USS George Washington erstmals eine Interkontinental-Rakete unter Wasser ab. Die Sowjets ziehen nur 40 Tage später nach.
Um diese Bedrohung zu kontern, setzt die Navy auf neue, schnelle und leise Jagd-U-Boote, die nuklear betrieben werden – so wie die 1959 in Dienst gestellte USS Skipjack, nach der eine Klasse benannt ist. Oder die 1961 eingeführte USS Thresher als erstes Boot ihrer Klasse, die nun aber Permit-Klasse heisst.
Das Beste vom Besten
Was die Technik angeht, ist sie ein grosser Sprung nach vorn: Das U-Boot gehört zu den leisesten überhaupt, ist aber satte 33 Knoten, also 61 km/h schnell – obwohl sie grösser als die USS Skipjack ist. Sie verfügt erstmals über U-Jagd-Torpedos. Ihr Pfund ist aber das hochmoderne Sonar mit einer deutlich grösseren Reichweite. Die Thresher gilt als das Beste vom Besten.
Nach der Indienststellung im August 1961 vergeht nicht mal ein Jahr, bis die USS Thresher wieder die Portsmouth Naval Shipyard anläuft, wo sie auch gebaut wurde – allerdings nur zu einer geplanten neunmonatigen Routine-Überholung. Am 8. April verlässt sie das Dock, um einen Tag später aus Kittery im US-Bundesstaat Maine auszulaufen.
Drei Stunden später trifft sie das U-Boot-Rettungsschiff USS Skylark, das sie beim Tiefen-Test begleitet. Dessen Kapitän erklärt, man habe abgemacht, dass sich das U-Boot spätestens alle 15 Minuten meldet. Das tut es am 10. April auch – und meldet «kleinere Probleme» und dass man anblasen wolle. Eine weitere, unverständliche Botschaft folgt, dann herrscht Funkstille.
Von der Thresher zur Titanic
Stunden später sind 15 Navy-Schiffe auf dem Weg ins Suchgebiet. Am 11. Februar stossen die U-Boote USS Seawolf und USS Sea Owl hinzu und das Spezial-Tauchboot Trieste wird angefordert, das der Schweizer Jacques Piccard entworfen hat. Es dauert jedoch bis zum Juni 1964, bis das Trümmerfeld in einer Tiefe von 2600 Meter endlich entdeckt wird.
Es ist das erste Mal, dass ein Atom-U-Boot sinkt – und mit 129 verstorbenen Matrosen einer der verlustreichsten Untergänge: Nur die konventionelle französische Surcouf hat im Februar 1942 mit 130 noch einen Menschen mehr mit in den Tod in der Tiefe gerissen. 1968 verliert die US Navy mit der USS Scorpion aus der Skipjack-Klasse ein weiteres Atom-U-Boot.
Das Kuriose: Ohne die Wracks der USS Thresher und USS Scorpion wäre das Wrack der HMS Titanic nicht so früh gefunden worden. Der Grund: Die CIA finanziert einem Tauch-Experten die Suche nach dem Luxus-Dampfer unter der Bedingung, dass er zuerst die Wracks der Atom-U-Boote besucht, um unerkannt Informationen einzuholen.
Für die Titianic-Suche bleiben nur zwölf Tage
Der Experte war selbst mal bei der Navy: Es ist Robert Ballards Lebenstraum, das Wrack der HMS Titanic zu finden, doch ihm fehlen die Mittel. Er kontaktiert seinen früheren Arbeitgeber, der ihm überraschend zusagt: Das Projekt bietet die ideale Tarnung für eine unauffällige Suche nach den U-Boot-Wracks, ohne dass die Sowjetunion Verdacht schöpft.
Ballard glaubt, die Titanic liege zwischen den gesunkenen U-Booten: Mit einem neuartigen Tauchroboter, der auch in grossen Tiefen operieren kann, macht er sich auf die Jagd. Auch französische Forscher sind mit an Bord: Sie untersuchen zuerst die beiden U-Boote, dann bleiben dem Team nur noch zwölf Tage, um auch das weltberühmte Passagierschiff zu entdecken.
Nach acht Tagen, am 1. September 1985, werden sie fündig. Der ist Titanic-Geschichte. Die Ursachen für den Untergang der USS Scorpion liegen trotz des Projekts noch heute im Dunkeln. Der USS Thresher hingegen wurde schlechte Verarbeitung zum Verhängnis.
Geplatzte Rohre lösten eine Notabschaltung des Reaktors aus und dem U-Boot fehlte die Energie zum Auftauchen. Die Feuchtigkeit verhinderte offenbar ein Anblasen der Ballasttanks, sodass die USS Thresher immer tiefer sank, bis der hohe Wasserdruck sie implodieren liess.