Untersee-Vulkan Schockwellen von Tonga-Ausbruch so stark wie bei Krakatau-Event von 1883 

SDA

12.5.2022 - 20:57

Das Satellitenbild zeigt den Ausbruch des Untersee-Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha'apai. 
Das Satellitenbild zeigt den Ausbruch des Untersee-Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha'apai. 
Keystone (Archivbild)

Einen Knall, wie er sich am 15. Januar beim gewaltige Ausbruch des Untersee-Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha'apai nahe Tonga im Südpazifik ereignete, hat die Welt seit der Krakatau-Eruption im Jahr 1883 nicht mehr erlebt.

Der Tonga-Ausbruch war grösser als jedes andere Ereignis, das mit modernen geophysikalischen Methoden aufgezeichnet wurde, berichtet ein internationales Forschungsteam im Fachblatt «Science».

Der grossen Eruption gingen bereits messbare seismische Aktivitäten ab dem 18. Dezember 2021 voraus, schreiben die Forscher um Erstautor Robin Matoza von der University of California (USA). Um den 13. Januar wurde die Umgebung des nur 65 Kilometer nördlich von Tongas Hauptstadt Nuku'alofa gelegenen Vulkans unruhiger.

Dann, am 15. Januar, spielte sich innerhalb einer halben Stunde eine «komplexe Eruptionssequenz» und keine einzelne Explosion ab. Das zeige sich in den Schockwellen, die in der Luft, im Wasser oder auch mit Erdbebenmessgeräten weltweit aufgezeichnet wurden. Die Explosionswolke erreichte immerhin Höhen von mehr als 30 Kilometern über dem Meeresspiegel. Das Ereignis wurde auch von Wettersatelliten registriert.

Wellen wie bei Atombomben

Am prominentesten wurde eine atmosphärische Lamb-Welle registriert. Dabei handelt es sich um eine Schockwelle, bei der Schwingungen entlang der Ausbreitungsrichtung, aber auch senkrecht auftreten. Solche Wellen im niedrigfrequenten Bereich von weniger als 0,01 Hertz treten nur bei sehr grossen Explosionen in der Atmosphäre wie bei Atombomben oder eben Vulkanausbrüchen auf, heisst es in der Arbeit. Im Falle der Hunga-Eruption gingen solche Wellen, die sich in etwa mit Schallgeschwindigkeit fortbewegen, vier Mal um die Welt.

Das lasse darauf schliessen, dass die Schockwellen mit jenen vom verheerenden Krakatau-Ausbruch im Jahr 1883 vergleichbar waren, der inklusive anschliessendem Tsunami über 36'00 Todesopfer forderte, so die Wissenschaftler.

Die Lamb-Welle nach dem 15. Januar war jedenfalls deutlich grösser als jene, die der Mount St. Helens-Ausbruch in den USA im Jahr 1980 auslöste. Vergleichbar sei sie mit jener nach dem Test der Zar-Atombombe der UdSSR mit einer Sprengkraft von rund 58 Megatonnen im Jahr 1961 – der grössten je von Menschen verursachten Detonation. Die 2022er-Welle brachte aber eine weit länger andauernde Luftdruck-Veränderung mit sich als die Einzelexplosion in der russischen Arktis.

Sogar in Alaska hörbar

Hörbar war die Eruption laut Berichten sogar noch im rund 10'000 Kilometer entfernten Alaska, was sich auch in Mikrofon-Aufzeichnungen nachvollziehen liess. Beim Krakatau-Ausbruch gab es hingegen «nur» ungefähr 4800 Kilometer weit Explosionen zu hören. Das könnte aber auch daran liegen, dass die Bevölkerungsdichte mittlerweile deutlich gestiegen ist und solche Berichte heutzutage weit leichter ausgetauscht werden können, räumen die Forscher ein.

Wie stark die Lamb-Welle war, lasse sich auch daran ablesen, dass sie beispielsweise bei Messgeräten in rund 50 Meter Wassertiefe nahe dem über 17'000 Kilometer von Tonga entfernten Stromboli-Vulkan in Italien registriert wurde. Die seismischen Aufzeichnungen des Ereignisses lassen darauf schliessen, dass es zwei Haupteruptionen gab und der Ausbruch über längere Zeit hinweg mehrere Phasen durchlief.

Erkenntnisse für Frühwarnsysteme

Im Pazifik erreichten erste Tsunami-Wellen zum Teil zwei Stunden früher die Küsten als eigentlich zu erwarten war, schreiben die Wissenschaftler, die die Daten von zahlreichen Messstationen zusammentrugen und analysierten. Veränderungen des Meeresspiegels wurden aber auch in der Karibik und im Mittelmeer registriert, obwohl es dorthin keinen direkten Seeweg gibt.

Damit im Zusammenhang stehen ebenso die atmosphärischen Schockwellen. In einer weiteren «Science»-Publikation bringen japanische Forscher um Tatsuya Kubota in Simulationen die sehr früh auftretenden Wellen im pazifischen Raum mit den sich rasch fortbewegenden Lamb-Wellen in Verbindung. Insgesamt sehe man hier, dass Tsunamis nach Vulkanausbrüchen mitunter komplexer sind und auch länger dauern können als nach Erdbeben. Die neuen Erkenntnisse sollten demnach in Frühwarnsystemen berücksichtigt werden.