Die Schweiz am Klima-Gipfel «Das hat es noch nie gegeben»

phi

1.11.2021

G20 einig bei 1,5-Grad-Ziel – Umweltschützer von Gipfel enttäuscht

G20 einig bei 1,5-Grad-Ziel – Umweltschützer von Gipfel enttäuscht

Mit einem Signal an die UN-Klimakonferenz in Glasgow ist in Rom der G20-Gipfel zu Ende gegangen: Die stärksten Wirtschaftsnationen der Welt stellten sich hinter das 1,5-Grad-Ziel. Klimaschützer äusserten sich aber enttäuscht; UN-Generalsekretär An

01.11.2021

Wenn sich in Glasgow die Grössen der Welt treffen, um über das Klima zu beraten, wird die Schweiz durch gleich drei Bundesräte vertreten. Und diese brauchen in Schottland Qualitäten, die auch im Casino gefragt sind.

phi

Auf Einladung der Vereinten Nationen beraten Regierungsvertreter aus rund 200 Staaten in Glasgow zwei Wochen lang, wie die Menschheit die beschleunigte Erderhitzung noch auf ein erträgliches Mass eindämmen kann.

«Die Öffentlichkeit erwartet, dass nach der Covid-Pause eine neue Ära im Klimaschutz beginnt – auf Grundlage des Pariser Abkommens», sagt ETH-Professor Andreas Fischlin, der die Schweiz einst an den Klimagipfeln vertreten hat, zu watson.ch. «Die Erwartungen scheinen aber zu hoch. Denn konkrete Beschlüsse zu Klimaschutz-Massnahmen sind nicht zu erwarten.»

Gastgeber der Konferenz ist Grossbritanniens Premier Boris Johnson, der hier am 1. November in Glasgow für die Fotografen posiert.
Gastgeber der Konferenz ist Grossbritanniens Premier Boris Johnson, der hier am 1. November in Glasgow für die Fotografen posiert.
KEYSTONE

Das Problem: In dem Übereinkommen gibt es kaum Möglichkeiten, vor 2023 Stellschrauben anzuziehen oder etwaiges Fehlverhalten zu sanktionieren. Dennoch fährt Bern in Glasgow gross auf: Mit Simonetta Sommaruga, Guy Parmelin und Ueli Maurer sind gleich drei Bundesräte zum Klimagipfel nach Schottland gereist.

«Das hat es noch nie gegeben», meint Fischlin. Es sei ein Zeichen dafür, dass die Schweiz den Klimawandel ernst nähme, und passe zur Glaubwürdigkeit des Landes, die durch das Nein zum CO2-Gesetz jedoch gefährdet sei. «Die Glaubwürdigkeit der Schweiz steht auf dem Spiel», warnt Fischlin. «[Wir] können die Ziele bis 2030 wohl nur noch mit Kompensationsprojekten im Ausland erreichen.»

«Investition in unsere eigene Auslöschung»

Bei so einem zweiwöchigen Sitzungsmarathon liefen «viele Pokerspiele», weiss der Schweizer Wissenschaftler: «Niemand will sich in die Karten schauen lassen.» Ein Problem ist dabei, dass das Blatt zuvor schlecht durchgemischt worden ist: Die grossen Wirtschaftsmächte haben es am Sonntag beim G20-Gipfel in Rom verpasst, ein starkes Signal für mehr Klimaschutz nach Glasgow zu senden.

Signal in Richtung Schottland: Auch im belgischen Brüssel protestierten Menschen in Halloween-Kostümen am 31. Oktober gegen eine zu zögerliche Klimapolitik. 
Signal in Richtung Schottland: Auch im belgischen Brüssel protestierten Menschen in Halloween-Kostümen am 31. Oktober gegen eine zu zögerliche Klimapolitik. 
KEYSTONE
Gipfel-Programm am Montag

Der UN-Klimagipfel im schottischen Glasgow geht am Montag mit Ansprachen Dutzender Staats- und Regierungschefs in seinen zweiten Tag. Ab 13 Uhr wenden sich unter anderem der britische Premier Boris Johnson, UN-Generalsekretär Antonio Guterres sowie der britische Thronfolger Prinz Charles an das Plenum. Angekündigt für je dreiminütige Beiträge wurden in Glasgow auch die Präsidenten der USA und Frankreichs, Joe Biden und Emmanuel Macron sowie Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. Weiter auf der Rednerliste stehen die Präsidenten der Türkei, Spaniens, Ägyptens, Indonesiens sowie die Spitzen der EU. Dazu kommen ferner die Regierungschefs von Kanada, Italien, Australien, Indien und Pakistan sowie etliche weitere Spitzenpolitiker aus aller Welt.

UNO-Generalsekretär Guterres äusserte sich deshalb auf Twitter enttäuscht: «Ich verlasse Rom mit unerfüllten Hoffnungen – aber wenigstens sind sie nicht beerdigt.» Nun gehe es in Glasgow darum, das «1,5-Grad-Ziel am Leben zu halten». Auch Umweltverbände kritisierten, dass viele Staaten, und vor allem die G20, seit 2019 ihre Pläne zum Klimaschutz nicht verschärft und den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas verschleppt hätten.

Zum Start der Konferenz am Sonntag hatte UNO-Klimachefin Patricia Espinosa gewarnt, ein Weiter-so beim Ausstoss klimaschädlicher Treibhausgase komme einer «Investition in unsere eigene Auslöschung» gleich. Der britische Präsident der COP26, Alok Sharma, sagte, das Fenster, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, schliesse sich. Glasgow müsse halten, was Paris versprochen hat: «Diese internationale Konferenz muss liefern.»