Klima-Gipfel in Glasgow Helden verzweifelt gesucht

Von Philipp Dahm

31.10.2021

Greta Thunberg kritisiert Weltklimagipfel

Greta Thunberg kritisiert Weltklimagipfel

Kurz vor Beginn des Weltklimagipfels in Glasgow hat die Klimaaktivistin Greta Thunberg mehr Teilnehmende aus dem globalen Süden gefordert. «Es ist nicht fair, wenn ein Land viele, viele Repräsentanten schickt und ein anderes Land wiederum sehr unterrepräsentiert ist. Das schafft natürlich ein Ungleichgewicht. Es ist ja die Klimaungerechtigkeit, die im Zentrum dieser Krise steht. So lange wir die historische Verantwortung der Länder im globalen Norden ignorieren, in den direkten Verhandlungen, wird es auch keine Erfolge zu geben.» Ab Sonntag treffen sich die Staaten der Vereinten Nationen, um eine Einigung zur Verlangsamung des globalen Temperaturanstiegs zu erzielen. Die Schwedin Greta Thunberg sprach in einem BBC-Interview in London. Auch nahm sie an einer lautstarken Demonstration vor einer Bank in London teil, um zu fordern, dass die Finanzinstitute die Finanzierung der Förderung fossiler Brennstoffe einstellen.

30.10.2021

Welt-Klimagipfel in Glasgow – doch Wladimir Putin und Xi Jinping glänzen durch Abwesenheit. Australien wird dabei ertappt, seine Zahlen für die Industrie zu schönen. Keine guten Voraussetzungen, um die Erde zu retten.

Von Philipp Dahm

Das Treffen hat ein gigantisches Ausmass. 25'000 Menschen aus 200 Staaten beraten ab Sonntag im schottischen Glasgow auf Einladung der UN, wie die Erde vor den katastrophalen Folgen des Klimawandels bewahrt werden kann.

Doch trotz dieser Grösse bekommt die Konferenz schon vor Beginn Gegenwind, weil zwei Akteure fehlen: Weder Xi Jinping noch Wladimir Putin werden an dem Treffen teilnehmen. Dass ausgerechnet Chinas und Russlands Präsident nicht persönlich erscheinen, ist ein Dämpfer: Mit 27 und 3.1 Prozent sind die beiden Länder für fast ein Drittel der Treibhaus-Emissionen verantwortlich.

Warten auf Godot: Chinas Präsident Xi Jinping und sein russischer Kollege Wladimir Putin (nicht im Bild) kommen nicht nach Glasgow.
Warten auf Godot: Chinas Präsident Xi Jinping und sein russischer Kollege Wladimir Putin (nicht im Bild) kommen nicht nach Glasgow.
Archivbild: Keystone

Die USA und Indien, die mit 11 und 6,6 Prozent nach China am meisten  Emissionen verursachen, werden dagegen durch ihre Top-Politiker vertreten. Wenn sich Präsident Joe Biden und Premier Narendra Modi begegnen, will der Inder für den Kampf für mehr «Klima-Gerechtigkeit» trommeln. 

Auch Biden hatte nach seinem Amtsantritt im Weissen Haus grosse Ambitionen, die CO2-Fussabdruck der USA zu schmälern, doch seine Klima-Vorhaben sind im Streit mit den Republikanern um sein Corona-Massnahmenpaket untergegangen. Wann sich Washington in welcher Form wirklich an dem weltweiten Kampf gegen den Klimawandel beteiligen wird, ist deshalb derzeit unklar.

Blamiert: Australien schönt Zahlen

Das sind nicht die besten Voraussetzungen – und dabei wird die Lage immer schlimmer. Abgesehen von einem nur kurzfristigen Pandemie-Rückgang als Effekt der Pandemie nimmt die Kohlendioxid-Belastung durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas zu, statt abzunehmen. Bis 2030 wird die Welt bis zu 28 Milliarden Tonnen mehr Treibhausgase ausstossen, als die Klima-Ziele von Paris erlauben.

Tote Hose: Künstler Kaya Mar zeigt ein Bild in der Londoner Downing Street, auf dem die Welt vor den Augen politischer Führer versinkt.
Tote Hose: Künstler Kaya Mar zeigt ein Bild in der Londoner Downing Street, auf dem die Welt vor den Augen politischer Führer versinkt.
Bild: Keystone
Stichwort «COP 26»

Die Welt-Klimakonferenz trifft sich jedes Jahr in einem anderen Land. Auf Einladung der Vereinten Nationen debattieren rund 200 Staaten zwei Wochen lang darüber, wie die Erd-Erwärmung  eingedämmt werden kann. COP steht kurz für «Conference of the Parties», also die Konferenz der Parteien. Gemeint sind jene Staaten, die die Klima-Rahmenkonvention von 1994 unterschrieben haben. Die Veranstaltung in Glasgow ist das 26. – daher COP26. 1997 und 2015 fanden in Kyoto und Paris die bekanntesten Konferenzen statt.

Dabei ist es höchste Zeit, zu handeln, wie Wissenschaftler mit ihren Studien unablässig belegen. Alleine in dieser Woche wurde etwa bekannt, dass Brasilien seine Emissionen trotz Pandemie um 9.5 Prozent gesteigert hat  – auch durch massives Abholzen im Amazonas. Apropos: Von den Wäldern auf der Liste der Weltkulturerbe haben sich zehn so verändert, dass sie in den letzten 20 Jahren mehr CO2 abgegeben haben als sie speichern.

Länder wie China und Saudi-Arabien haben bekanntgegeben, erst 2060 keine Treibhausgase mehr produzieren zu wollen – doch auch jene Staaten, die dieses Ziel 2050 erreichen wollen, hinken samt und sonders hinterher. Kurz vor Beginn der Konferenz hat sich aber auch ein Land wie Australien international blamiert – mit geschönten Zahlen.

Es ist auch unser Klima

Wie australische Wissenschaftler öffentlich gemacht haben, hat sich die Regierung von Premier Scott Morrison den CO2-Betrag hochgerechnet, den Wälder absorbieren. So können fossile Brennstoffe länger genutzt werden. Lord Deben, der Top-Klima-Berater Grossbritanniens, sagte ungewohnt öffentlich «sehr traurig»: «Wenn man Leuten weiterhin erlaubt, sowas zu tun, ist es ihr wie unser Klima, das sich ändert.»

Umweltschützer demonstrieren am Samstag im Londoner Bankenviertel.
Umweltschützer demonstrieren am Samstag im Londoner Bankenviertel.
Bild: Keystone

Der Fall Australiens passt ins Bild: Die Abkehr von fossilen Brennstoffen kommt zu langsam voran. Kein Wunder, dass kurz vor Beginn des UN-Klimagipfels Aktivisten am Samstag in London noch einmal nachdrücklich zum Verzicht auf diese Energieträger aufgerufen haben. Die Protestaktion im Finanzviertel, an der sich auch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg beteiligte, war Teil eines weltweiten Aktionstages.

Viele Umweltschützer bezeichneten den Gipfel als die letzte Chance der Welt, das Blatt im Kampf gegen den Klimawandel zu wenden. Unter den Demonstranten befanden sich auch Anhänger von Fridays for Future aus Afrika, Asien und dem Pazifikraum. Sie kritisierten Banken für die Finanzierung von Abholzung, Bergbau und umweltverschmutzenden Industrien, die sie für die Zerstörung ihrer Heimat verantworten.

Die «planetare Obergrenze»

Seit Monaten haben die UN drei konkrete Ziele für den Klimagipfel benannt: Die Beteiligten sollen den Ausstoss von Kohlendioxid bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2010 um 45 Prozent zu reduzieren. Reiche Staaten sollen 91.5 Milliarden Franken jährlich aufwenden, um ärmere Staaten zu unterstützen – und die Hälfte dieses Betrags muss für die Anpassung an die schlimmsten Effekte des Klimawandels aufgewendet werden.

Umweltfreundlich: Greta Thunberg besteigt am Samstag in London den Zug nach Glasgow.
Umweltfreundlich: Greta Thunberg besteigt am Samstag in London den Zug nach Glasgow.
Bild: Keystone

Ob der Gipfel diese Ziele erreichen kann, ohne die vorbehaltlose Unterstützung der grössten Industrie-Nationen, ist fraglich. Der UN-Generalsekretär warnte dann auch vor einem Scheitern des Treffens. Es bestehe ein ernsthaftes Risiko, dass die Erwartungen an das Treffen nicht erfüllt würden, erklärte António Guterres am Freitag in Rom. Die Welt steuere immer noch auf eine Klimakatastrophe zu.

Und dabei sind jenes 1.5-Grad-Ziel keines, dass verfehlt werden sollte: «Ein Anstieg von 1.5 Grad ist keine willkürliche Nummer«, macht Johan Rockström, Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgen-Forschung im «Guardian» deutlich. «Es ist eine planetare Obergrenze. Jeder Bruchteil eines Grads mehr ist gefährlich.»

Mit Material von AP und dpa.