Vor 30 Jahren Angriff auf Saddam Hussein – die ersten 24 Stunden

Von Philipp Dahm

17.1.2021

17. Januar 1991, Punkt 2.38 Uhr: Mit einem umfassenden Luftangriff auf Bagdad wird der Zweite Golfkrieg eingeläutet. Die angeblich am besten verteidigte Stadt der Welt taucht in Leuchtspur-Munition ein.

Niemand hat damit gerechnet, dass Saddam Hussein das Ultimatum nicht verstreichen lässt. Bis zum 15. Januar 1991 hat die Koalition dem irakischen Diktator Zeit gegeben, das zuvor besetzte Kuwait zu räumen. Nun warten alle darauf, dass die «Mutter aller Schlachten» beginnt, die der Präsident in Bagdad heraufbeschworen hat.

Der Irak zählt in jenen Tagen die viertgrösste Armee der Welt: Sicherheitskräfte und Armee sind etwa 1,6 Millionen Mitglieder stark. Um die 5000 Panzer und 3000 Artilleriegeschütze stehen den USA und den Verbündeten gegenüber, doch vor allem die Flugabwehr macht den Militärs Sorgen.

154 Flugabwehr-Batterien mit einem Vorrat von 16'000 Raketen sind ebenso in Stellung wie 972 Flugabwehr-Kanonen. 2404 feste und diverse mobile Flak-Geschütze sind über das Land verstreut. 478 Radaranlagen überwachen den Luftraum, und hinzukommen rund 550 Jets und 230 Helikopter, mit denen US Navy, US Air Force und Co. rechnen müssen.

B-52-Bomber und AH-64-Kampfhelikopter

Der Plan der Generäle ist, dass die Flugzeuge den Bodentruppen den Weg ebnen sollen. Einebnen trifft es besser: 42 Tage und Nächte sollen Saddams Truppen aus der Luft mürbe gemacht und sturmreif gebombt werden. Die USA, Grossbritannien, Saudi-Arabien, Frankreich und Italien bieten über 2700 Flugzeuge für den Marathon auf, der in der Nacht vom 16. auf den 17. Januar seinen Lauf nimmt.

Der Himmel über Bagdad am 18. Januar 1991.
Der Himmel über Bagdad am 18. Januar 1991.
KEYSTONE

Als Erstes nimmt die Koalition die irakische Flugabwehr ins Visier. Den Auftakt machen sieben B-52-Bomber, die von ihrem Stützpunkt in Barksdale, Louisiana, starten. Sie werden erst nach 35 Stunden zurückkehren – ein Rekord. Kurz nach Mitternacht am 17. Januar erreichen die B-52 die Halbinsel Sinai. 

Auch in den Flugzeugbasen in der Türkei und in Saudi-Arabien steigen nun die Jets auf. Vier US-Flugzeugträger im Roten Meer und zwei im Persischen Golf geben ebenfalls das Startsignal. In Bodennähe überfliegt die Taskforce Normandy die irakische Grenze. Sie besteht aus zwei Gruppen mit je vier AH-64 Apache-Kampfhelikoptern und je einem MH-53 Pave Low mit Spezialeinheiten.

H-Hour 2.38 Uhr

Sie sollen sich an Radaranlagen und Flugabwehrstellungen heranpirschen und sie ausschalten, wenn es losgeht. H-Hour, also Beginn der Operation, ist 2.38 Uhr. Awacs-Flugzeuge lenken die Aktion und überwachen den Luftraum, während Tankflugzeuge die Jets befüllen, die auf den Einsatz warten.

Es ist seit Tagen viel los im Grenzgebiet, weshalb die Iraker keinen Verdacht schöpfen. Die Flugzeuge, die sich in Entfernung der Grenze sammeln, können Husseins Truppen nicht ausmachen, weil sie zu tief fliegen. Ohne Eskorte überqueren nach den Helikoptern F-117 die Grenze. Das Pentagon ist ungewiss, ob die Tarnung ihrer hochmodernen Jets dem irakischen Radar widerstehen kann, die noch nie im Kampf eingesetzt wurden.

Ihr Ziel sind wichtige Kommunikationsanlagen in Bagdad, die bis dahin als am besten verteidigte Stadt der Welt gilt. Doch die F-117 erreichen die Hauptstadt unentdeckt und kreisen bis zur H-Hour über ihrem Ziel. Den ersten Schuss geben die sieben B-52 aus Louisiana ab.

F-117 bleibt getarnt – Iraker feuern blind

Kurz vor H-Hour feuern sie je fünf Tomahawk-Marschflugkörper ab, die Kommunikation und Energieversorgung treffen sollen. Auch der Marineverband im Persischen Golf startet mehrere Tomahawks: Die Bilder von den Schlachtschiffen USS Missouri und USS Wisconsin gehen um die Welt.

Die ersten Einschläge kommen von den Apache-Helikoptern, als diese kurz vor 2.38 Uhr die Radaranlagen ausschalten, die sie im Visier haben und zur Grenze zurückkehren. Die erste Welle der Kampfjets fliegt nun in den Irak – angeführt von drei EF-111, die das Radar der Iraker stören – auch für den Fall, dass die Tarnung der F-117 nicht funktioniert. 

Für die Iraker ist das gestörte Radar der Startschuss: Die Truppen feuern über Bagdad blind in den Himmel – auch weil sie wissen, dass der Gegner viel zu schnell ist, um ihn im Dunkeln zu treffen. Um Punkt 3 Uhr greifen die F-117 an: Sie werfen 17 Bomben auf 13 Ziele.

Erst das Radar, dann die Bodentruppen

Als die Live-Berichterstattung von CNN abreisst, weiss das Pentagon, dass die Stealth-Bomber eines der Ziele, einen Kommunikationsknoten, ausgeschaltet haben. Danach schlagen die ersten der 111 Tomahawk aus dem Persischen Golf ein, gefolgt von den 35 von den B-52-Bombern. Und der ersten Welle von rund 660 Kampfjets. Aufsteigende Mirage und Mi-29 der Iraker werden von F-15-Jägern abgeschossen.

A-6 Intruder der Navy schiessen kurz vor Bagdad Drohnen ab, die den Feind dazu verleiten sollen, ihre Radaranlagen aufzuschalten. Als diese das tun, greifen F/A-18- und F-4G-Jets an: Sie feuern 75 Anti-Radar-Raketen ab und zerstören rund 35 Flugabwehrstellungen.

Andere Verbände nehmen einen Flughafen im Westen unter Beschuss, während britische Tornados Stützpunkte im Osten angreifen. B-52 und F-111 bombardieren im Laufe des Tages Husseins Truppen, unterstützt von A-10-Erdkampfflugzeugen. Die Zahl der Verluste in der Koalition sind gering: Die meisten Abschüsse sind dem Flugabwehrfeuer geschuldet.

Bilanz

In den ersten 24 Stunden nach Kriegsausbruch am 17. Januar, 2.38 Uhr, fliegt die Koalition 2775 Einsätze. 19 Flugzeuge gehen verloren. Die irakische Luftwaffe steigt 120 Mal auf und verzeichnet acht Verluste.

In den kommenden 41 Tagen gibt es weiterhin durchschnittlich 2500 Einsätze täglich. Die damals viertgrösste Luftwaffe der Welt hält sich zurück, was dazu beiträgt, dass die USA und ihre Verbündeten insgesamt nur 39 Flugzeuge im Kampf verlieren werden – und 36 bei Unfällen.

Diese Kampagne legt den Grundstein der Bodenoffensive, die am 24. Januar beginnen wird – und den Zweiten Golfkrieg nach gut einem halben Jahr siegreich für die Koalition enden lässt.

Zurück zur Startseite