Covid-Studie zeigtHast du Neandertaler-Gene, droht dir ein schwerer Verlauf
klm
19.9.2023
Italienische Forscher haben untersucht, warum die Covid-Sterblichkeitsrate in Bergamo so hoch war. Schuld daran sind laut der Studie Gene, die der Mensch vom Neandertaler übernommen hat.
klm
19.09.2023, 12:00
klm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Forscher*innen des Mailänder Instituts Mario Negri befragten in Bergamo 9733 Menschen zu ihrem Covid-Verlauf.
Bei 1200 stellten sie danach DNA-Untersuchungen an.
Dabei stellten sie fest, dass ein Halotyp, den manche Menschen von dem Neandertaler übernommen haben, einen schwereren Corona-Verlauf verursachen kann.
In Europa tragen etwa 16 Prozent der Bevölkerung diese Gene in sich.
Es waren Bilder, die einem am Anfang der Pandemie ihr Ausmass vor Augen führten: In der italienischen Stadt Bergamo starben in den ersten drei Wochen der Corona-Pandemie um die 4500 Einwohner*innen – bei einer Bevölkerung von 120'000 Menschen. Die naheliegende Kleinstadt Val Seriana traf es ebenso hart.
Nun haben Forscher*innen des Mailänder Instituts Mario Negri untersucht, warum das Virus in dieser Region so verheerend war. Schuld daran sind laut der Studie unter anderem Gene, die die Menschheit vor über 45'000 Jahren von ihrem Verwandten, dem Neandertaler übernommen haben.
Obwohl diese Gattung des Homo Erectus seit 40'000 Jahren ausgestorben ist, tragen manche Menschen noch Neandertaler-Nukleotidvariationen – sogenannte Halotypen – in sich. Nukleotide bilden die Grundlage der DNA.
Doppelt so hohes Risiko, schwer zu erkranken
Wie Marina Noris, Leiterin des Zentrums für Humangenomik am Institut Mario Negri, in der Studie feststellte, steigt das Risiko eines schweren Verlaufs bei den Personen, die den Neandertal-Halotypen in sich tragen.
So sollen solche Menschen eine doppelt so hohe Chance haben, eine schwere Covid-19-Erkrankung in Form einer Lungenentzündung zu entwickeln. Das Risiko, intensivmedizinisch behandelt werden zu müssen, sei dreimal so hoch. Das Risiko, mechanisch beatmet zu werden, sei «noch höher».
«Ihre Gene mögen die einstigen Neandertaler vor Infektionen geschützt haben, doch jetzt verursachen sie eine überschiessende Immunreaktion, die uns nicht nur nicht schützt, sondern uns auch schwereren Krankheiten aussetzt», erklärt Giuseppe Remuzzi, Direktor des Instituts Mario Negri. Laut ihm könnte die genetische Veranlagung während der Pandemie eine Million Menschen weltweit das Leben gekostet haben.
Für die Studie wurden zunächst 9733 Menschen aus der Provinz Bergamo befragt. Anschliessend wurden 1200 Personen ausgewählt und in drei Gruppen eingeteilt: 400 Personen, die an einer schweren Form der Krankheit erkrankt waren, 400 Personen, die sich mit dem Virus in einer milden Form angesteckt hatten, und 400 Personen, die nicht erkrankt waren. Bei diesen Gruppen wurden gründliche DNA-Untersuchungen durchgeführt.
Die Gen-Variante, die die Forscher*innen untersuchte, wurde zum ersten Mal in den Überresten eines Neandertalers in Kroatien gefunden. Besonders in Südasien tragen noch viele Menschen diese Gene in sich – etwa 50 Prozent. In Europa sind es nur etwa 16 Prozent der Bevölkerung.