Neue Variante «Pirola» In Grossbritannien gehen wieder Covid-Ängste um

tchs

11.9.2023

London im März 2022: Werden Britinnen und Briten diesen Herbst wieder vermehrt Maske tragen?
London im März 2022: Werden Britinnen und Briten diesen Herbst wieder vermehrt Maske tragen?
Bild: Imago/Xinhua

Eine neue Corona-Variante sorgt für Sorgenfalten bei Virologen in Grossbritannien. Doch nicht nur «Pirola» ist ein Problem. Nun hat die Londoner Regierung Impfungen für alte Menschen vorgezogen.

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  • Eine neue Corona-Variante sorgt für Unruhe: In Grossbritannien herrscht Ungewissheit vor dem Herbst.
  • Eine Impfrunde für Menschen über 65 Jahren wurde im Vereinigten Königreich vier Wochen nach vorne verschoben.
  • Grund ist unter anderem die neue Variante namens «Pirola», doch auch das Gesundheitssystem.

Ursprünglich hatte Grossbritanniens Regierung für den Spätherbst eine weitere Impfrunde geplant. Doch eine neue Corona-Variante, deren Gefahrenpotenzial für britische Forscher noch nicht abzusehen ist, drängt London zum Handeln: Die Impfungen werden vier Wochen vorgezogen und starten bereits am heutigen Montag. Anspruch auf den Booster haben alle Personen ab 65 Jahren.

Doch warum kommt ausgerechnet jetzt auf der Insel wieder Nervosität auf? Unter anderem ist die Vorsicht damit zu begründen, dass zu Beginn der Pandemie im Vereinigten Königreich viele Menschen dem Virus zum Opfer fielen, auch aufgrund des Zögerns der Regierung. Zudem hält die Krise im britischen Gesundheitswesen an. Dass die Regierung – um Geld zu sparen – auch noch landesweite Tests und Auswertungen zur Covid-Verbreitung eingestellt hat, verstärkt die Sorge zusätzlich.

Was droht durch die neue Variante «Pirola»?

Besonders im Fokus: Die neue Variante, die den Spitznamen «Pirola» trägt. BA.2.86, so die wissenschaftliche Bezeichnung, wurde erstmals im August in England identifiziert und verbreitet sich offenbar überall schnell. Professor Lawrence Young, seines Zeichens renommierter Virologe der Universität Warwick, sieht das Land zum Beginn einer neuen Covid-Welle «auf eine sehr ungewisse Zeit» zusteuern. Dies berichtete der Forscher dem «Tages-Anzeiger».

Im Vergleich zu anderen Varianten weist «Pirola» eine hohe Anzahl an Mutationen auf, die dem Virus behilflich sein könnten, bestehende Immunität zu umgehen. Allerdings bleibt nach wie vor unklar, ob es wirklich dazu kommt. Die gute Nachricht für Grossbritannien: Weiterhin wird eine geringe Anzahl neuer Spitaleinweisungen registriert.

So sahen die Covid-Impfungen im Winter 2020 aus. Nun hat die britische Regierung Impfungen für über 65-Jährige vorgezogen.
So sahen die Covid-Impfungen im Winter 2020 aus. Nun hat die britische Regierung Impfungen für über 65-Jährige vorgezogen.
Bild: Keystone

Dann gibt es aber eben auch Geschichten wie diese, die sich im August in einem Pflegeheim in Norfolk zugetragen hat und die bedrohlich nach 2020 klingt: 33 von 38 Heimbewohnern erkrankten an Covid, 22 Menschen an der «Pirola»-Variante. Auch die Hälfte des Personals infizierte sich mit BA.2.86.

«Auffälligste Art von Covid» seit Omikron

Für François Balloux, Direktor des Genforschungsinstituts am University College London, ist die neue Variante «die auffälligste Art von Covid, die die Welt seit dem Erscheinen von Omikron zu Gesicht bekommen hat», zitiert der «Tages-Anzeiger». Auch Rowland Kao von der Universität Edinburgh warnt: Es liesse sich nicht ausschliessen, dass «Pirola» Einfluss auf den Schutz bestehender Impfstoffe haben könnte. Bereits jetzt sprechen Expertinnen und Experten wieder Maskenempfehlungen aus, mit Blick auf den Herbst ist auch wieder von mehr sozialer Distanz die Rede.

Viele Forscherinnen und Forscher plädieren dafür, dass der aktuelle Impfstoff nicht nur Bürgerinnen und Bürgern ab 65 Jahren vorbehalten bleibt, sondern bereits Personen ab 50 Jahren das neue Vakzin verabreicht bekommen können. Wenn es nach Lawrence Young geht, kann es auch gerne gleich für alle Erwachsenen freigegeben werden. «Immerhin ist unsere Immunität generell geschwunden», so der Virologe im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger».

Covid-Ausschuss übt Druck auf Sunak aus

Unterdessen gerät der britische Premier Rishi Sunak unter Druck. Der Covid-Ausschuss des britischen Unterhauses versucht seit dem vergangenen Wochenende, ihn zu einem breiteren Impfangebot zu bewegen.

Ausserdem gibt es im Vereinigten Königreich Diskussionen darüber, ob Covid-Impfungen nicht mehr nur wie bisher über das Gesundheitswesen laufen sollten, sondern auch privat gegen Zahlung erhalten werden können. Stimmen aus Politik und Forschung sprachen sich bereits dafür aus.

Professor Young steht dem Vorschlag kritisch gegenüber, insbesondere mit Blick auf die gebotene Fairness, was den Impfschutz-Zugang angeht. Young erklärt, dass sich viele Leute die Covid-Impfungen, die nicht unter 100 Pfund – etwa 111 Franken – zu haben sind, nicht leisten können. Die ärmeren Britinnen und Briten gingen in diesem Fall leer aus.