Gefährliche Ideologie Darum werden junge Männer immer frauenfeindlicher

jke

21.8.2024

Teilnehmerinnen einer Demonstration zum Internationalen Frauentag im März 2024 in Berlin.
Teilnehmerinnen einer Demonstration zum Internationalen Frauentag im März 2024 in Berlin.
Imago/Bildgehege

Der Maskulinismus breitet sich weltweit aus und findet in sozialen Netzwerken Millionen Anhänger. Eine neue Studie beleuchtet, warum diese Ideologie gerade bei jungen Männern so viel Anklang findet.

jke

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der «Maskulinismus» sieht die Männlichkeit in der Krise und fördert extreme Frauenfeindlichkeit, was in vielen Ländern zu wachsender Besorgnis führt.
  • Soziale Netzwerke nutzen das Unbehagen junger Männer aus und verbreiten frauenfeindliche Inhalte, die oft viral gehen.
  • Ein Mangel an Aufklärung über Geschlechtergleichstellung führt dazu, dass viele junge Männer ihre Informationen aus problematischen Online-Quellen beziehen.

Aktuelle Studien zeigen einen besorgniserregenden Anstieg des sogennanten Maskulinismus unter jungen Menschen in verschiedenen Ländern. Die Ideologie propagiert, dass Männlichkeit in Gefahr sei. Sie lehnt den Feminismus ab und befeuert eine extreme Frauenfeindlichkeit.

Dieser Trend hat reale Konsequenzen: In Grossbritannien schlug die Polizei diesen Sommer Alarm, da Junge durch Influencer radikalisiert werden. Woher rührt diese Entwicklung? Das Westschweizer Radio RTS hat mit Alice Apostoly, Mitbegründerin des Pariser Thinktanks «Institut du Genre en Géopolitique», über das Phänomen gesprochen.

Apostoly erklärt, dass junge Frauen heute ein fortschrittlicheres Verständnis von Beziehungen haben als ihre männlichen Altersgenossen.

Selbstbestimmung über den eigenen Körper

In der #MeToo-Bewegung hätten Frauen ihre Meinungsfreiheit verinnerlicht und profitierten von neuen Freiheiten, die mit der Förderung feministischer Themen verbunden und für Männer und ihre Körper längst selbstverständlich seien. 

Zum Beispiel die Bewegung «My body, my choice». «Mein Körper, meine Entscheidung» ist ein Slogan, der die Idee von persönlicher körperlicher Autonomie, Integrität und Entscheidungsfreiheit aufgreift. Körperliche Autonomie bedeutet Selbstbestimmung über den eigenen Körper ohne äussere Einflüsse oder Zwang.

Körperliche Integrität wiederum betont die Wichtigkeit von persönlicher Autonomie und Selbstbestimmung. Im Bereich der Menschenrechte gilt die Verletzung der körperlichen Integrität als ethisch problematisch und möglicherweise kriminell.

Entscheidungsfreiheit beschreibt schliesslich die Möglichkeit, aus mindestens zwei Optionen frei zu wählen, ohne äussere Beeinflussung.

Männliches Unbehagen wird instrumentalisiert

Junge Männer hingegen seien stark von Popkultur und den Ansichten ihrer Eltern geprägt. «Dieser Unterschied führt zu einem gewissen Unbehagen, das wir alle während der Pubertät spüren können», so die Expertin.

Dieses Unbehagen werde in sozialen Netzwerken instrumentalisiert, indem der Feminismus und die Frauenrechte zum Sündenbock gemacht werden. Besonders ältere Influencer spielen hier eine gefährliche Rolle, indem sie das Misstrauen der jungen Männer gegenüber Frauen verstärken.

Die Algorithmen der sozialen Netzwerke, die gewalttätige Inhalte fördern, tragen weiter zur Verbreitung solcher Ideologien bei. Apostoly weist darauf hin, dass mehr Menschen nach den «gewalttätigsten, groteskesten» Inhalten suchen, was die Algorithmen dazu veranlasst, ebendiese Inhalte noch häufiger anzuzeigen.

Frauenfeindliche Personen leisten «Aufklärungsarbeit»

Ein weiterer Faktor, der zur Verbreitung des Maskulinismus beiträgt, sei der Mangel an umfassender Sexual- und Gefühlserziehung in vielen Ländern. «Ich bin mir nicht sicher, ob junge Männer durch öffentliche Einrichtungen über die Gleichstellung der Geschlechter aufgeklärt werden», gibt Apostoly gegenüber RTS zu bedenken.

Da diese wichtige Erziehung oft durch soziale Netzwerke ersetzt wird, erhalten feindselige oder frauenfeindliche Personen die Gelegenheit, diese Rolle zu übernehmen.

Besonders alarmierend sei der Schneeballeffekt, den der maskulinistische Diskurs auslöse: Zuerst wird gegen Feministinnen vorgegangen, dann gegen LGBTQI+-Gemeinschaften und schliesslich auch gegen antirassistische Diskurse.

«Die Unterstützung jeglicher Art von Hassreden führt zwangsläufig zu allgemeinen Hassreden», warnt Apostoly eindringlich.

Forscherin fordert Unterstützung

Um gegen diese Entwicklungen anzukämpfen, fordert die Forscherin den Ausbau rechtlicher, politischer und finanzieller Mittel, um frauenfeindliche Äusserungen im Internet zu bekämpfen.

Zudem sollten digitale Grossunternehmen stärker reguliert und feministische sowie LGBTQI+-Organisationen besser unterstützt werden. Wichtig sei auch, die Bevölkerung über maskulinistische Diskurse und Fehlinformationen aufzuklären.