Letzter Flugingenieur erinnert sich So fühlte es sich wirklich an, die Concorde zu fliegen

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8.9.2024

Vor 20 Jahren, am 24. Oktober 2003, hob das Überschallflugzeug Concorde ein letztes Mal zu einem kommerziellen Flug ab – von New York nach London. Seitdem ist der zivile Überschallflug Geschichte.
Vor 20 Jahren, am 24. Oktober 2003, hob das Überschallflugzeug Concorde ein letztes Mal zu einem kommerziellen Flug ab – von New York nach London. Seitdem ist der zivile Überschallflug Geschichte.
Bild: Günter_Härig/dpa

Vor über 20 Jahren hob die Concorde zum letzten Mal ab. Doch wie fühlte es sich an, das Überschallflugzeug zu steuern? Der letzte Flugingenieur erinnert sich an legendäre Momente an Bord – und an den finalen Flug.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Das legendäre Überschallflugzeug Concorde absolvierte 2003 seinen letzten Flug – mit Warren Hazelby als Flugingenieur an Bord.
  • In einem Interview beschreibt der Brite nun das Gefühl und die Herausforderung, die Concorde zu steuern.
  • Zudem blickt er auf Kuriositäten, Promibegegnungen sowie auf den emotionalen letzten Flug zurück.

Sie gehört zu den legendärsten Flugzeugen überhaupt und war der letzte Passagierjet, der sich mit Überschallgeschwindigkeit fortbewegte: Zwischen 1976 und 2003 bediente die Concorde die wichtigen Transatlantikstrecken zwischen Paris/London und New York, und legte diese Strecke in 3 bis 3,5 Stunden zurück. Wie es sich anfühlte, die Ikone der Luftfahrt als einer der drei Menschen im Cockpit zu steuern, beschreibt nun ein Ex-Flugingenieur im Interview mit CNN

Warren Hazelby war nicht irgendein Flugingenieur, sondern der Letzte, der die Concorde bei ihrem finalen Flug 2003 begleitete. Etwa ein Jahr zuvor hatte der Brite seine Premiere an Bord der Concorde erlebt. Lebhaft erinnert er sich im Gespräch mit dem US-Sender an seinen ersten Überschallflug von London nach New York. «Sehr nervös» sei er vor dem Flug gewesen. Aber auch: «Das erste Mal durch die Schallmauer zu brechen, ist ein unvergessliches Erlebnis.»

Die Concorde, die mit einer Geschwindigkeit über Mach 2 flog, war seit den 1970er-Jahren in allen 20 gebauten Maschinen technologisch unverändert geblieben. Daher musste Hazelby als Flugingenieur und eine Art «menschliches Computerprogramm» dafür sorgen, dass das Flugzeug sicher und effizient flog. Mit Blick auf die öffentliche Wahrnehmung seines Jobs gesteht er aber auch: «Jeder weiss über die Piloten Bescheid. Aber niemand hat je von einem Flugingenieur gehört.»

Kaum Zeit zum Essen

Hazelby beschreibt, wie komplex das Cockpit der Concorde war: Ein Deck vom Boden bis zur Decke, voller Schalter und Anzeigen, die ständig überwacht und bedient werden mussten. Im Gegensatz zu modernen Flugzeugen, die zunehmend automatisiert sind, verlangte die Concorde ständige Eingriffe. «Man musste alles checken – die Triebwerke, den Kraftstoff, die Hydraulik», erklärt er.

Die Concorde mit ihren dünnen Tragflächen und hohen Geschwindigkeiten sei alles andere als ein normales Flugzeug gewesen. «Bei der Concorde gab es keine Phase, in der wenig zu tun war», sagt Hazelby. «Jede Minute musste etwas überwacht oder angepasst werden.» Seine Kollegen hätten ihn gewarnt: Die Arbeit sei so fordernd, dass man kaum zum Essen komme. «Wenn man es schaffte, fünf Minuten zum Essen zu finden, wusste man, dass man das Zeug dazu hatte.»

Apropos Essen: Jeder der drei Verantwortlichen im Cockpit habe auf jedem Flug eine andere Mahlzeit erhalten – für den Fall einer Lebensmittelvergiftung. Im Interview mit CNN blickt Hazelby auf weitere bemerkenswerte Anekdoten seiner Karriere zurück, etwa auf Begegnungen mit zahlreichen Prominenten an Bord, darunter etwa Mick Jagger. Bei einem Flug nach Barbados kurz vor Weihnachten seien sogar alle 54 Passagiere berühmte Gesichter gewesen, erinnert er sich.

«Es war das ultimative Flugzeug für einen Ingenieur»

Schon als Kind, so Hazelby, habe er in seiner Heimat in Südwestengland Flugzeuge beobachtet, insbesondere die Concorde. Mit 16 Jahren begann er seine Karriere als Auszubildender bei British Airways, und nach zwei Jahrzehnten als Flugingenieur erreichte er an Bord der Concorde den Höhepunkt seiner Laufbahn. «Es war das ultimative Flugzeug für einen Ingenieur», betont er.

Die Zufriedenheit, die er bei der erfolgreichen Landung verspürte, sei einzigartig gewesen: «Wenn man alles richtig macht und die Concorde gut fliegt, hat man ein enormes Gefühl der Erfüllung. Am Ende des Fluges ist man erschöpft, aber man hat all die verschiedenen Phasen durchlaufen und die Passagiere in dreieinviertel Stunden sicher an ihr Ziel gebracht. Es war ein ganz besonderes Gefühl, wenn man in New York ankam.»

«Der Start war die kritischste Phase»

Heute ist die Rolle des Flugingenieurs praktisch verschwunden. Bereits in den 1990er-Jahren sank aufgrund der Automatisierung der Bedarf an Flugingenieuren. Flugzeuge wie die Boeing 747-400 wurden so konzipiert, dass sie keine Ingenieure mehr erforderten. «Unsere Anzahl schrumpfte», erinnert sich Hazelby, der damals als Chefingenieur bei British Airways war. Nur die Concorde mit ihrer veralteten Technik und ihrer Komplexität brauchte weiterhin einen Ingenieur an Bord.

Die Zusammenarbeit im Cockpit war entscheidend. «Wir waren ein sehr eng verbundenes Team», sagt Hazelby über den Austausch mit den Piloten – enger als in jedem anderen Flugzeug. Jeder im Cockpit war auf den anderen angewiesen, insbesondere bei Start und Landung. «Der Start war die kritischste Phase», erinnert er sich. Die Triebwerksleistung musste exakt überwacht werden, da die Tragflächen der Concorde bei niedrigen Geschwindigkeiten keinen Auftrieb erzeugten.

«Sobald man auf 60'000 Fuss war, konnte man die Erdkrümmung sehen», erinnert sich Hazelby. Auch habe es ihn immer wieder fasziniert, dass die Sonne auf den Abendflügen von London nach New York unterzugehen schien und dann wieder aufging, weil die Concorde so schnell flog. «Wenn wir in Richtung New York beschleunigten, drehten wir uns schneller als die Erde und die Sonne ging wieder auf.»

Sehr emotionaler letzter Flug

Obwohl Flugingenieure oft im Schatten der Piloten standen, waren ihre Fähigkeiten und ihr technisches Wissen unverzichtbar. «Wenn etwas schiefging, konnte ich dem Kapitän technische Ratschläge geben», sagt Hazelby. Auch nach seiner Karriere hält er engen Kontakt zu ehemaligen Kollegen. Viele von ihnen treffen sich regelmässig im Brooklands Aviation Museum, wo eine der letzten Concorde-Maschinen ausgestellt ist.

Besonders emotional gewesen sei für Hazelby der letzte Flug der Concorde im November 2003, der über den Ort Filton führte, wo die Geschichte des Überschalljets begann – und wo Hazelby zufälligerweise auch zur Welt kam. «Es war ein sehr emotionaler Tag», sagt er. «Mein Onkel, der damals an Krebs erkrankt war, sah den letzten Flug von seinem Rollstuhl aus.»

«Es war ein besonderer Abschluss meiner Karriere»

Heute blickt Hazelby mit gemischten Gefühlen auf die Automatisierung, die das Ende seiner Berufslaufbahn einläutete. Es sei klar gewesen, dass Computer sie irgendwann ersetzen würden, sagt er. «Aber ich bin stolz darauf, der letzte Flugingenieur bei British Airways gewesen zu sein.»

Die Concorde, die bei ihrem letzten Flug unter Hazelbys Aufsicht stand, ist heute im Aerospace Bristol Museum ausgestellt. «Es war ein besonderer Abschluss meiner Karriere», erinnert er sich. Sein Name, zusammen mit den Signaturen der letzten Passagiere und Crew, ist noch immer auf einer der Türen des Flugzeugs verewigt.