Traumferien werden zur Ferienhölle Pässe gestohlen – Schweizer
Paar sitzt in Kasachstan fest

Sven Ziegler

5.10.2024

blue News Redaktor Sven Ziegler und seine Freundin mit der Verlustmeldung der Polizei.
blue News Redaktor Sven Ziegler und seine Freundin mit der Verlustmeldung der Polizei.
Sven Ziegler

blue News Redaktor Sven Ziegler und seiner Partnerin werden in Kasachstan die Pässe gestohlen. Das ist der Beginn einer endlosen Odyssee.

Sven Ziegler

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • blue News-Redaktor Sven Ziegler und seiner Partnerin werden in Kasachstan die Pässe gestohlen.
  • Dann beginnt eine wahre Odyssee.

Freitagmittag, kurz vor 15 Uhr Ortszeit. Seit fast drei Stunden stehen wir am Grenzübergang zwischen Kirgistan und Kasachstan. Es ist das mühsame Ende einer tollen zweiwöchigen Reise, die uns durch in Europa weitgehend unbekannte Berglandschaften, Täler und sogar Flüsse (ja, die Strassen in Kasachstan führen teilweise durch Flüsse hindurch) geführt hat. Nun aber stehen wir am Grenzübergang Ak Tol, auf dem letzten Abschnitt unserer Reise. Dass nun eine Odyssee beginnen würde, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Am Zollübergang ist es heiss. Wir stehen rund 1,5 Stunden in der Schlange, ehe wir mit unserem Mietwagen endlich in den Kontrollbereich fahren dürfen. Die Szenen auf kirgisischer Seite sind unangenehm. In der Halle weht ein eisiger Wind, grimmige Zöllner filzen jedes Auto, schauen sich jeden Pass mehrmals an. Es ist gespenstisch ruhig. Irgendwo bellt ein Schäferhund. Spontan kommt mir eine nachgestellte Szene aus einer Spiegel-TV-Doku zum DDR-Grenzübergang Helmstedt/Marienborn in den Sinn. Ob es tatsächlich so war, weiss ich nicht, aber wir sind froh, als wir endlich weiterfahren dürfen.

Dieses Bild entsteht kurz vor dem Passdiebstahl an der Grenze zwischen Kirgistan und Kasachstan.
Dieses Bild entsteht kurz vor dem Passdiebstahl an der Grenze zwischen Kirgistan und Kasachstan.
Sven Ziegler

Auf kasachischer Seite wiederholt sich das Spiel. Endloses Warten vor einem Schalter, um den Einreisestempel zu erhalten. 40 Autos pro Zöllner. Leute drängen sich vor, es wird geschrien, die Laune ist schlecht. Nach einer Stunde Warten blickt der Zöllner interessiert in unsere Pässe, schaut sich minutenlang jeden Stempel an. «Das Leben muss schön sein in der Schweiz», meint er. Wir lächeln gequält.

Drei Stunden Autofahrt durchs Nichts

Dann nimmt das Unheil seinen Lauf. Als wir weiterfahren wollen, ruft ein Mann in Trainerhose «Stopp! Autokontrolle!» Ein Zöllner eilt heran, bedeutet uns, auszusteigen. Er will das Auto kontrollieren, schaut sogar in die Motorhaube. In einem unachtsamen Moment lege ich die Pässe unter meinen Rucksack auf der Rückbank. Als wir nach mehreren Minuten endlich weiterfahren dürfen, ist der Mann in Trainerhose verschwunden. Als ich mich nach dem Zoll erleichtert umdrehe, um den Rucksack wieder im Kofferraum zu verstauen, ist darunter: Nichts. Die Pässe: Weg.

Wir durchsuchen alles, fragen am Zoll nach. Doch dort will niemand etwas von unseren Pässen wissen. Wir werden angewiesen, in die kasachische Grossstadt Almaty zu fahren, rund drei Stunden Weg sind das. Unterwegs versuchen wir, unsere Botschaften zu kontaktieren. Während meine Freundin bei der deutschen Botschaft Erfolg hat und umgehend eine 24-Stunden-WhatsApp-Nummer des Pikettdienstes erhält, laufe ich auf: Die Schweizer Botschaft: Geschlossen. Bürozeiten. Auch bei der EDA-Helpline in Bern komme ich nicht weiter. Ich solle mich «gerne am Montag direkt bei der Botschaft melden», heisst es.

Immer wieder bricht die Verbindung ab, das Handynetz auf dem Land ist schlecht. Dann, mitten in einem Telefonat mit der Versicherung in der Schweiz, gibt mein Telefon den Geist auf. Wenig später kann ich gar nicht mehr telefonieren: «Sie haben Ihr Roaming-Limit von 50 Franken aufgebraucht», heisst es in einer Nachricht auf meinem Bildschirm. 

Abends um 18 Uhr treffen wir in der Grossstadt ein. Uns wird geraten, umgehend zur Migrationspolizei zu fahren. Doch die zu finden, ist gar nicht so einfach. Google Maps und der in Kasachstan verbreitete Navigationsdienst Yandex haben keine Ahnung, was wir suchen. Der erste Polizeiposten lotst uns in die falsche Richtung, der zweite versteht uns nicht. Wir irren durch die dunklen Strassen. 

Schliesslich finden wir die Migrationspolizei doch noch, durch die Hilfe der deutschen Botschaft. Doch als wir dort eintreffen, ist alles dunkel. Ein einzelner Beamter sitzt hinter der Scheibe. Es sei geschlossen, und ohne Pass könnten sie uns auch nicht helfen. Dafür müssten wir zuerst Notpässe beantragen, und dafür brauche es eine Anzeige bei der Polizei. Nicht hier natürlich, an einem anderen Posten. Wo genau? Das wisse er nicht. Meine Gedanken drehen sich um Passierschein A38, eine Szene aus «Asterix und Obelix». Auch dort werden die Protagonisten von Tür zu Tür geschickt, bis sie durchdrehen und verrückt werden.

Den Polizeiposten, an dem wir die Anzeige aufgeben müssen, finden wir doch noch. Wir erhalten nach grossem Hin und Her eine Anzeige, niemand will uns glauben, dass die Pässe gestohlen worden sind. «Hier wird nicht geklaut», so die Aussagen eines Beamten. Wir sind hungrig und müde, haben seit fast 10 Stunden nichts mehr gegessen ausser ein wenig Wassermelone. Und wissen jetzt: Vor Montag gehts nicht weiter. Nach Hause kommen wir nicht.


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