Werke im Kunsthaus ZürichSammlung Bührle zeigt sich offen für unabhängige Überprüfung
SDA/lmy
11.11.2021 - 17:32
Kunsthaus Zürich: Das gibt›s im neuen Chipperfield-Bau zu sehen
Am Samstag öffnet der Erweiterungsbau des Kunsthaus Zürich seine Türen fürs Publikum. Nicht nur der Bau von Stararchitekt David Chipperfield ist spektakulär, auch die gezeigten Werke.
07.10.2021
Stadt und Kanton Zürich fordern eine Überprüfung der bisherigen Forschung zur umstrittenen Sammlung Bührle. Die zuständige Stiftung teilt nun mit, dass sie diesem Anliegen positiv gegenüber steht.
11.11.2021, 17:32
SDA/lmy
Die Debatte um die Sammlung Bührle im neuen Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich hat in den letzten Tagen Fahrt aufgenommen. Nachdem am vergangenen Sonntag ehemalige Mitglieder und Mitarbeitende der Bergier-Kommission mit harscher Kritik und drei Forderungen an die Öffentlichkeit getreten waren, haben wenige Tage später Kanton und Stadt Zürich reagiert – und nun, am Donnerstag, auch die Sammlung Bührle selbst.
Die ehemaligen Mitglieder und Mitarbeitenden der Bergier-Kommission forderten eine «unabhängige und neutrale Expertenkommission». Namentlich der Kanton und die Stadt Zürich sollten dafür sorgen, dass die Provenienzforschung, im Rahmen derer die Herkunft der einzelnen Kunstwerke erforscht wird und die bis anhin von der Stiftung selbst geleistet wurde, unabhängig evaluiert werden solle. Die aktuelle Situation in Zürich sei «ein Affront gegenüber potentiellen Opfern von Raubgut», hiess es in der Mitteilung.
Darauf reagierten Kanton und Stadt Zürich am Mittwoch. Auch sie forderten unter anderem eine unabhängige Evaluation der bisherigen Forschung. Stadt und Kanton Zürich sind Subventionsgeberinnen der öffentlichen Hand für das Kunsthaus Zürich, das die private Sammlung Bührle ausstellt.
Verantwortung übernehmen
Mit dieser Forderung wird zudem ein Anliegen des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) umgesetzt. Dieser begrüsste in einer Mitteilung ebenfalls von Donnerstag die Forderungen von Kanton und Stadt Zürich. Das Kunsthaus müsse «die Verantwortung für die Provenienzforschung der Sammlung übernehmen und sich entschieden um Abklärung und Aufklärung bezüglich Herkunft und Vorbesitz der Bilder bemühen», schreibt der SIG.
Und nun steht auch die Stiftung Sammlung E. G. Bührle selbst einer solchen unabhängigen Überprüfung «positiv gegenüber», wie sie in einer Mitteilung von Donnerstag schreibt. Ob damit nun alles gut wird, bleibt allerdings offen.
Die Stiftung gibt sich überzeugt, die Abklärung zur Herkunft ihrer Werke «in umfassendster Weise durchgeführt» zu haben. Weiter hält sie fest, dass «sich im Bestand der Sammlung keine ungeregelten Raubkunstfälle finden». Indes finden sich im Bestand fünf Werke, «die unter die Kategorie sogenannter Fluchtkunst» fallen, wie die Stiftung schreibt.
«Raubkunst» und «Fluchtkunst»
Knacknuss könnte die Begrifflichkeit von «Raubkunst» und «Fluchtkunst» sein. Denn als Fluchtgut gelten Werke von jüdischen Besitzer*innen, die diese während der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 ins Ausland gebracht und dort verkauft haben. Hier stellt sich die Frage, ob die Werke freiwillig oder aufgrund einer Zwangslage verkauft wurden.
Wenn eine solche Zwangslage festgestellt wird, wird in der heutigen Praxis sogenanntes «Fluchtgut» als «Raubgut» betrachtet – mit der Konsequenz, dass derartige Werke zurückgegeben werden. Dieser erweiterte Begriff von Raubkunst ist seit 2009 internationale Praxis und wurde in der sogenannten Theresienstädter Erklärung über Holocaust-Vermögenswerte festgeschrieben. Das Dokument hat auch die Schweiz unterzeichnet.
Dass die Sammlung Bührle dafür kritisiert werde, in ihr befinde sich sogenanntes «Fluchtgut», darauf verweist auch der SIG. «In der Provenienzdebatte steht daher die Frage im Raum, ob diese Werke nicht auch wie Raubkunst zu behandeln und entsprechend zu restituieren seien.»
Offene Fragen
Bezogen auf jene fünf Werke «sogenannter Fluchtkunst» schreibt die Stiftung Sammlung E. G. Bührle, sie könne davon ausgehen, dass diese Werke «rechtmässig und zu Marktpreisen in den Besitz von Emil Bührle gelangt sind». Eine unabhängige Untersuchung würde vermutlich derartige Fälle genau prüfen. Und eventuell zu dem Schluss kommen, dass Werke zurückgegeben, sogenannt restituiert werden müssen. Die Stiftung schreibt heute, es bestünden «keinerlei pendente Restitutionsbegehren».
Offen ist indes die eigentliche Frage, wer bei künftigen allfälligen neuen Erkenntnissen das letzte Wort dazu hat, ob ein Werk auch wirklich zurückgegeben wird. Zu den entsprechenden vertraglichen Hintergründen äussern sich in ihren jeweiligen Mitteilungen weder Kanton und Stadt Zürich noch die Stiftung Sammlung E. G. Bührle.