ErfahrungsberichtWie die Zürcher Wohnungsnot meinen Willen gebrochen hat
Von Celina Euchner
11.5.2023
Wohnungssuche in Zürich? Ich habe aufgegeben. Zumindest all meine Wünsche und Ansprüche. Statt in eine 2-Zimmer-Wohnung geht es für mich in ein WG-Zimmer. Ein Erfahrungsbericht.
Von Celina Euchner
11.05.2023, 10:26
11.05.2023, 15:00
Celina Euchner
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Wohnraum in der Schweiz wird immer knapper.
Das musste unsere Redaktorin bei der Suche nach ihrer Traum-Wohnung in Zürich schmerzlich erfahren.
Statt in eine renovierte 2-Zimmer-Wohnung zieht sie nun in ein WG-Zimmer.
«Zürich, nimm mich zurück», möchte ich schreien. Auf meinem Laptop sind 27 Tabs offen, alle preisen verschiedene Wohnungen an. Alle haben Haken. Sie sind befristet, wollen mich wegen Renovierung nach wenigen Monaten wieder rauswerfen. Andere sind so weit ausserhalb der Stadt gelegen, dass die Bezeichnung «Wohnen in der Agglo» noch eine Untertreibung ist.
Die Haken verstecken sich hinter Wörtern wie «Befristetes, herziges Bijou» (heisst: Rausschmiss nach drei Monaten) und «Geräumiges Ein-Personen-Loft» (heisst: 17 Quadratmeter, keine Küche) oder «Gemütliche Wohnperle sucht Mieter» (heisst: Sie essen, schlafen, arbeiten. Alles in einem Raum).
Schon fünf Wohnungen in Zürich gefunden
Ich verzweifle, dabei habe ich schon fünf Wohnungen in Zürich gefunden – innert dreier Jahre. Vier Wohngemeinschaften, eine im Kreis 6, eine im Kreis 4, eine in Wollishofen, eine weitere im Seefeld und eine 1-Zimmer-Wohnung in Wiedikon. Das war im Zeitraum von 2018 bis 2021.
Jedes Mal hat es funktioniert. Ein routinierter Prozess: Freunde fragen, Immobilien-Anzeigen durchforsten, herumtelefonieren, einige Wohnungen besichtigen, in der Schlange anstehen, bewerben, streichen, einziehen. Doch die sechste Wohnungssuche in Zürich wehrt sich gegen mich.
Wohnungssuche in den USA war kein Problem
In den letzten zwei Jahren habe ich in den USA gelebt. Dort fand ich über einen Kollegen eine Wohnung in Downtown San Diego. Kein Problem. Dann zog ich in eine grössere Wohnung, näher am Strand. Kein Problem.
Ein Jahr später zog ich an die Ostküste, fand eine Wohnung in der bevölkerungsreichsten Stadt der Vereinigten Staaten, New York City. Das war teuer und ging mit der Hilfe eines Maklers – aber es war kein Problem.
Gut, ich gebe zu: Ich habe mir in den USA ein haariges Problem zugelegt. Es wiegt 10 Kilogramm und wedelt unaufhörlich mit dem Schwanz. Mein Hund Peanut.
Sucht man auf einer bekannten Immobilienplattform nach einer Zürcher Wohnung in meiner Preisspanne, ploppen 127 Anzeigen auf. Mit Peanut minimiert sich das Angebot auf 30 Angebote.
Ende Februar zog ich von New York zu meinen Eltern in ein Dorf im deutschen Nordrhein-Westfalen. Mit 27 sitze ich also in meinem fliederfarbenen Kinderzimmer und durchforste seither den Wohnungsmarkt. Immer wieder geht meine beste Freundin in Zürich für mich auf Besichtigungen.
«Kann man machen, wenn man muss»
Nach dem Anschauen einer meiner favorisierten Wohnungen schreibt sie: «Abartig hässlicher Balkon, aber die Wohnung kann man machen, wenn man muss.» Ich bewerbe mich, höre drei Wochen nichts, dann erhalte ich die Absage.
So geht das immer wieder. Ich plane Besichtigungstrips nach Zürich, telefoniere mit Immobilienfirmen und Vermieter*innen, es hagelt weiter Abfuhren. Das sei halt gerade einfach so, höre ich ständig.
Immer wieder teile ich meine Wohnungsnot auf den sozialen Medien mit. Ich lasse mein Netzwerk jeden Sonntag aufs Neue von meiner Misere wissen. Meine Postings nehmen an Dramatik zu.
Einmal schreibe ich: «Rettet Peanut und mich vor der Wohnungslosigkeit.» Ich verwende Wörter wie «Hilfe», ich flehe und bettle.
Das rettende WG-Angebot
Die Rettung kommt an einem Donnerstag. Eine Kollegin schreibt mir, ihre Freundin suche eine neue Mitbewohnerin. Ich wollte nicht wieder in eine WG, pochte auf meine eigene 2-Zimmer-Wohnung.
Zu Beginn wünschte ich mir gar eine renovierte Wohnung, im Minimum zwei grosse Zimmer. Daraus wurde: «Ich wünsche mir ein Bad, das nicht aus den 70ern stammt.»
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Meine Wünsche minimierten sich zu: «Ich will keine befristete Wohnung.» Dann: «Ich nehme auch eine 1-Zimmer-Wohnung.» Und schliesslich: «Ich kann auch wieder in eine WG ziehen.» Der unbezwingbare Gegner siegt. Ich gebe nach.
Die Wohngemeinschaft hat zu viele Vorteile, um mich weiter zu wehren. Sie liegt in Wiedikon, samt grossem Zimmer für mich, hellen Gemeinschaftsräumen, herzlichen Mitbewohnern, und Peanut wird nicht nur geduldet – man freut sich gar auf ihn.
Vielleicht nehme ich das Duell nochmals auf. Vielleicht finde ich noch mal die Kraft, meine Traum-Wohnung zu suchen. Aber erst einmal geht es für mich mit gebrochenem Willen, aber immerhin mit meinem haarigen Problem, wieder zurück ins WG-Leben.