Felssturz in Kandersteg «Es war wie der Weltuntergang»

SDA/uri

24.2.2023 - 11:09

Augenzeuge von Felssturz: «Es war wie der Weltuntergang»

Augenzeuge von Felssturz: «Es war wie der Weltuntergang»

Es gab einen «Doppel-Wumms», sagte der Mönch Ajahn Khemasiri, der im Buddhistischen Kloster an der Fluh unterhalb der Allmenalp am Dorfrand von Kandersteg wohnt, wo sich am Donnerstag gegen 16:30 Uhr der Felssturz ereignete. «Es war wie der Weltuntergang. Alles war in Staub gehüllt», sagt er im Interview mit Keystone-SDA. «Zuerst gab es einen kleinen «Wumms». Da war ich alarmiert und ging schauen. Erst dann kam es richtig runter.» Zusammen mit Gästen reinigt Khemasiri den Vorplatz des Klosters.

24.02.2023

Nach dem Felssturz steht man in Kandersteg BE unter dem Eindruck des Ereignisses – und ist am Aufräumen. Vor allem Staubwischen ist angesagt, denn eine mächtige Staubwolke zog über Teile des Dorfs.

Mit Besen und Gartenschlauch war am Freitagmorgen auch Ajahn Khemasiri unterwegs, ein Mönch der buddhistischen Gemeinschaft Dhammapala, die seit Jahren in einem Haus in Sichtweite der Allmifluh lebt.

«Wir waren in eine dunkle Staubwolke eingehüllt», sagte der Mönch. Es sei sehr beeindruckend und laut gewesen – «wie der Weltuntergang». So etwas habe er in seinen dreissig Jahren in Kandersteg noch nicht erlebt.

Das Rutschgebiet ist weiträumig abgesperrt. Das ist bereits seit vergangenem Dezember so, da Geologen mit einem Felssturz gerechnet haben. Die am Donnerstag abgestürzten 15'000 bis 20'000 Kubikmeter Gestein entsprachen dem, was erwartet worden war, teilte die Gemeinde Kandersteg am Freitag mit. Verletzt wurde glücklicherweise niemand und auch Häuser wurden nicht beschädigt.

Das Gebiet werde weiterhin überwacht und im Verlauf des Tages eine neue Lagebeurteilung vorgenommen. Die Gemeinde rief eindringlich dazu auf, den Absperrungen und Warnsignalen Folge zu leisten und das gesperrte Gebiet nicht zu betreten.

Auch am Freitag waren immer mal wieder Geräusche von herabfallenden Steinen zu hören, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur Keystone-sda berichtete.

Beim «Spitze Stei» sind Millionen Kubikmeter in Bewegung

An der Fluh unterhalb der Allmenalp am Dorfrand von Kandersteg kam es auch in der Vergangenheit gelegentlich zu Abbrüchen. Das Gebiet hatten die Geologen deshalb im Auge.

Die 15'000 bis 20'000 Kubikmeter Gestein, die am späten Donnerstagabend dort abgingen sind im Vergleich zu den drei Millionen Kubikmetern, die 2017 im Bergell GR vom Piz Cengalo hinunterdonnerten, verhältnismässig wenig.

Und auch in Kandersteg ist eine viel grössere Bergflanke als die Allmifluh in Bewegung. Auf der gegenüberliegenden Talseite von Kandersteg am Doldenhorn südlich des Oeschinensees sind im Gebiet des «Spitze Stei» insgesamt etwa 15 Millionen Kubikmeter Gesteinsmasse in Bewegung.

Diese Masse dürfte aber kaum als Ganzes abgehen, Geologen rechnen viel eher damit, dass es in den verschiedenen Gebieten der Flanke immer wieder zu Abbrüchen kommt. 2019 etwa gingen rund 15'000 Kubikmeter ab und der «Spitze Stei» verlor dabei seine markante, namensgebende Spitze.

Tauender Permafrost im Boden

Experten führen die Felsbewegungen am «Spitze Stei» unter anderem auf den tauenden Permafrost im Boden zurück. Das Gebiet liegt ausserhalb des Siedlungsgebiets im Hochgebirge Es ist seit langem für Berggänger gesperrt und wird von Wissenschaftlern minutiös überwacht.

Der Kandersteger Gemeinderatspräsident René Mäder spricht jeweils gerne vom «bestüberwachten Berg der Schweiz», wenn er auf den «Spitzen Stein» zu reden kommt.

Auch wenn ein Felssturz am Spitzen Stein das Siedlungsgebiet nicht direkt betrifft, so könnten die Gesteinsmassen den Oeschibach stauen oder es könnten Geröll und Schlammlawinen durch den Bach Richtung Kandersteg abgehen.

Die Gemeinde hat in den letzten Jahren umfangreiche Schutzmassnahmen wie Leitdämme und Rückhaltebecken geschaffen. Die Dorfbevölkerung lebe seit Generationen mit den Naturgefahren der Berge, sagte Mäder im vergangenen Herbst im Regionalfernsehsender «TeleBärn». «Wir haben keine Angst, wir haben Respekt», führte Mäder aus.

SDA/uri