Trennungsschmerz Herzen können wirklich brechen: Wie krank Liebeskummer macht

dpa

10.7.2019

Liebeskummer wird oft unterschätzt: Er kann ernsthaft krank machen.
Liebeskummer wird oft unterschätzt: Er kann ernsthaft krank machen.
Christin Klose/dpa-tmn

Welches Herz war nicht schon einmal gebrochen? Manche leiden jahrelang darunter, manche nur ein paar Monate. Und für manche wird er lebensgefährlich.

Die meisten Menschen trifft es mit voller Wucht: Eine innige Beziehung zerbricht – und das Herz gleich mit. Der Begriff Liebeskummer? «Ist dafür viel zu harmlos», sagt Günter H. Seidler, Facharzt für Psychotherapie und Professor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

«Trennungen und unglückliche Lieben können nicht nur eine vorübergehende Traurigkeit auslösen, sondern tatsächlich krank machen», so der Experte. Viele Erwachsene würden das jedoch nicht ernst nehmen. «Sie gehen davon aus, dass das bisschen Liebeskummer mit der Zeit von selbst verschwindet.»

Ein Leben lang belastet

Der Begriff Liebeskummer verschleiert, wie sehr Betroffene teilweise leiden, meint Professor Günter H. Seidler, Facharzt für Psychotherapie.
Der Begriff Liebeskummer verschleiert, wie sehr Betroffene teilweise leiden, meint Professor Günter H. Seidler, Facharzt für Psychotherapie.
Günter H. Seidler/dpa-tmn

So ist es häufig auch – aber längst nicht immer. «Der Schmerz kann durchaus zwei Jahre andauern», sagt Seidler. «Und manchmal auch ein ganzes Leben.» Wie Menschen mit ihrem Kummer umgingen, sei dabei ganz verschieden: Viele stürzen sich dann direkt in die nächste Beziehung – schleppen die Last der alten aber noch mit. «Die neue Partnerschaft trägt dann noch die Hypothek von der früheren, was keine gute Grundlage ist.»

Auch Elena Sohn, Autorin des Buches «Goodbye Herzschmerz», rät dazu, Liebeskummer nicht unter den Teppich zu kehren. «Die Symptome gleichen einer Depression», sagt sie. Betroffene kämpfen zum Beispiel mit Perspektivlosigkeit, Niedergeschlagenheit, Schlafmangel, Appetitlosigkeit oder Antriebslosigkeit.

Welten brechen zusammen

Sohn betreibt die Beratungsagentur Liebeskümmerer – genau für solche Fälle. In ihrer Praxis sieht sie am häufigsten Menschen zwischen 30 und 40 Jahren, aber auch viele jenseits der 70. «Menschen im höheren Alter fragen sich oft, ob es das letzte Mal war, dass sie sich verliebt haben.» Viele ihrer Klienten seien aus Vernunftehen ausgebrochen und hätten im späten Alter zum ersten Mal echtes Verliebtsein kennengelernt. «Wenn dieser neue, geliebte Partner sich dann trennt, bricht tatsächlich eine Welt zusammen.»

Wichtig sei dann – ganz unabhängig vom Lebensalter – den Blick auf sich selbst zu richten und gut für sich zu sorgen. «Vielen Menschen hilft es, über ihre Situation zu reden und sich vor Augen zu führen, was im eigenen Leben noch von Bedeutung ist», sagt Sohn. Das könne ein erfüllter Beruf sein, ein Hobby oder der Kontakt zu guten Freunden. «Am schwierigsten ist es immer für diejenigen, die ihr gesamtes Lebensglück in der Partnerschaft gesehen haben. Das ist eine immense Erwartungshaltung, die den anderen häufig erdrückt.»

Eine Expertin für gebrochene Herzen: Elena Sohn leitet eine Beratungsagentur für Menschen, die vor Liebeskummer krank sind.
Eine Expertin für gebrochene Herzen: Elena Sohn leitet eine Beratungsagentur für Menschen, die vor Liebeskummer krank sind.
Georg Meierotto/www.lichtbildmeister.com/dpa-tmn

Manchmal hilft nur noch der Therapeut

Doch was tun, wenn alles nichts hilft? «Manche Menschen werden immer wieder von regelrechten Erinnerungssturzbächen heimgesucht», sagt Seidler. «Diese Erinnerungen drängen sich den Betroffenen auf, sie fühlen sich dann hilflos ausgeliefert.» Auch Wutzustände seien nicht selten. «Wenn die Gedanken nach längerer Zeit immer noch nur um die verlorene Person kreisen, sollte etwas passieren.»

Eventuell muss in solchen Fällen Hilfe von aussen her. Eine Möglichkeit sei die psychotherapeutische Methode Eye Movement Desensitization and Reprocessing, abgekürzt EMDR genannt. Dies sei eine Methode zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen, deren Symptome dem Trennungsschmerz ähneln können.

Herzversagen durch gebrochenes Herz

Doch nicht immer ist Liebeskummer der dunkle Begleiter, der sich langsam einen grossen Platz im Leben erschleicht. Es gibt Menschen, die werden von jetzt auf gleich todkrank. Broken-Heart-Syndrom nennt man dieses Phänomen, Mediziner sprechen auch vom Tako-Tsubo-Syndrom. Betroffene erleiden ein akutes Herzversagen, ausgelöst durch starken emotionalen Stress.

«Viele kommen mit Brustschmerzen und Atemnot in die Klinik und alles spricht erstmal für einen Herzinfarkt», erklärt Katrin Streckfuss-Bömeke, Biologin an der Universitätsmedizin Göttingen, die die Krankheit erforscht. Klassischer Fall des Broken-Heart-Syndroms: Nach langen gemeinsamen Ehejahren verstirbt plötzlich der Ehemann. Kurz darauf kommt die Frau mit Herzschmerzen ins Spital – und verstirbt im schlimmsten Fall. «Das Broken-Heart-Syndrom kann in der akuten Phase in der Tat tödlich verlaufen», sagt Streckfuss-Bömeke.

Katrin Streckfuss-Bömeke erforscht das Broken-Heart-Syndrom.
Katrin Streckfuss-Bömeke erforscht das Broken-Heart-Syndrom.
Fotostudio Miriam Merkel/dpa-tmn

Frauen trifft es öfter

Viele Patienten entwickeln in dieser akuten Phase, die meistens ein bis drei Tage dauert, Begleiterkrankungen wie Lungenödeme oder sogenannte kardiogene Schocks, bei denen ein Pumpversagen des Herzens auftritt. «Gehäuft tritt das Broken-Heart-Syndrom bei Frauen in der Menopause auf», sagt Streckfuss-Bömeke.

Behandelt werden Menschen mit Broken-Heart-Syndrom in der Regel wie Patienten mit Herzinsuffizienz. «Im Gegensatz zum Herzinfarkt erholen sich die Patienten sehr gut, wenn sie die gefährliche akute Phase überstanden haben», sagt Streckfuss-Bömeke. «Nach zwei Monaten sind die meisten wieder komplett gesund.»

Sie rät jedoch, nach überstandener Krankheit psychotherapeutische Hilfe in Erwägung zu ziehen. «Patienten erleiden manchmal einen Rückfall. Hier könnte eine Therapie helfen, nicht noch einmal eine solche emotionale Stresssituation zu verfallen und den eventuell dahinter liegenden Verlust besser zu verarbeiten.»

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