Unruhen im Iran Teheran will seine Sittenpolizei aufgelöst haben

dpa/phi

4.12.2022 - 09:25

WM Katar 2022 – Pussy Riot im Stadion beim Spiel Iran gegen USA

WM Katar 2022 – Pussy Riot im Stadion beim Spiel Iran gegen USA

Bei der WM in Katar treten immer wieder politische Diskussionen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. So auch beim Spitzenspiel am Dienstagabend Iran gegen die USA. Unter anderem waren Mitglieder des russischen feministischen Künstler-Kollektivs Pussy Riot während der Partie im Stadion. Sie zeigten T-Shirts mit der Aufschrift «Woman Life Freedom».

30.11.2022

Die Sittenpolizei, die im Iran die Einhaltung der Kleidervorschriften durchsetzt, ist angeblich aufgelöst worden. Ob das stimmt und was das für Frauen ohne Kopftuch bedeutet, muss sich erst noch zeigen.

Im Iran ist nach Angaben des Generalstaatsanwalts die Sittenpolizei aufgelöst worden, die bislang hauptsächlich für die Einhaltung der Kleidungsvorschriften von Frauen zuständig war.

«Die Sittenpolizei wurde aufgelöst, aber die Justizbehörde wird sich weiterhin mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung auseinandersetzen», zitiert heute die Tageszeitung «Shargh» den Generalstaatsanwalt Mohammed-Dschafar Montaseri.

Weitere Details zu den Umständen und der Umsetzung der Auflösung gab es nicht. Kritiker der politischen Führung reagierten verhalten auf die Ankündigung. Das Problem sei nicht die Sittenpolizei, sondern die Aufhebung des Kopftuchzwangs, schrieb ein iranischer Aktivist auf Twitter.

Proteste am 19. September in Teheran: Die Sittenpolizei ist angeblich aufgelöst worden.
Proteste am 19. September in Teheran: Die Sittenpolizei ist angeblich aufgelöst worden.
AP

«Frauen müssen überall ohne Kopftuch verkehren können», forderte er. Und dies sei «nur der erste Schritt.» Beobachtern zufolge würde die Auflösung der Sittenpolizei zwar kein Ende des Kopftuchzwangs für Frauen bedeuten, aber einen wichtigen Teilerfolg der Frauenbewegung im Iran darstellen.

Die Sittenpolizei war der Auslöser der seit über zwei Monaten andauernden systemkritischen Aufstände in dem Land. Mitte September verhafteten die islamischen Sittenwächter die 22-jährige Mahsa Amini. Unter ihrem Kopftuch sollen ein paar Haarsträhnen hervorgetreten sein. Amini starb wenige Tage später im Gewahrsam der Sittenpolizei.

Widersprüchliche Angaben über Opfer

Seitdem protestieren im Iran Menschen gegen das islamische System und dessen Gesetze und Vorschriften. Seit dem Ausbruch der Proteste werden der Kopftuchzwang und die islamischen Kleidervorschriften von vielen Frauen, besonders in Grossstädten, zunehmend ignoriert. Laut islamischen Gesetzen müssen Frauen in der Öffentlichkeit ein Kopftuch sowie einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körperkonturen zu verhüllen.

Dieses Gesetz ist seit über 40 Jahren Teil der gesellschaftspolitischen Doktrin des islamischen Systems um, wie es heisst, «Land und Volk vor der westlichen Kulturinvasion zu retten».

Seit Beginn der Demonstrationen wurden nach Einschätzung von Menschenrechtlern rund 470 Demonstranten getötet, darunter 64 Kinder und 60 Sicherheitskräfte. Die offiziellen Angaben diesbezüglich sind widersprüchlich. Der Sicherheitsrat spricht von 200, ein Kommandeur der Revolutionsgarden von 300 Toten.

$Ausserdem wurden in den vergangenen mehr als zwei Monaten Tausende verhaftet, unter ihnen Studenten, Journalisten, Sportler sowie Künstler. Einige Demonstranten wurden von Revolutionsgerichten auch bereits zum Tode verurteilt. Ab Montag sind landesweit weitere Proteste – und laut Oppositionskreisen auch Streiks – geplant.

dpa/phi