Abstimmungsvorlage Geht es dem Wolf an den Kragen? Das neue Jagdgesetz auf einen Blick

Von Gil Bieler

14.8.2020

Der Wolf bringt Probleme für die Landwirte mit sich: 300 bis 500 Ziegen und Schafe reissen die Tiere jedes Jahr in der Schweiz.
Der Wolf bringt Probleme für die Landwirte mit sich: 300 bis 500 Ziegen und Schafe reissen die Tiere jedes Jahr in der Schweiz.
Bild: Keystone

Soll der Schutz des Wolfes in der Schweiz gelockert werden? Ja, finden Bundesrat und Parlament – Nein, sagen Umweltschützer. Das letzte Wort hat das Volk bei der Abstimmung über das revidierte Jagdgesetz.

Wieso wird das Jagdgesetz überhaupt angepasst?

Der Bundesrat begründet die Revision des Gesetzes mit der Rückkehr des Wolfes: Das geltende Gesetz stamme aus dem Jahr 1985, als der Wolf hierzulande ausgerottet war. Doch seit 1995 erstmals wieder ein Wolf Fuss in die Schweiz setzte, steigt die Zahl der Tiere beständig an: Aktuell geht man beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) von rund 100 Wölfen im Land aus, wie es auf Anfrage heisst. Die meisten Rudel gibt es in Graubünden.

Doch der Wolf bringt auch Probleme für die Landwirte mit sich: 300 bis 500 Ziegen und Schafe reissen die Tiere jedes Jahr. Die Kantone bräuchten deshalb ein Instrument, «um vorausschauend und massvoll in die Bestände eingreifen zu können», argumentiert der Bundesrat. Nur so sei ein Nebeneinander von Mensch und Wolf möglich.

Warum stimmen wir darüber ab?

Das Parlament hat das revidierte Jagdgesetz im vergangenen Herbst verabschiedet. Weil aber Tier- und Umweltschützer dagegen erfolgreich das Referendum ergriffen haben, kommt die Vorlage nun am 27. September vor das Stimmvolk.

Wann dürfen Wölfe geschossen werden?

Der Wolf zählt zu den geschützten Arten und darf nicht gejagt werden. Das bleibt auch weiterhin so. Trotzdem wurde sein Schutz aufgeweicht – und die Entscheidung über einen Abschuss liegt neu bei den Kantonen, nicht mehr beim Bund. Sie müssen Bern jedoch vorab informieren und einen geplanten Abschuss begründen.

Die Kantone können Wölfe aus Rudeln neu erlegen, bevor diese überhaupt Schaden angerichtet haben. Dafür gelten jedoch mehrere Voraussetzungen. So dürfen die Kantone nicht in ein Rudel eingreifen, das sich fernab von Siedlungen oder Herden aufhält. Ausserdem müssen sie die Verhältnismässigkeit wahren. Die Rudel sollen bestehen bleiben.

Auch die Hürden für den Abschuss von Einzelwölfen werden gesenkt: Neu können Kantone solche Tiere schon dann zum Abschuss freigeben, «wenn diese auffällig werden, zum Beispiel, wenn sie in Schafställe eindringen oder ohne Scheu durch Dörfer streifen».

Das revidierte Gesetz nimmt aber auch Bäuerinnen und Bauern beim Herdenschutz in die Pflicht. Neu erhalten sie für gerissene Schafe und Ziegen nur noch eine Entschädigung, wenn die Tiere durch Hunde oder Zäune geschützt waren.

Geht es nur um den Wolf?

Nein. Auch die Kolonien von Steinböcken dürfen reguliert werden. Und theoretisch könnte der Bundesrat noch weitere geschützte Arten als regulierbar bezeichnen, wenn beispielsweise deren Bestände stark zunehmen sollten. Für Luchs, Biber, Graureiher und Gänsesäger hat das Parlament dies jedoch in der Debatte bereits ausdrücklich abgelehnt.

Ausserdem werden mit dem revidierten Jagdgesetz zwölf von 15 Wildentenarten neu unter Schutz gestellt und die Schonzeit der Waldschnepfe wird ausgedehnt.

Auch Steinböcke dürfen geschossen werden, um die Bestände zu regulieren.
Auch Steinböcke dürfen geschossen werden, um die Bestände zu regulieren.
Bild: Keystone

Was sagen die Befürworter?

Die Kantone erhielten ein sinnvolles Instrument, um die Zunahme des Wolfsbestands zu bremsen, argumentiert der Bund. Heute könnten sie erst dann in den Bestand eines Rudels eingreifen, wenn es bereits zu grossen Schäden gekommen sei. Mit Abschüssen werde sichergestellt, dass die Grossraubtiere ihre Scheu vor dem Menschen bewahren, was die Akzeptanz in der Bevölkerung und damit den Schutz des Wolfes stärke. 

Auch der Schweizer Bauernverband und der Jägerverband werben für ein Ja zum revidierten Jagdgesetz. Peter Marugg, Vorstandsmitglied des Bündner Bauernverbands, sagte im Juni zu «Bluewin»: Viele Landwirte seien mit ihrer Geduld am Ende, er selbst sehe die Möglichkeiten des Herdenschutzes als ausgeschöpft an. «Wenn man nicht handelt, dann wird es immer mehr Rudel geben, und dann artet die Situation aus.»

Von den grossen Parteien haben CVP und SVP bereits die Ja-Parole beschlossen. Der Vorstand der BDP empfiehlt ebenfalls ein Ja zum revidierten Jagdgesetz.

Was sagen die Gegner?

«Das neue Jagdgesetz schiesst weit über das Ziel hinaus», sagte Sara Wehrli, Verantwortliche für Jagdpolitik bei Pro Natura, im Juni zu «Bluewin». Umwelt- und Tierschutzorganisationen stören sich vor allem daran, dass geschützte Tiere «auf Vorrat» geschossen werden könnten – also bevor sie überhaupt Schäden verursacht hätten.

Kritisiert wird ferner, dass künftig die Kantone in Eigenregie über einen Abschuss entscheiden können, weswegen ein Flickenteppich drohe. Und da sich Wildtiere nicht an Kantonsgrenzen hielten, wäre «ein sinnvoller Schutz gar nicht mehr möglich», wie Urs Leugger-Eggimann von Pro Natura zu «Bluewin» sagte.

Nicht zuletzt stören sich die Gegner des Jagdgesetzes daran, dass der Bundesrat auch weitere geschützte Arten zur Regulierung freigeben kann. «Dies ohne Parlamentsbeschluss oder Volksabstimmung.»

Grüne, Grünliberale, SP und EVP sagen Nein zum Jagdgesetz. Noch keine Parole gefasst hat die FDP.

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