Blick in die Vergangenheit Woher kommt eigentlich das Rentenalter 65?

gbi

2.3.2024

Die Jungfreisinnigen und ihre Unterstützer*innen beim Einreichen der gesammelten Unterschriften für ihre Renteninitiative im Juli 2021 in Bern. (Archivbild)
Die Jungfreisinnigen und ihre Unterstützer*innen beim Einreichen der gesammelten Unterschriften für ihre Renteninitiative im Juli 2021 in Bern. (Archivbild)
Keystone

Seit der Einführung der AHV-Renten anno 1948 gilt das Rentenalter 65 schon für Männer, seit diesem Jahr auch für Frauen. Wie wurde diese Altersgrenze überhaupt gezogen? 

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Bereits bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 wurde das Pensionsalter für Männer und Frauen bei 65 Jahren gezogen. 
  • Das Rentenalter der Frauen wurde seither mehrfach angepasst, seit diesem Jahr gelten aber auch für sie wieder 65 Jahre als Schwelle.
  • Bei der Frage, wie das Rentenalter definiert werden solle, liess sich die Schweiz vom Ausland inspirieren. Und der Frage: Bis wann kann ein Mensch sinnvoll einer Arbeit nachgehen?
  • Am Sonntag befindet das Stimmvolk über eine Erhöhung des Rentenalters. Dies fordert die Renteninitiative der Jungfreisinnigen.

Im Januar 1948 bricht in der Schweiz ein neues Zeitalter an: Erstmals überhaupt bekommen betagte Schweizerinnen und Schweizer eine AHV-Rente ausbezahlt, oftmals vom Pöstler überbracht.

Mit 40 bis maximal 120 Franken ist die Monatsrente noch bescheiden. Ab 1950 werden die Beiträge nach und nach erhöht.

Was in all der Zeit seither gleichgeblieben ist – zumindest für Männer – ist das Rentenalter. Schon 1948 war dieses bei 65 Jahren angesetzt, und das gilt noch heute.

Auch Frauen erhielten zunächst erst ab 65 Jahren eine AHV-Rente. Wobei: Die Ehepaarrente wurde auch ausbezahlt, wenn nur der Mann 65 Jahre alt war, die Frau aber erst 60 Jahre (oder älter). Nachdem das Frauen-Rentenalter zwischenzeitlich auf 63 Jahre und danach auf 62 Jahre gesenkt worden war, wurde es 2005 auf 64 Jahre angehoben. Und 2023 stimmte das Volk hauchdünn einer Erhöhung auf 65 Jahre zu.

Seit 2024 gilt nun das Rentenalter 65 für Männer wie für Frauen. Doch woher kommt diese Altersschwelle eigentlich?

Am Ausland orientiert

Rentenalter 65 sei keine Schweizer Erfindung gewesen, sagte Christian Koller, Direktor des Schweizerischen Sozialarchivs, kürzlich zur SRF-Radiosendung «Echo der Zeit». Vielmehr habe man sich am Ausland orientiert: In Deutschland, wo bereits Ende der 1880er-Jahre eine Rentenversicherung eingeführt worden sei, sei das Pensionsalter von zunächst 70 auf 65 Jahre gesenkt worden. Auch in Grossbritannien sei die gleiche Entwicklung vollzogen worden.

Der Gedanke, nach einem harten Arbeitsleben den Ruhestand geniessen zu können, sei aber nicht im Vordergrund gestanden. Sondern die Frage: «Was ist ein Stück weit auch zumutbar? Wie lange können Menschen arbeiten?», erklärte Koller. Die Schlussfolgerung: Bis etwa 65 Jahre könnten Herr und Frau Schweizer durchaus arbeiten.

Jungfreisinnige werben für «faire» Rentenaltererhöhung

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Laut den Jungfreisinnigen steht die AHV vor dem Abgrund. Gegensteuer geben soll die Renteninitiative, die das Rentenalter zunächst auf 66 Jahre erhöhen und danach an die Lebenserwartung koppeln soll. Die Lösung sei «fair für alle Generationen».

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Eine Erhöhung des Rentenalters sei in den ersten Jahrzehnten nach der Einführung nie zur Debatte gestanden, sagte Martin Lengwiler, Geschichtsprofessor an der Universität Basel, zu SRF. Vielmehr sei über die Höhe der Renten diskutiert worden. «Wenn, dann ging es darum, das Rentenalter herabzusetzen. Und bei den Frauen hat man das ja auch gemacht.»

Jungfreisinnige rütteln am Tabu

Geht es nach den Jungfreisinnigen, soll das Rentenalter aber wiederum angepasst werden – nach oben. Das fordert die FDP-Jungpartei mit ihrer Renten-Initiative, die am 3. März an die Urne kommt.

Ihre Begründung: Die Menschen leben immer länger und beziehen damit länger eine AHV-Rente. Die Finanzierung drohe ohne Reform in eine Schieflage zu rutschen. «1948 hatten wir 6,5 Menschen, die eine AHV-Rente finanzierten. Im Jahr 2050 werden es nur noch 2,2 Menschen sein. Das bringt die AHV in eine massive Schieflage», erklärt Jungfreisinnigen-Präsident Matthias Müller im Streitgespräch von blue News.

Der Vorschlag der Jungfreisinnigen: Das AHV-Alter soll zunächst für alle auf 66 Jahre angehoben und danach an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Unterstützung erhält die Jungpartei von der FDP und der SVP.

Die Gegner der Initiative – Grüne, SP, Grünliberale und Mitte-Partei – sagen dagegen, eine Erhöhung des AHV-Alters komme einer Rentenkürzung gleich. Ausserdem warnen sie vor einer Ungerechtigkeit: Wer es sich leisten könne, gehe schon vor 66 in den Ruhestand. Menschen mit schlechter finanzieller Situation dagegen hätten diese Möglichkeit nicht.

«Für mich ist relevant, dass alle eine würdige Rente im Alter haben. Zudem stimme ich nicht mit der Aussage überein, dass wir länger gesund leben», sagt Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber im blue News-Streitgespräch. «Einige gesunde Jahre im Rentenalter mag ich allen gönnen.»

Initiative hat einen schweren Stand

Diese Debatte sei immer wieder aufgekommen, sagte Christian Koller zum «Echo der Zeit». «Quasi: Je länger die Leute leben, und aber immer noch zum gleichen Zeitpunkt in Rente gehen, desto mehr kostet das», so der Direktor des Sozialarchivs. Eine generelle Anhebung des Rentenalters habe aber noch nie jemand mit einer Initiative gefordert worden – weil dafür nur schwer eine Mehrheit an der Urne zu gewinnen sei.

Die Wahlumfragen bestätigen diese Befürchtung: Die Befragungen von Tamedia, SRF und auch von blue News weisen allesamt einen deutlichen Nein-Trend für die Renteninitiative aus. In einer nicht repräsentativen Umfrage unter der Leserschaft von blue News etwa sprachen sich nur 37,1 Prozent der Teilnehmenden für die Vorlage aus, 62,2 Prozent lehnen das Anliegen ab.

Renteninitiative: Das sind die Argumente der Gegner

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Am 3. März stimmt die Schweiz über die Renteninitiative ab, die zuerst das Rentenalter 66 und danach ein an die Lebenserwartung gekoppeltes Rentenalter verlangt. Das Nein-Komitee kritisiert, die Initiative sei unsozial, technokratisch und undemokratisch. Soziale Ungleichheiten würden mit der Initiative vergrössert.

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