Zulassung von Pestiziden SVP will EU-Recht direkt übernehmen und Umweltschützer entmachten

smi

2.2.2023

Das Mitspracherecht von Umweltverbänden ausbauen oder abschaffen? Die Wirtschaftskommission des Nationalrats ist anderer Meinung als der Bundesrat.
Das Mitspracherecht von Umweltverbänden ausbauen oder abschaffen? Die Wirtschaftskommission des Nationalrats ist anderer Meinung als der Bundesrat.
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Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats fordert, dass Umweltverbände bei Pestizid-Zulassungen keine Mitsprache mehr haben sollen. Der Bundesrat will Organisationen hingegen stärker einbeziehen.

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Chemie-Unternehmen sollen in der Schweiz einfacher neue Pestizide auf den Markt bringen dürfen. Dies, indem Umweltverbände kein Mitspracherecht bei Neu-Zulassungen haben. So verlangt es die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N), gemäss «Blick».

Damit stellt sich die Kommission gegen den Bundesrat, der das Gegenteil will, nämlich die Umweltverbände stärker in das Zulassungsverfahren einbeziehen. Bisher können diese Organisationen Bewilligungsunterlagen einsehen und haben ein Mitspracherecht. Der Bundesrat will dieses auf Neuzulassungen ausdehnen. Die WAK-N verlangt nun, dass dieser Artikel nicht in das Landwirtschaftsgesetz aufgenommen werde. 

Ihre Argumentation: Die Zulassung für Pflanzenschutzmittel in der Schweiz sei zu kompliziert, dauere zu lang und halte Unternehmen davon ab, neue Mittel in der Schweiz einzuführen. Den Landwirtschaftsbetrieben fehlten deshalb moderne Mittel, um Schädlinge zu bekämpfen.

Personalnot verlängert die Verfahren, nicht die Verbände

Nationalrätin Kathrin Bertschy (GLP-BE) widerspricht, die Verfahren dauerten so lang, weil die Bundesverwaltung zu wenig Ressourcen habe. Diesen Notstand habe die Verwaltung 2022 bereits Nationalrat Peter Hegglin (Mitte-ZG) bekannt gegeben. Inzwischen habe die zuständige Stelle zusätzliche Mitarbeitende eingestellt.

Der WWF, der 2018 vor Bundesgericht das Mitspracherecht erstritten hatte, teilt nun im «Blick» mit, seit 2018 hätten Umweltverbände nur in zwei Fällen Einsprache erhoben – bei über 700 hängigen Zulassungsverfahren. Zudem sei ein grosser Teil der Dossiers schon länger hängig, als die Organisationen intervenieren können.

Bauernverbandspräsident Markus Ritter entgegnet, es sei nicht die Absicht, die Umweltverbände aus dem Spiel zu nehmen. Die Zulassungsverfahren seien Wahnsinn, so der Ostschweizer. Grosse Player hätten kaum ein Interesse, den Aufwand auf sich zu nehmen und den Bauern fehlten wirksame Mittel gegen Schädlinge oder Pilzbefall.

Die SVP will Pestizide ohne Verfahren zulassen

Zur Debatte steht auch, ob die Schweiz in Zukunft Pestizide ohne Verfahren zulassen soll, die die EU bereits bewilligt hat. In diesem Fall ist sogar die SVP für die automatische Übernahme von EU-Recht, was sie sonst vehement bekämpft.

Der Zürcher SVP-Nationalrat und Landwirt Martin Haab führt auf Anfrage von blue News aus: «Die EU bewilligt neue Pestizide schneller und unkomplizierter. Da sind die Schweizer Bauern gewaltig im Nachteil.» Lebensmittel würden auch aus der EU eingeführt, selbst wenn sie mit Mitteln gespritzt worden sind, die nur in der EU, nicht aber in der Schweiz zugelassen sind, fügt Haab an.

Das Mitspracherecht der Umweltverbände ist Teil der Revision des Landwirtschaftsgesetzes. Über diese entscheidet der Nationalrat laut dem «Blick» in der Frühlingssession. Stimmt er im Sinne der Wirtschaftskommission, muss er sich danach mit dem Ständerat einig werden. Dieser hat bereits 2022 dem Vorschlag des Bundesrats zugestimmt, die Verbände auch bei Neuzulassungen mitreden zu lassen.