Frauen in der Forschung – Teil 2/2 «Will mich nicht nur auf eine Frauenquote verlassen müssen»

Vanessa Büchel

21.7.2024

Randkoordinatorin der internationalen ATLAS-Kollaboration am CERN: Dr. Catrin Bernius. 
Randkoordinatorin der internationalen ATLAS-Kollaboration am CERN: Dr. Catrin Bernius. 
zVg

Dr. Catrin Bernius koordiniert aktuell das ATLAS-Experiment am CERN. Die Teilchenphysikerin spricht über das Phänomen Mansplaining. Sich in der Wissenschaft nur auf die Frauenquote zu verlassen, findet sie falsch.

Vanessa Büchel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach wie vor gibt es deutlich weniger Frauen als Männer in der Wissenschaft.
  • Dr. Catrin Bernius ist Teilchenphysikerin und Teil der ATLAS-Kollaboration am CERN.
  • In ihrem Team sei die Geschlechterverteilung nicht 50 zu 50.
  • Sie selbst hat sich nie benachteiligt im Arbeitsalltag gefühlt, doch weiss, dass dies bei ihren Kolleginnen schon vorkam. 

Es ist noch ein weiter Weg, bis gleich viel Frauen wie Männer in der Wissenschaft arbeiten werden. «Ich glaube, das dauert noch ein paar Jahre, aber es wird sehr viel gemacht», ist Dr. Catrin Bernius überzeugt. Die Teilchenphysikerin koordiniert die ATLAS-Kollaboration am CERN. 

In ihrem Team seien es deutlich weniger als 50 zu 50, wenn sie über den Geschlechteranteil nachdenke. «Es gibt immer noch in allen Bereichen einen wesentlich höheren Anteil an männlichen Kollegen, vor allem in den Leitungspositionen.» 

Bernius glaubt, dass sich dies unter anderem auf die hierarchischen Strukturen zurückzuführen lasse. Die Geschlechterstereotypen seien historisch verankert und die Vereinbarung von Beruf und Familie mache es für Frauen schwer.

Für die 41-jährige Deutsche sei es immer um harte Arbeit gegangen. Aber: «Ich würde nicht behaupten, dass ich härter arbeiten musste als ein Mann, um dorthin zu kommen, wo ich bin. Doch es hilft, wenn man weiss, wovon man spricht und was man macht.»

Sich nur darauf zu verlassen, dass eine Frauenquote existiere und man deswegen einen Job kriegt oder bevorzugt wird, sei in den Augen der Teilchenphysikerin nicht das richtige. «Für mich wäre es ganz schlimm, wenn ich rausfinden würde, dass ich eine Stelle nur angeboten bekommen habe, weil ich eine Frau bin», stellt Bernius im Gespräch mit blue News klar.

Catrin Bernius wollte schon immer Wissenschaftlerin werden

Mädchen oder jungen Frauen, die davon träumen, Wissenschaftlerinnen zu werden, würde Bernius raten: «Man soll und muss sich trauen, vor allem aber auch an sich selbst glauben. Und nicht zu vergessen: hart an seinen Träumen zu arbeiten.»

Dr. Catrin Bernius mit Kollegin Dr. Silvia Franchino im LHC-Tunnel am CERN. 
Dr. Catrin Bernius mit Kollegin Dr. Silvia Franchino im LHC-Tunnel am CERN. 
zVg

Für Bernius selbst war schon von klein auf klar, wohin sie ihr Weg führen würde. Sie interessierte sich bereits in der Schule für Mathe und Physik. Das sei ihr am leichtesten gefallen.

Der einschneidende Moment kam für sie, als ein Freund ihrer Mutter sie mit ans CERN nahm: «Als ich etwa 14 Jahre alt war, zeigte er uns das Experiment, an dem er gerade arbeitete. Es war der ‹Large Electron-Positron Collider›, kurz LEP. Ich war von Anhieb fasziniert!» 

Von da an führte eines zum anderen – Bernius beendete die Schule, studierte Physik, schrieb ihre Doktorarbeit und arbeitete schon währenddessen am CERN, wo sie bis heute ist.

Zusammenarbeit von Personen aus der ganzen Welt

Ein Teil vom ATLAS-Experiment zu sein, macht die Teilchenphysikerin besonders stolz. «Ich finde meinen Alltag unheimlich erfüllend und belohnend, aber auch herausfordernd», meint Bernius. 

Die Kollaboration sei sehr divers, was ihr besonders gut gefalle: «Das Zusammenarbeiten mit Institutionen, Laboren und Personen aus der ganzen Welt hat etwas Wunderbares. Dass es uns gelingt, kulturelle oder sprachliche Hürden zu überwinden, am Ende des Tages miteinander auszukommen und auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten – das ist die beste Sache am Experiment.» 

Bei der Vielzahl an Mitarbeitenden der verschiedenen Kollaborationen ist sich Bernius sicher: «Es gibt sicher Frauen, die sich im Arbeitsalltag am CERN schon einmal benachteiligt gefühlt haben.» Sie wolle das nicht einfach so unter den Teppich kehren, habe aber selbst nie solche Erfahrungen gehabt. 

Sie spricht das Phänomen Mansplaining an. Bei der Diversität ihres Teams sei es jedoch schwierig zu sagen, ob ein Mann etwas aufgrund von sprachlichen Differenzen nicht ganz verstanden habe und es versuche, in eigene Worte zu fassen, oder ob er Bernius mit der Wiederholung ihrer Worte belehren wolle. 

Leute reagieren überrascht, wenn Bernius ihren Job erwähnt 

Wenn Bernius den Leuten erzählt, dass sie am CERN arbeitet, fallen die Reaktion immer gleich aus: überrascht! «Bin mir aber nie sicher, ob sie dann erstaunt sind, weil ich am CERN arbeite, oder sich über den Fakt wundern, dass ich eine Frau und Physikerin bin», so die 41-Jährige. 

Was auch schon ein- oder zweimal vorkam und bei dessen Erinnerung Bernius amüsiert lachen muss: «Wenn ich sage, dass ich am CERN tätig bin und dann automatisch angenommen wird, dass ich dort als Sekretärin arbeite.»


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