Gotthard-Maut «Verkehr sucht wie Wasser den Weg des geringsten Widerstands»

Von Andreas Fischer

8.6.2023

Der Pfingst-Stau am Gotthard-Nordportal zwischen 6 und 14 Uhr im Zeitraffer

Der Pfingst-Stau am Gotthard-Nordportal zwischen 6 und 14 Uhr im Zeitraffer

26.05.2023

Ob eine Maut wirklich hilft, das Stauproblem am Gotthard zu lösen, weiss man in der Bündner Regierung nicht. Was der Kanton unbedingt vermeiden will, ist eine Überlastung der San-Bernadino-Achse, weil sie lukrativer wird.

Von Andreas Fischer

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  • Die Forderung nach einer Gotthard-Maut bereitet dem Kanton Graubünden Sorgen.
  • Befürchtet wird ein erhöhtes Verkehrsaufkommen auf den Ausweichrouten durch Siedlungsgebiete.
  • Grundsätzlich sei verändertes Mobilitätsverhalten nötig, um das Stauproblem in den Griff zu bekommen, nimmt der Kanton die Verkehrsteilnehmer in die Pflicht.

«Man muss sich bewusst sein, dass sich Verkehr ähnlich wie Wasser verhält: Er sucht sich immer den Weg des geringsten Widerstands», warnt Regierungsrätin Carmelia Maissen im Zuge der Diskussion um die jüngst geforderte Gotthard-Maut. Für die Vorsteherin des Departements für Infrastruktur, Energie und Verkehr des Kantons Graubünden «sind in jeder Situation flankierende Massnahmen notwendig, um allfälligen negativen Nebeneffekten entgegenwirken zu können».

Drei Politiker von FDP, Mitte und GLP fordern in einer Motion, eine Maut für die «im Nord-Süd-Transit relevanten Alpenübergänge (im Nationalstrassennetz)». Im Mittelpunkt der Debatte steht dabei der Gotthard-Tunnel, vor dem sich an Feiertagen regelmässig kilometerlange Staus bilden, was wiederum zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen auf den Ausweichrouten durch die Gemeinden führt.

Graubünden will Ausweichverkehr unbedingt vermeiden

Der Kanton Graubünden wäre von der Maut direkt betroffen. «Das sehr grosse Verkehrsaufkommen gerade an neuralgischen Tagen wie Ostern, Auffahrt, Pfingsten, Ferienbeginn führt schon länger zu Ausweichverkehr von der National- auf das Kantonsstrassennetz und belastet somit die Siedlungsräume», führt Maissen aus. Seit Jahren würden deshalb von der betroffenen Bevölkerung «Massnahmen zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität, aber auch zur Sicherstellung der Zufahrten für Blaulichtorganisationen in die Siedlungsräume gefordert».

Könnte die Maut aus Sicht des Kantons dabei helfen, das Problem in den Griff zu bekommen? Das liesse sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen, räumt Carmelia Maissen ein. «Dazu fehlen uns noch die notwendigen Daten, und es sind weitere Abklärungen notwendig.» Allerdings: Jede mögliche Variante oder Massnahme, die zu einer Vermeidung dieses Ausweichverkehrs führen könnte, finden die Bündner grundsätzlich prüfenswert.

San-Bernardino-Achse soll nicht plötzlich lukrativer werden

Eine klare Absage erteilt der Kanton jeglicher Ungleichbehandlung der Transitstrecken. «Was sicher nicht eintreffen darf, ist, dass die Einführung einer Maut nur für den Gotthard dazu führt, dass die San-Bernardino-Achse attraktiver und lukrativer wird», fordert Carmelia Maissen. Sollte dieses Szenario dennoch eintreffen, «müssten auf der San-Bernardino-Achse gleiche oder flankierende Massnahmen getroffen werden.»

Grundsätzlich sei, so die Regierungsrätin, ein verändertes Mobilitätsverhalten nötig, um das Stauproblem am Nord-Süd-Transit zu lösen. «Das heisst: Einsicht der Verkehrsteilnehmenden, dass sie entweder zu Zeiten mit weniger Verkehr reisen oder das Problem der vom Ausweichverkehr betroffenen Bevölkerung akzeptieren und auf der Nationalstrasse verbleiben.» Auch wenn das bedeutet, nicht wie Wasser den Weg des geringsten Widerstands zu suchen.

Transparenz: In einer früheren Version des Artikels haben wir die Zitate des Kantons Graubünden der Mediensprecherin Denise Erni zugeordnet. Sie stammen hingegen von Regierungsrätin Carmelia Maissen. Wir haben den Text entsprechend angepasst und bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Bei der Gotthard-Maut darf es keine Alleingänge geben, fordert der Kanton Graubünden: Die San-Bernadino-Achse soll auf keinen Fall überbelastet werden.
Bei der Gotthard-Maut darf es keine Alleingänge geben, fordert der Kanton Graubünden: Die San-Bernadino-Achse soll auf keinen Fall überbelastet werden.
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