Erhöhung um 9 Prozent So könnte Berset den Prämien-Hammer der Krankenkassen verhindern

tgab

5.9.2023

Bundesrat Alain Berset im Herbst 2022 als er die Erhöhung der Krankenkassenprämien für das Jahr 2023 bekannt gab. (Archiv)
Bundesrat Alain Berset im Herbst 2022 als er die Erhöhung der Krankenkassenprämien für das Jahr 2023 bekannt gab. (Archiv)
Bild: Keystone/Peter Schneider

Die Krankenkassen haben wegen steigender Gesundheitskosten beim BAG eine Erhöhung der Prämien um acht bis neun Prozent beantragt. Doch Alain Berset könnte den Versicherern einen Strich durch die Rechnung machen.

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  • Im Jahr 2023 sind die Gesundheitskosten erneut um sechs bis sieben Prozent gestiegen.
  • Die Krankenkassen haben deshalb beim Bund eine Prämienerhöhung von acht bis neun Prozent für 2024 beantragt.
  • Die derzeitigen Prämien reichen nicht aus, um die Ausgaben zu decken. Die Reserven sind aufgebraucht.
  • Doch das von Alain Berset geführte BAG macht Druck, die Prämien weniger stark ansteigen zu lassen.

Auf Krankenversicherte in der Schweiz könnte eine kräftige Prämienerhöhung zukommen. Der Kassenverband Santésuisse hat für 2024 eine Erhöhung um acht bis neun Prozent beantragt. Dies sei notwendig, um die Kosten zu decken, sagte Santésuisse-Direktorin Verena Nold dem «SRF». Die Krankenkassen hätten bereits auf ihre Reserven zurückgreifen müssen, denn schon 2022 und 2023 deckten die Prämien die Kosten der Grundversicherung nicht.

Da dieses Jahr die Ausgaben erneut um sechs bis sieben Prozent gestiegen seien, sei eine Erhöhung der Prämien unumgänglich. Die Reserven seien aufgebraucht, sagte Nold. In einer Analyse hat der Verband für das erste Halbjahr 2023 steigende Preise in allen Bereichen bis auf die Labors ausgemacht – um 6,4 Prozent pro Kopf oder insgesamt 1,44 Milliarden Franken.

Personalmangel und mehr ältere Menschen

Mit einem Kostensprung von rund 9 Prozent fällt die Steigerung demnach bei den Rehabilitationskliniken besonders deutlich aus. Ein Grund könnte sein, dass Spitäler ihre Patienten schneller in die Reha schicken. «Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die Spitäler wegen des Personalmangels ganze Bettenstationen schliessen müssen», vermutet Nold gegenüber der «NZZ». Im stationären Bereich betragen die Mehrkosten immer noch 7 Prozent, was mit den höheren Energiepreisen zu tun haben könnte.

Bei den Ausgaben für Medikamente scheint sich der demografische Wandel hin zu immer mehr älteren Menschen bemerkbar zu machen. Deshalb stiegen beispielsweise die Ausgaben für Medikamente gegen Augenkrankheiten oder Krebsmedikamente, schreibt die NZZ. Die Kosten für Immunsuppressiva haben sich demnach seit 2013 gar mehr als verdoppelt. Ausgaben für Medikamente von aktuell neun Milliarden Franken im Jahr bedeuten für die Grundversicherung ein Plus von 5 Prozent. 

Da mutet es fast erstaunlich an, dass die Kosten in den Pflegeheimen fast stabil geblieben sind. Allerdings steigen sie in der Spitex stark an. Grund dafür ist eine neue Regelung: Angehörige, die ein Elternteil oder den Ehepartner pflegen, können sich dafür von einer Spitex-Organisation anstellen und bezahlen lassen. «Das hat sich für manche Anbieter zu einem veritablen Geschäftsmodell entwickelt», sagt Noll.

Plus 60 Prozent für Psychotherapie

Um allen psychisch kranken Menschen in der Schweiz eine lückenlose Behandlung zu gewährleisten, wurde im Juli 2022 eine Regelung eingeführt, wonach Psychotherapeuten mit psychologischer Grundausbildung selbstständig eine Praxis führen dürfen. Vorher mussten sie sich bei einem Psychiater anstellen lassen. Laut Nold gibt es nun zusätzlich zu den 3000 frei praktizierenden Psychiatern, rund 6000 Psychologen, die über die Grundversicherung abrechnen. Viel mehr als ursprünglich angenommen. Allein im Juni 2023 haben sie laut «NZZ» 70 Millionen Franken abgerechnet – hochgerechnet auf das Jahr wären das 840 Millionen, also 320 Millionen mehr als vor der Reform.

Die Kosten für das Gesundheitssystem steigen also nicht grundlos. Die von den Kassen geforderte Prämienerhöhung muss vom Bundesamt für Gesundheit unter Alain Berset jedoch noch genehmigt werden. Und der will sich anscheinend nicht mit einem besonders schmerzhaften Anstieg der Prämien aus dem Bundesrat verabschieden.

Das BAG mache Druck, die Prämien weniger stark ansteigen zu lassen, so die Direktorin des Krankenkassenverbands: «Das Bundesamt hat uns aufgefordert, knapper zu rechnen.» Das würde laut Nold aber nur zu einem noch stärkeren Anstieg der Prämien in den Folgejahren führen.

Langfristig sieht Nold die Lösung in einer Senkung der Gesundheitskosten. Man müsse bei der Ursache ansetzen, sagte sie. So seien etwa Generika in der Schweiz oftmals doppelt so teuer wie im Ausland. Zudem plädierte die Santésuisse-Direktorin in der Samstagsrundschau des «SRF» dafür, das Hausarztmodell oder andere Sparmodelle der Krankenkassen zum Standardmodell zu machen. Die freie Arztwahl als Modell müssten Versicherte dann ausdrücklich dazukaufen.

Die definitive Höhe der Krankenkassenprämien 2024 gibt das Bundesamt für Gesundheit jedes Jahr im September bekannt.