Nationalrat versenkt vollen Teuerungsausgleich auf AHV-Renten
Der Nationalrat hat es am Mittwochmorgen abgelehnt, auf eine Umsetzungsvorlage zum vollen Teuerungsausgleich auf AHV-Renten einzutreten. In der Herbstsession hatte er einer Motion mit demselben Anliegen noch zugestimmt.
01.03.2023
Der Nationalrat ist dagegen, dass AHV- und IV-Rentner*innen den vollen Teuerungsausgleich erhalten. Die Leserschaft von blue News hat dafür kaum Verständnis.
«Ich kann nur noch den Kopf schütteln», «Die in Bundesbern schauen nicht zu den Kleinverdienern und Rentnern» oder «Die Wahlen stehen an. Ich weiss, welche Parteien ich nicht wählen werde»: So kommentieren Leser*innen von blue News den Nationalratsentscheid von Mittwochvormittag.
Mit knappen 97 zu 92 Stimmen erteilte die grosse Parlamentskammer dem Vorschlag des Bundesrates, wonach AHV- und IV-Renten vollumfänglich der Teuerung angepasst werden sollen, eine Abfuhr – und trat gar nicht erst darauf ein.
Bereits im Januar hatte der Bundesrat die Renten um 2,5 Prozent angehoben und beantragte nun eine weitere Erhöhung um 0,3 Prozentpunkte, um die Renten vollends an die Teuerung anzupassen.
Konkret hätte ein Ja zur Vorlage einen zusätzlichen Betrag von monatlich fünf Franken für die Minimalrente und zwölf Franken für die Maximalrente bedeutet.
Sie sei masslos enttäuscht, sagt die Zürcher Nationalrätin der Grünen, Katharina Prelicz-Huber. «Damit die Rente nicht entwertet wird, muss man den ganzen Teuerungsausgleich zahlen – das wäre das Mindeste gewesen», sagt sie.
«Mit anderen pragmatischen Anpassungen können wir direkt helfen – und zwar mit mehr als sieben Franken.»
Melanie Mettler
Nationalrätin GLP/BE
Anders sieht dies Nationalrätin Melanie Mettler (GLP/BE): «Massnahmen, um die Ärmsten zu unterstützen, sind sinnvoll, aber nicht solche, die auch den Reichen zugutekommen», sagt sie zu blue News. «Sieben Franken sind zwar relevant, aber in 80 Prozent der Fälle kommen sie bei Menschen an, für die sie irrelevant sind.»
So lautete dann auch der Tenor in der Ratsdebatte. Regine Sauter (FDP/ZH) nannte den Vorschlag gar ein Wahlkampfmanöver.
Dass der Nationalrat nicht auf die Vorlage eingetreten ist, verstand Pierre Yves Maillard (SP/VD) nicht. Er wollte von Mettler wissen, warum man den Vorschlag nicht diskutiert und ihm den Feinschliff verleiht. Auf dieser Grundlage sei dies schwierig, sagt Mettler zu blue News und verweist darauf, dass man derzeit an einer anderen Vorlage sei, bei der die betroffenen Haushalte gezielter unterstützt werden können.
«Kann ich mir einen Kaffee leisten – ja oder nein? Es ist schön, wenn man sich solche Gedanken nie machen muss, aber es gibt viele, die das müssen.»
Katharina Prelicz-Huber
Nationalrätin Grüne/ZH
Das Argument der Gegner*innen, dass der Unterschied mit nur sieben Franken bei der Minimalrente vernachlässigbar gewesen wäre, lässt Prelicz-Huber nicht gelten. «Das ist ziemlich arrogant», sagt sie zu blue News. Bei tiefen Renten gehe es um die Frage: «Kann ich mir einen Kaffee leisten – ja oder nein? Es ist schön, wenn man sich solche Gedanken nie machen muss, aber es gibt viele, die das müssen.»
Was sagt Mettler den Rentner*innen, bei denen es wirklich auf sieben Franken ankommen würde? «Mit anderen pragmatischen Anpassungen können wir direkt helfen – und zwar mit mehr als sieben Franken.»
Die Vorlage kommt bereits morgen Donnerstag in den Ständerat, wo SP, Grüne und Mitte über eine Mehrheit verfügen und die Chancen daher intakt sind, dass auf die Vorlage eingetreten wird.
Lehnen jedoch beide Räte den Vorschlag ab oder wird er von einem Rat zweimal abgelehnt, ist die Vorlage gescheitert.
Deine Meinung interessiert uns
Hätte der Nationalrat für den vollen Teuerungsausgleich sein sollen? Schreib einen Kommentar zum Thema.