TabakkonzernWerbeverträge mit Philip Morris – viel Kritik am Aussendepartement
dor
22.7.2019
Ausgerechnet der Zigarettenhersteller Philip Morris ist Hauptsponsor des Schweizer Auftritts an der Expo 2020 in Dubai. Der Vertrag ruft immer mehr Kritiker auf den Plan – nun auch die Weltgesundheitsorganisation.
Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gerät im Zusammenhang mit Werbeauftritten des weltgrössten Tabakkonzerns immer mehr in die Kritik. Der Vorwurf: Das Departement von Ignazio Cassis (FDP) ermögliche Philip Morris, vom guten Image der Schweiz zu profitieren.
So hat das EDA den amerikanischen Konzern zu einem von zwei «Hauptsponsoren» des Schweizer Pavillons an der Weltausstellung in Dubai ernannt, was den Unwillen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervorgerufen hat. Dies berichtet der «Tages-Anzeiger» am Montag. «Tabak tötet weltweit pro Jahr acht Millionen Menschen», zitiert die Zeitung die WHO-Zentrale in Genf.
Trotzdem versuche «die Tabakindustrie die Präventionsbemühungen von Regierungen und internationalen Organisationen zu unterlaufen». «Dass nun ausgerechnet die Schweiz als Sitzstaat der WHO eine Sponsoring-Partnerschaft mit einem Tabakkonzern eingeht, ist sehr bedenklich.» Gemäss dem Bericht hat die WHO in Bern «bei hohen Stellen interveniert».
Das Abkommen zwischen dem EDA und Philip Morris sei unzulässig, da die Weltausstellung in Dubai der Aufsicht des Bureau International des Expositions (BIE) unterstehe. Und mit dieser Organisation bestehe seit 2010 eine Vereinbarung, wonach Tabaksponsoring an Expos untersagt sei, sagt die WHO. Sie werde beim BIE Protest anmelden, heisst es in dem Bericht weiter: «Wir werden darauf drängen, dass die Vereinbarung auch im Schweizer Pavillon in Dubai eingehalten wird.»
Der in New York beheimatete Tabakkonzern legt für die Partnerschaft mit der Schweiz in Dubai offenbar 1,8 Millionen Franken auf den Tisch. Dafür profitiere Philip Morris wie andere Sponsoren von einem «Imagetransfer» – sprich: Das gute Image der Schweiz soll sich für Philip Morris und andere Geldgeber bezahlt machen.
Die SP will den Sponsoring-Vertrag mit Philip Morris offenbar im Parlament stoppen. Sie werde in der zuständigen Kommission einen entsprechenden Antrag einreichen, sagt die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz dem «Tages-Anzeiger». Es gehe nicht, «dass die Schweiz jedes Jahr viele Millionen in die Tabakprävention steckt und dann ihren Expo-Pavillon für Tabakwerbung hergibt.»
Auch das Bundesamt für Gesundheit kritisiert das Departement und Cassis: «Die Zusammenarbeit mit einem Tabakkonzern im Rahmen der Expo in Dubai steht im Widerspruch zu unserer Präventionsstrategie», erklärte es vergangene Woche den CH-Media-Zeitungen.
Auch Verbände legen Einspruch ein. Die Lungenliga, der Verband Sucht Schweiz und die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention haben Bundesrat Cassis gemäss dem Bericht per Brief ihr Unverständnis mitgeteilt. «Indem die offizielle Schweiz Philipp Morris als Sponsor akzeptiert, ist es letztlich sie selber, die für Produkte wirbt, die Millionen von Menschen abhängig machen», so Verena El Fehri von der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention.
Das EDA steht bereits für einen anderen Anlass, den Philip Morris für seine Werbezwecke nutzen durfte, in der Kritik: Mitte Juni eröffnete Cassis in Moskau die neue Schweizer Botschaft, wo Philip Morris als «Goldsponsor» zugelassen war und seine umstrittene E-Zigarette Iqos bewarb. Nach Worten des SP-Nationalrats Fabian Molina, der laut «Tages-Anzeiger» vor Ort war, soll Philip Morris die E-Zigaretten dort sogar verkauft haben. «Eine völlige Zweckentfremdung des Botschaftsgeländes», kritisiert Molina. 45'000 Franken soll der Iqos- und Zigarettenhersteller Philip Morris dem EDA für die hochkarätige Werbegelegenheit bezahlt haben.
Als Begründung für den Sponsoringvertrag gibt das EDA einen Beschluss des Parlaments an. Dieses habe entschieden, die Hälfte der Kosten in Höhe von 15 Millionen Franken für den Schweizer Pavillon an der Expo 2020 in Dubai solle mit Sponsoring-Verträgen gedeckt werden. Ausserdem sei Philip Morris ein wirtschaftlich wichtiges Unternehmen mit Europa-Sitz in der Schweiz.
Aber selbstverständlich werde das EDA alles tun, «um sicherzustellen, dass in keiner Weise der Eindruck entsteht, dass der Bund den Konsum von Tabakerzeugnissen fördert», heisst es in dem Bericht. Die Sichtbarkeit von Philip Morris im Schweizer Pavillon sei beschränkt, sie «konzentriere sich auf eine Bar auf der Dachterrasse». Und dort werde der US-Tabakkonzern ausschliesslich seine Iqos-Produkte bewerben.
Zum Weltnichtrauchertag: Der WHO sinkt die Rate zu langsam
Antitabakkampagne in Indien im Vorfeld des Weltnichtrauchertages: Es wird zwar weniger geraucht, aber der WHO geht der Trend nicht schnell genug.
Bild: Keystone
Der weltweite Nichtrauchertag am 31. Mai wurde 1987 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins Leben gerufen.
Bild: Keystone
Auch bei E-Zigaretten verengten sich beim Nutzer die Arterien, Herzschlag und Blutdruck stiegen an. «Die Langzeitfolgen sind noch unbekannt, aber es wird davon ausgegangen, dass (E-Zigaretten) das Risiko für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, Lungenkrebs und möglicherweise Herzerkrankungen erhöhen», so die WHO
Bild: Keystone
Jedes Jahr sterben nach Schätzungen drei Millionen Menschen in Folge von Tabakkonsum an Herzerkrankungen. 2010 hätten noch rund 60 Prozent der Chinesen nicht gewusst, das Rauchen Herzinfarkte verursachen kann.
Bild: Keystone
Funktionäre der WHO geben in Genf ihre Empfehlungen zu einer Senkung der Raucherrate ab. Im Kampf gegen das Rauchen seien viele günstige Massnahmen wirksam ...
Bild: Keystone
... etwa umfassende Rauchverbote in öffentlichen Räumen ...
Bild: Keystone
... Werbeverbote ...
Bild: Keystone
... drastische Warnungen auf Tabakpackungen ...
Bild: Getty Images
... und medizinische Unterstützung bei der Entwöhnung.
Bild: Getty Images
Die kontinuierliche Erhöhung der Tabaksteuern schreckt möglicherweise manchen Raucher ab, hat aber andererseits zu einem wachsenden Zigarettenschmuggel geführt.
3 Aspekte: Was eine zweite Amtszeit Trumps für die Schweiz bedeuten würde
Donald Trump hat gute Chancen, bei der US-Wahl am 5. November das Mandat für eine zweite Amtszeit zu bekommen? Was würde das für die Schweiz bedeuten? Das Video beleuchtet drei Aspekte.
30.10.2024
«Es gibt Armut in der Schweiz, das wollen viele nicht wahrhaben»
Die Armut ist hierzulande kaum sichtbar. Aber es gibt sie. Betroffene haben oft das Gefühl, von einer ansteckenden Krankheit befallen zu sein. «blue News»-Redaktor Bruno Bötschi besuchte eine Abgabestelle der Lebensmittel-Hilfe Tischlein deck dich.
13.09.2021
«Es ist noch etwas von Covid übrig»: Das sagen die Schweizer*innen zum Notvorrat-Plan
Schweizer*innen sollen jetzt einen Notvorrat anlegen. Der Bund hat deshalb eine virtuelle Einkaufsliste lanciert. blue News hat auf den Strassen nachgefragt, was Herr und Frau Schweizer dazu meinen.
10.10.2024
3 Aspekte: Was eine zweite Amtszeit Trumps für die Schweiz bedeuten würde
«Es gibt Armut in der Schweiz, das wollen viele nicht wahrhaben»
«Es ist noch etwas von Covid übrig»: Das sagen die Schweizer*innen zum Notvorrat-Plan