Steigende FallzahlenWeitere Massnahmen sollen Lockdown verhindern – Experten sind skeptisch
uri
26.10.2020
Schweizer Spitäler sind am Anschlag, dem Contact Tracing droht der Zusammenbruch. Am Mittwoch will der Bundesrat weitere Massnahmen beschliessen, um einen Lockdown zu verhindern. Experten befürchten, dass sie zu spät kommen.
Am Freitag hat sich die Zahl der Neuinfektionen mit 6634 Fällen im Vergleich zur Vorwoche rund verdoppelt. Das Spital Wallis hat wegen der steigenden Zahl von Covid-19-Patienten heute die höchste Alarmstufe ausgerufen. Und am Wochenende warnte Marcel Tanner, Epidemiologe und Mitglied der Covid-19-Taskforce des Bundes, man wolle keinen zweiten Lockdown, aber nun zähle jeder Tag. Die Schweiz müsse nun weitere Taten folgen lassen.
Die vor einer Woche beschlossenen Massnahmen des Bundes – darunter die Maskenpflicht in allen öffentlichen Räumen oder das Verbot von Versammlungen mit mehr als 15 Personen – dürften erst nach rund zehn Tagen Wirkung entfalten, wie Bundesrat Alain Berset am vergangenen Mittwoch in einer Medienkonferenz erklärte. Andernfalls werde man weitere Massnahmen in Betracht ziehen.
Maskenpflicht im Freien
Diesen Mittwoch sind die zehn Tage um und Berset geht offenbar nicht davon aus, dass die Massnahmen dann ausreichend gegriffen haben werden. Stattdessen sind dann bereits weitere Massnahmen geplant, wie am Samstag bekannt wurde. Die weitere Ausbreitung des Coronavirus soll dann unter anderem durch die Verhängung einer Sperrstunde ab 22 Uhr, einer Grenze von 50 Personen bei Veranstaltungen, Fernunterricht an den Unis und eine Maskenpflicht im Freien gestoppt werden.
Laut dem Konsultationsentwurf des Bundes müsse dann jede Person «im öffentlichen Raum von Siedlungsgebieten eine Gesichtsmaske tragen». Allerdings wolle Berset diesen Vorschlag bereits wieder etwas entschärfen, wie «Blick» berichtet. Denkbar sei etwa, dass die Maskenpflicht draussen lediglich bei Menschenansammlungen zum Zug komme, wo sich die Abstandsmassnahmen nicht einhalten liessen. Aus Bern heisse es, dass das Bundesamt für Gesundheit den Auftrag gefasst habe, «eine neue und klarere Formulierung zu erarbeiten».
Drohender Lockdown
Eine Maskenpflicht im Freien «mache in gewissen Situationen Sinn», sagte auch der Tessiner Virologe Andreas Cerny «Blick». Die Massnahme müsse jedoch auch «verhältnismässig sein, damit sie die Leute mittragen». Allerdings meinte Cerny gegenüber «20 Minuten» auch, dass der Bund bereits wertvolle Zeit verpasst habe, um einen zweiten Lockdown auszuschliessen: «Jetzt ist das Risiko sehr hoch, dass wir nun schweizweit in eine ähnliche Situation kommen wie das Tessin im Frühling.»
Gleicher Meinung ist auch Nicola Low, Epidemiologin an der Universität Bern und Mitglied der Taskforce. «Es ist absolut möglich, dass ein zweiter Lockdown unumgänglich wird», sagte sie gegenüber «20 Minuten». Es sei zu befürchten, dass man Ende nächste Woche bereits über 10’000 diagnostizierte Fälle am Tag zähle, wobei dazu auch noch die Dunkelziffer käme. Um einen zweiten Lockdown zu verhindern, könne es dann bereits zu spät sein.
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