SP-Nationalrätin Jacqueline Badran: «Wer profitiert, ist das anonyme globale Immobilienkapital.»
FDP-Nationalrätin Christa Markwalder: «Die Praxis zeigt, dass die geltenden Regeln eben nicht greifen.»
Anpassungen am Mietrecht polarisieren
SP-Nationalrätin Jacqueline Badran: «Wer profitiert, ist das anonyme globale Immobilienkapital.»
FDP-Nationalrätin Christa Markwalder: «Die Praxis zeigt, dass die geltenden Regeln eben nicht greifen.»
Strengere Vorgaben für die Untermiete und raschere Verfahren, wenn ein Vermieter Eigenbedarf anmeldet: Die vom Nationalrat beschlossenen Änderungen im Mietrecht polarisieren – und dürften an der Wahlurne enden.
Gleich zwei Vorlagen zu Änderungen im Mietrecht kamen am Dienstag in den Nationalrat, und beide Male setzte sich das bürgerliche Lager durch. Resultat: die Vermieterseite soll zusätzliche Rechte erhalten.
Änderungen am Eigenbedarf
Zum einen geht es um Kündigungen bei Eigenbedarf. Vermieter*innen sollen die Mieter*innen künftig rascher aus einer Wohnung bekommen, wenn sie diese für sich selber oder ein nahes Familienmitglied nutzen möchten.
Konkret soll verhindert werden, dass die betroffenen Mieter*innen durch Einsprachen vorläufig in der Liegenschaft wohnen bleiben können. Erreicht werden soll dies, indem der Besitzer oder die Besitzerin nicht mehr nur einen «dringenden» Eigenbedarf geltend macht, sondern neu einen «bei objektiver Beurteilung bedeutenden, aktuellen Eigenbedarf». Das soll die Verfahren beschleunigen, so die Hoffnung der Ratsmehrheit.
Für jene, die zur Miete wohnen, war es aus Sicht der Ratslinken ein schlechter Tag. Die Frage, wer sich überhaupt freuen darf, beantwortet die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran mit: «Nicht viele.»
«Ein Schreinermeister, der in Luzern vier Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus vermietet, hat davon nichts», glaubt sie. Kleine Vermieter*innen fänden sehr oft einvernehmliche Lösungen mit ihrer Mieterschaft.
«Wer profitiert, ist das anonyme globale Immobilienkapital», sagt Badran, die auch im Vorstand des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz sitzt. Sie denkt hier an grosse Player wie die Swiss Life oder den Credit-Suisse-Immobilienfonds. «Dabei sitzen diese nicht einmal im Hauseigentümerverband, der nun ihre Interessen vertritt.»
«Das ist eine völlig verfehlte Argumentation», entgegnet FDP-Nationalrätin Christa Markwalder. «Heute müssen Hausbesitzer mit Eigenbedarf Monate, teils Jahre warten, bis sie ihr Eigentum selber bewohnen dürfen. Sie müssen die Dringlichkeit ihres Eigenbedarfs beweisen. Diesen Missstand wollen wir jetzt beheben.»
Die Bernerin spricht von «moderaten Anpassungen»: «Wir senken nur die Hürde ein wenig, damit ein Mieter nicht aufgrund der Anfechtung einer Kündigung jahrelang in der Liegenschaft wohnen bleiben kann. Das hilft auch dem Hausbesitzer.» Der Mieterschutz bleibe dennoch gewahrt.
Änderungen an der Untermiete
Die zweite Änderung betrifft die Untermiete. Wer seine Wohnung oder einzelne Räume untervermieten will, soll dafür neu die schriftliche Zustimmung des Vermieters einholen müssen.
Darüber hinaus sollen die Vermieter*innen mehr Möglichkeiten erhalten, um ein Untermiete-Verhältnis zu verhindern – so etwa mit einem ausserordentlichen Kündigungsrecht, wenn eine Mietpartei die Voraussetzungen nicht einhält. Auch eine Untermiete von mehr als zwei Jahren Dauer könnte verweigert werden.
Diese Vorlage stammt von der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen und ist gegen Anbieter wie Airbnb gerichtet. Sie wurde mit 108 zu 83 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Auch im Bereich der Untermiete gebe es heute «stossende Missstände», sagt Markwalder: «Zum Beispiel, wenn jemand seine günstige Altbauwohnung teurer als zum offiziellen Preis untervermietet und die Differenz einstreicht.» Dies soll künftig verhindert werden.
Solche profitablen Untermiete-Verhältnisse sind aber schon nach geltendem Recht missbräuchlich, gibt Badran zu bedenken. Auch der Bundesrat sprach sich gegen die Vorlage aus, die heutigen Regeln genügten, sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Die Frage ist also: Wieso braucht es eine Gesetzesverschärfung? «Die Praxis zeigt, dass die geltenden Regeln eben nicht greifen», antwortet Markwalder.
Mehrere Referenden angedroht
Die beiden Vorlagen gehen nun an den Ständerat. Dass dieser eine Kurskorrektur vornimmt, glaubt SP-Politikerin Badran nicht: «Das ist ausgeschlossen.» Dem Mieterinnen- und Mieterverband bleibe daher nichts anderes übrig, als das Referendum zu ergreifen. Und die SP werde dieses «ganz bestimmt» unterstützen, um diesen «absoluten Unfug» zu stoppen.
«Ich habe kein Problem damit, wenn es zu einer Volksabstimmung kommt», sagt Markwalder. Die sich jetzt abzeichnenden Anpassungen im Gesetz seien schliesslich «minim, aber wichtig».
Wobei, eigentlich muss man von mehreren Referenden sprechen. Und dies ärgert Badran besonders: Dass der Nationalrat die verschiedenen Änderungen am Mietrecht nicht gemeinsam in ein Paket gesteckt, sondern aufgeteilt habe. Die SP-Politikerin spricht von einem «unredlichen Vorgehen» und einer «Salamitaktik».
Dadurch sollte erreicht werden, dass es sich für den Mieterinnen- und Mieterverband oder eine Partei nicht lohne, gegen einen einzelnen Gesetzesartikel das Referendum zu ergreifen, glaubt sie. «Doch das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.»
Das Thema Mietrecht wird den Nationalrat bereits am Donnerstag wieder beschäftigen: Dann steht zum einen eine parlamentarische Initiative von Karl Vogler (Mitte/OW) an, die die Formularpflicht bei Mietzinserhöhungen aufgrund einer vereinbarten Staffelung abschaffen will. Ausserdem traktandiert: Ein Vorstoss von Olivier Feller (FDP/VD), der für einseitige Vertragsänderungen durch Vermieter*innen keine handschriftliche Signatur mehr vorsehen will.
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03.11.2022