Tauziehen um HilfsgelderDie Milliarden für die Ukraine stehen auf der Kippe
aru
6.6.2023
Mit bis zu 5 Milliarden soll die Ukraine von der Schweiz unterstützt werden. Das Anliegen hat im Nationalrat aber einen schweren Stand – nicht zuletzt, weil andere Hilfsprojekte in Afrika darunter leiden könnten.
aru
06.06.2023, 17:01
06.06.2023, 17:09
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Über die kommenden fünf bis zehn Jahre soll die Schweiz die Ukraine mit rund 5 Milliarden Franken unterstützen. Dies verlangt eine Motion.
Dass das Geld von anderen Hilfsgeldern abgezwackt werden könnte, besorgt nun viele Nationalrät*innen.
Daher planen die Politiker*innen, einen gesetzlichen Rahmen festzulegen, ohne die Höhe der Zahlungen vorzuschreiben.
Tut die Schweiz genug, um der Ukraine zu helfen? Mit dieser Frage wird sich der Nationalrat am Donnerstag befassen. Dann nämlich behandelt er einen Vorstoss der Aussenpolitischen Kommission, die Milliardenunterstützung für die Ukraine verlangt.
Konkret will eine Mehrheit der Kommission, dass ein Unterstützungsprogramm im Umfang von 5 Milliarden Franken für die kommenden fünf bis zehn Jahre geschnürt wird. Namentlich soll das Geld für die humanitäre Hilfe, den Schutz der Zivilbevölkerung, die Friedensförderung und den Wiederaufbau der Infrastruktur eingesetzt werden.
So sei bereits heute absehbar, dass die Ukraine dereinst Milliardenbeträge für den Wiederaufbau benötige. «Die Schweiz leistet heute, auch unter Einbezug des neuesten Hilfspakets des Bundesrates, weniger Hilfe an die Ukraine als andere vergleichbare Staaten», schreibt die Kommission.
Dies soll das Beispiel Norwegens illustrieren. Das skandinavische Land mit 5,5 Millionen Einwohner*innen sagte jüngst Ja zu einem Hilfspaket von 7,5 Milliarden Franken über die nächsten fünf Jahre. In seiner Antwort rechnet der Bundesrat vor, dass die Schweiz in den kommenden sechs Jahren rund 1,8 Milliarden Franken für die Ukraine ausgeben werde, was einen substanziellen Beitrag darstelle.
Leistet die Schweiz zu wenig?
Wie weit hinten die Schweiz im Hilfsranking steht, ist umstritten. Die Erhebung des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel sieht die Schweiz weit hinten auf Rang 27 mit 0,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts, das für die Ukraine und ihre Flüchtenden bereitgestellt wurde.
Dem «Tages-Anzeiger» erklärt das Aussendepartement, dass sich das Institut auf Ankündigungen berufe und nicht auf effektiv geleistete Zahlungen. Dabei kommuniziere die Schweiz nur diese. Eine OECD-Statistik zeige daher ein anderes Bild. In ihr landet die Schweiz auf dem 9. Platz.
Der Bundesrat schreibt in seiner Stellungnahme, dass es derzeit noch verfrüht sei, einen konkreten Betrag oder eine zeitliche Frist für den Schweizer Beitrag an den Wiederaufbau der Ukraine festzulegen. Denn: Bedarf seitens der Ukraine und Mittel seitens des Bundes seien schwer abzuschätzen.
Skepsis kommt nicht nur vonseiten des Bundesrates und vieler Bürgerlicher, sondern auch von Alliance Sud, einem Dachverband verschiedener Hilfsorganisationen wie beispielsweise Helvetas, Terre des Hommes und Swissaid. Präsident Andreas Missbach sagt zu «20 Minuten», dass das Geld für die Ukraine wohl von anderen Hilfsprojekten abgezwackt würde. Das wäre eine Katastrophe, sagt er weiter.
«Die Schwächung der humanitären Hilfe in anderen Kontexten wäre zu gross.»
Elisabeth Schneider-Schneiter
Nationalrätin Die Mitte
Auch wenn die Vorlage an der Fraktionssitzung von Dienstagnachmittag nochmals besprochen wurde, bleibt die Mitte – die Königsmacherin – eine Gegnerin der Vorlage. «Die Schwächung der humanitären Hilfe in anderen Kontexten wäre zu gross», sagt Nationalrätin und Mitglied der Aussenpolitischen Kommission Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte) zu blue News. Dies sei keineswegs ein Votum gegen die Ukraine, sondern eines gegen den verfrühten Zeitpunkt.
SVP-Antrag scheitert im Rat
Besser wäre es, wenn man nun abwartet und schaut, was genau die Bedürfnisse sind und diese auch auf internationaler Ebene koordiniert, so Schneider-Schneiter weiter. «Verpflichtende Mittel bringen nichts, wenn keine Eckwerte bekannt sind. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.»
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj richtet sich am 15. Juni an das Schweizer Parlament. Ein Antrag der SVP, wonach die virtuelle Ansprache untersagt werden sollte, scheiterte am Dienstag im Rat. Zwar wird das Parlament den Präsidenten nicht mit einem Milliardengeschenk empfangen, aber möglicherweise mit einer deutlichen Absicht, ein solches zu machen.