Jositsch will in den Bundesrat«Mangelndes Selbstbewusstsein kann man ihm nicht vorwerfen»
Von Andrea Moser
8.11.2022
Zürcher Ständerat Daniel Jositsch will Sommarugas Nachfolger werden
Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch will für die Nachfolge der zurücktretenden Bundesrätin Simonetta Sommaruga kandidieren. Er stellt sich damit gegen die Parteileitung, die ein reines Frauen-Ticket will.
08.11.2022
Daniel Jositsch will einen neuen Job: den von Simonetta Sommaruga. Obwohl die SP nur mit Frauen zur Wahl antreten will. Kann der Schuss für den Zürcher Ständerat nach hinten losgehen? Eine Politologin ordnet ein.
Von Andrea Moser
08.11.2022, 18:14
Von Andrea Moser
Es war ein Coup mit Ansage, als Daniel Jositsch am Dienstag seine Bundesratskandidatur verkündete. Bereits im Vorfeld hatte der Zürcher SP-Ständerat mehrfach beklagt, das von der Parteispitze verlangte Frauen-Ticket sei diskriminierend. Ebenfalls bekannt war sein Interesse am frei werdenden Sitz von Bundesrätin Simonetta Sommaruga.
Ungewöhnlich ist das Vorgehen der SP, nur Frauen zulassen zu wollen, in der Tat. Das bestätigt Politologin Sarah Bütikofer von der Universität Zürich auf Anfrage von blue News. Es ist jedoch kein einmaliger Vorgang: Bei der letzten Vakanz der CVP – inzwischen Die Mitte – habe die Partei auch ein reines Frauenticket präsentiert. Ebenso die SP bei früheren Wahlen. Dazu komme, dass bis in die 1980er-Jahren ausschliesslich Männer kandidiert hatten.
Jositsch will unbedingt Bundesrat werden
Vor den Medien forderte Jositsch am Dienstag, dass er von seiner Fraktion zumindest die Chance erhalte, ins Kandidatenkarussell um den frei werdenden SP-Sitz einzusteigen. Er fordert statt einem rein weiblichen Zweierticket ein Dreierticket, bestehend aus zwei Frauen und einem Mann. Alles andere wäre ungerecht.
Jositsch wolle unbedingt Bundesrat werden und sehe seine Chance jetzt gekommen, analysiert Bütikofer. Er gehe zielstrebig vor und lege seine Motive in diversen Interviews dar. «Mangelndes Selbstbewusstsein kann man ihm definitiv nicht vorwerfen.»
Dass sich Jositsch mit einer Kandidatur gegen den Willen der SP-Spitze stellt, dürfte dort keine Euphorie ausgelöst haben. «Es wäre für die Parteileitung sicher einfacher gewesen, wenn sich niemand an ihrer Strategie gestört hätte.» Die Parteileitung müsse nun entscheiden, ob sie ihre Strategie aufrechterhalten wolle oder den Anträgen, auch männliche Kandidaturen zuzulassen, Folge leisten wolle, so Bütikofer.
Verfassung sagt nichts über das Geschlecht der Kandidaten
Mit seinem Interesse an einer Bundesratskandidatur wolle er keine schwierige Situation für die Parteileitung kreieren, betonte Jositsch an der Medienkonferenz mehrfach. Stattdessen fordere er eine Diskussion über eine «sinnvolle Gleichstellung». Es gehe schliesslich auch um verfassungsrechtliche Aspekte.
Fahrplan der SP zur Sommaruga-Nachfolge
18. und 19. November: Die SP-Bundeshausfraktion entscheidet an ihrer vorbereitenden Sitzung über die Kriterien der SP-Kandidatur.
21. November: Die Frist für eine Kandidatur läuft um 12 Uhr aus. Bis zum 24. November finden Sitzungen der Findungskommission statt.
25. November: Der Parteirat gibt auf einer ausserordentlichen Sitzung eine Empfehlung zuhanden der SP-Bundeshausfraktion ab.
26. November: Die SP-Bundeshausfraktion nominiert auf einer ausserordentlichen Sitzung das Ticket.
In der Verfassung stehe nichts zu Bundesratskandidaturen, das sich auf das Geschlecht beziehe, stellt Bütikofer klar. Die Fraktionen der Parteien seien frei, wie sie ihre Wahlvorschläge ausgestalten – und die Mitglieder von National- und Ständerat seien ebenfalls frei zu wählen, wen sie wollten.
«Wenn mehr Personen für hohe Ämter qualifiziert sind, nimmt die Konkurrenz zu»
Ob die Diskussionen rund um die SP dem Image der Partei schaden, bleibt abzuwarten. Für Bütikofer hängt das vom Endergebnis ab. Zurzeit gebe es noch keine offiziellen Wahlvorschläge und auch keine erfolgte Wahl. Dadurch, dass diese Diskussion nun breit geführt werde, könne sich die SP auch klar positionieren, was ihr in gewissen Kreisen sicher nicht schade.
Die Parteispitze der SP wollte auf Anfrage von blue News keine Stellung zu Jositschs Kandidatur nehmen.
Im Fall Jositsch stellt sich die Frage, ob männliche Politiker sich schwer tun, im Falle des angekündigten Frauentickets zurückzustehen. Dazu sagt Bütikofer: «Wenn mehr Personen für hohe Ämter qualifiziert sind, nimmt die Konkurrenz zu und das spüren zuerst diejenigen, denen bisher das Privileg zukam, sich diese Ämter unter sich aufzuteilen.»