«Sinnvolle Gleichstellung» Jositsch will in den Bundesrat – gegen den Willen der SP-Spitze

SDA/Red.

8.11.2022

Zürcher Ständerat Daniel Jositsch will Sommarugas Nachfolger werden

Zürcher Ständerat Daniel Jositsch will Sommarugas Nachfolger werden

Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch will für die Nachfolge der zurücktretenden Bundesrätin Simonetta Sommaruga kandidieren. Er stellt sich damit gegen die Parteileitung, die ein reines Frauen-Ticket will.

08.11.2022

Daniel Jositsch wehrt sich dagegen, dass die SP-Parteispitze nur Frauen für den Bundesrat nominieren will: Der Zürcher Ständerat kandidiert jetzt selber für den Sitz von Simonetta Sommaruga. 

uri

Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch will für die Nachfolge der zurücktretenden Bundesrätin Simonetta Sommaruga kandidieren, wie er am Dienstag vor den Medien in Bern bekanntgab. Er stellt sich damit gegen die Parteileitung, die ein reines Frauen-Ticket will.

Jositsch unterstützt laut seinen Worten dabei den geplanten Antrag seines Solothurner Ständerats- und Fraktionskollegen Roberto Zanetti (SVP), ein Dreierticket «mit mindestens zwei Frauen» vorzuschlagen. Es sei ja durchaus legitim, dass die SP ihre Präferenzen kundtue, sagte er. Aber es sei ein Problem, wenn Männer ganz ausgeschlossen würden.

Daniel Jositsch, Ständerat SP-ZH, kommt zur Medienkonferenz, bei der er seine Bundesratskandidatur ankündigt.
Daniel Jositsch, Ständerat SP-ZH, kommt zur Medienkonferenz, bei der er seine Bundesratskandidatur ankündigt.
Bild: Keystone

«Kann sehr gut ohne Bundesratsamt leben»

Der 57-jährige Nationalrat und Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Zürich erklärte, er sei überzeugt, dass er einen guten Bundesrat abgeben würde. «Jedoch bin ich nicht verzweifelt und kann sehr gut ohne Bundesratsamt leben», sagte Jositsch vor den Medien. 

Er wisse um die Bedeutung der Gleichstellung für die SP, und er teile das Anliegen, im Bundesrat eine Vertretung beider Geschlechter anzustreben, so Jositsch. Er habe indes von Anfang opponiert gegen den Antrag der Parteispitze, lediglich Kandidaturen von Frauen zuzulassen, denn von der Verfassung her seien alle Geschlechter gleich. 

Jositsch will Diskussion um Gleichstellung

Jemanden auszuschliessen, sei nicht die Absicht der Gleichstellung. Setze die Fraktion allerdings zwei Frauen aufs Ticket, müssten die Männer dies akzeptieren. Er wolle die Diskussion öffnen über eine «sinnvolle Gleichstellung», damit allerdings keine schwierige Situation für die Partei schaffen. 

«Man kann meine Kandidatur als Kandidatur gegen die Parteileitung verstehen», räumte der 57-Jährige zwar ein, ein Parteiaustritt sei für ihn jedoch kein Thema, falls die SP-Fraktion seine Kandidatur nicht zulasse. Er und Ko-Präsident Cédric Wermuth seien sich einig, dass es um die Lösung in der Frauenfrage gehe und nicht um Persönliches.

Umfrage
Findest du das reine Frauen-Ticket der SP gut?
  • Liveticker
    Neue Beiträge
  • Liveticker beendet
  • 13.40 Uhr

    Die Medienkonferenz ist beendet

    Wir danken für das Interesse.

  • 13.39 Uhr

    Was qualifiziert Sie, ausser ein Mann zu sein?

    Er habe breite Erfahrungen im Bundeshaus und auch berufliche Erfahrungen, die nutzen könnten. Auch könne er gut mit allen Bundesräten, so Jositsch. Zudem sei ihm ein gutes Nervenkostüm zu eigen und er könne seinen Kurs halten.

  • 13.36 Uhr

    Was halten Sie von einem Dreierticket inklusive Jositsch?

    Sein Vorschlag sei auch ein Dreierticket mit zwei Frauen und einem Mann, so Jositsch. Er habe auch kein Problem mit der Frauen-Präferenz der SP. Er wolle nur nicht, dass Männer kategorisch ausgeschlossen würden.

  • 13.32 Uhr

    Welche Bedeutung hat die Kandidatur für Sie? 

    Es sei eine verfassungsrechtliche Frage für ihn, ob er zugelassen werde, sagt Jositsch. Eine wilde Kandidatur plane er aber nicht. Er werde nicht einfach kandidieren, wenn er von der Fraktion nicht zugelassen werde. Er wisse aber noch nicht, wie er damit umgehe, falls er nicht zugelassen werde. «Mir gehen diese Tickets als Parlamentarier schon länger auf die Nerven.» Er habe auch selbst schon als Parlamentarier Kandidat*innen gewählt, die nicht auf dem Ticket gestanden hätten.

  • 13.29 Uhr

    Wenn er verliert beim Grundsatzentscheid: Ist die SP dann noch die richtige Partei für Jositsch?

    Ja. Er sei ja nicht gegen Gleichstellung. Er wehre sich nur dagegen, dass Männer komplett ausgeschlossen werden.

    Ein Parteiwechsel komme ausserdem nicht in Frage, betont Jositsch erneut. Als Ständerat die Partei zu wechseln wäre ein Fehlentscheid, immerhin sei er dank der SP überhaupt in dieser Position. Die Partei habe ihn immer unterstützt. 

  • 13.26 Uhr

    Denken Sie hier bereits strategisch für die Zukunft?

    Jositsch sagt, er habe ja hinsichtlich seines Alters bereits die «Halbwertszeit» überschritten und signalisiert, er habe mit seiner derzeitigen Kandidatur keine strategischen Pläne für einen künftigen Schritt in den Bundesrat im Sinn.  

  • 13.23 Uhr

    Akzeptiert er den Entscheid der Partei, falls es zu einem reinen Frauenticket kommt? 

    Sollte er nicht aufs Ticket kommen, müsse er das akzeptieren, sagt Jositsch. «Ich kann mich nicht auf das Ticket zwängen», sagt der SP-Ständerat. 

  • 13.21 Uhr

    Wollen Sie auch ohne die Unterstützung der Partei in den Bundesrat? 

    «So etwas plane ich nicht», sagt Jositsch. «Für mich ist es eine ganz spezielle Situation». Es habe es noch nie gegeben, dass man einem Kandidaten die Kandidatur zu verbieten. Er strebe nicht an, gegen den Willen der Partei und Fraktion zu kandidieren. Er empfinde hier aber eine Ungerechtigkeit. Er könne nicht sagen, wie er agiere, wo er den Umstand als Ungerechtigkeit empfinde, aber er werde es sicher mit der Fraktion und der Parteileitung anschauen.

  • 13.19 Uhr

    Ist die Kandidatur gegen die Parteileitung?

    Ja, sagt Jositsch, das könne man durchaus so sehen. Er habe aber einen guten Draht zur Parteileitung. Ausserdem sei es keine persönliche Sache. Darüber seien sie sich einig. Die SP wolle nicht Jositsch verhindern, sondern den Sitz mit einer Frau besetzen. 

  • 13.17 Uhr

    Haben Sie einen formellen Gegenantrag gestellt?

    Ja, das habe er, sagt Jositsch. Man habe aber darüber nicht abgestimmt, weil man festgestellt habe, dass man darüber aus formalen Gründen habe nicht abstimmen können.

  • 13.14 Uhr

    Ist ein Austritt aus der SP ein Thema, sollte Jositsch von seiner Partei nicht nominiert werden?

    Nein. Das kommt für Jositsch zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage.

  • 13.13 Uhr

    Werden Sie von der SP des Kantons Zürich unterstützt? Und was ist sinnvolle Gleichstellung für Sie?

    «Sie sehen, die SP des Kantons Zürich ist nicht da.» Die Parteileitung wolle noch abwarten, aber er finde, das passe zur Situation, so Jositsch. Und zur «sinnvollen Gleichstellung» meint Jositsch: Das Ziel sei, dass es eigentlich gar kein Thema sein dürfe. Aber er finde auch, dass man es nicht so machen dürfe, dass man bereits sage, es müsse eine Frau sein, solange man nicht wisse, wer die Kandidaten und ihre Qualitäten seien. «Das stört mich», so Jositsch.

    Verzweifelt sei er aber nicht, wie er in einer Zeitung gelesen habe. Gleichwohl müsse man sich neue Ziele setzen und er würde gerne in den Bundesrat gehen. 

  • 13.09 Uhr

    Die Fragerunde beginnt

    Ein Journalist will wissen, was passiere, wenn Jositsch nicht auf das SP-Ticket kommt.

    Jositsch würde akzeptieren, falls er nicht auf das Ticket kommt. Er wolle keine schwierige Situation innerhalb der Partei verursachen. Allerdings wolle er mit der Parteileitung Rücksprache halten. 

  • 13.06 Uhr

    Jositsch fordert eine sinnvolle Gleichstellung

    Als Professor an der Universität Zürich sei es ihm wichtig, den Forschungsplatz Schweiz zu stärken. Eine aktive Rolle müsse die Schweiz auch im Rahmen der Klimakrise spielen. 

    Jositsch ist sich bewusst, dass die Situation angespannt sei. Er wisse, dass sich nicht alle über seine Kandidatur freuen, da er sich über die Parteileitung hinwegsetze.

    Er wolle aber, dass über sinnvolle Gleichstellung gesprochen werde. Er habe viele Reaktion innerhalb sowie ausserhalb des Parlaments bekommen. Diese seien überwiegend in diesem Sinne. Dadurch fühle er sich bestärkt, sagt Jositsch. 

  • 13.04 Uhr

    Jositsch kandidiert

    Jositsch gibt seine Kandidatur offiziell bekannt. Er wolle definitiv für den frei werdenden Sitz kandidieren.

    Er habe jedoch grossen Respekt vor den Aufgaben, die auf einen Bundesrat warten. Er sei sich bewusst, dass es eine ausserordentlich schwierige Aufgabe sei. 

  • 13.03 Uhr

    Keine Gleichstellung

    Jemand von einer Kandidatur des Geschlechts wegen auszuschliessen, sei jedoch keine Gleichstellung, sagt Jositsch. Er habe sich gegen diese Bestimmung gewehrt. 

    Am 18. November entscheide die SP, wen sie ins Kandidatinnenrennen schicke. Er wolle sich dafür einsetzen, dass auch Männer kandidieren dürfen.

  • 13.01 Uhr

    «Es ist eine gewisse Flexibilität nötig»

    Jositsch ist der Meinung, dass eine gewisse Flexibilität bei der Wahl der Kandidaten für einen Bundesratssitz nötig sei. Er sei davon ausgegangen, dass seine Chancen, wenn er sich für eine Kandidatur entscheide, relativ klein seien, da eine Frauenkandidatur im Vordergrund stehe. 

  • 13 Uhr

    Die Medienkonferenz beginnt. 

    Daniel Jositsch tritt vor die Medien. Er drückt sein Bedauern über den Rücktritt von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga aus. Er habe gern und gut mit ihr zusammengearbeitet. Er habe grossen Respekt, dass sie wegen der Gesundheit ihres Mannes ihren Rücktritt bekannt gegeben habe, so Jositsch. 

Für den frei werdenden Sitz von Bundesrätin Simonetta Sommaruga will die SP-Parteispitze mit einem Frauenticket antreten – offiziell haben jedoch noch keine Kandidatinnen ihr Interesse bekundet. Mehrere Frauen haben sich ausserdem selbst aus dem Rennen genommen, zuletzt die Aargauer alt Ständerätin Pascale Bruderer

Am Dienstag könnte nun neue Bewegung ins Rennen kommen: Der Zürcher Ständerat Daniel Jositsch, der laut Medienberichten über eine Kandidatur nachdenkt, hat zu einem Medientermin zur Nachfolge von Sommaruga nach Bern eingeladen. 

Fahrplan der SP zur Sommaruga-Nachfolge

  • 18. und 19. November: Die SP-Bundeshausfraktion entscheidet an ihrer vorbereitenden Sitzung über die Kriterien der SP-Kandidatur.
  • 21. November: Die Frist für eine Kandidatur läuft um 12 Uhr aus. Bis zum 24. November finden Sitzungen der Findungskommission statt.
  • 25. November: Der Parteirat gibt auf einer ausserordentlichen Sitzung eine Empfehlung zuhanden der SP-Bundeshausfraktion ab.
  • 26. November: Die SP-Bundeshausfraktion nominiert auf einer ausserordentlichen Sitzung das Ticket.
  • 7. Dezember: Wahltag.

Zu Sender RTS sagte Jositsch kürzlich, dass er kein Problem damit habe zu verlieren. «Aber wegen meines Geschlechts nicht kandidieren zu dürfen, scheint mir ein wenig diskriminierend.» Darüber hinaus habe er in den letzten Tagen viele Zuschriften von Frauen und Männern erhalten, die ihn ermuntert hätten, «für echte Gleichberechtigung» zu kämpfen.

Das Parlament entscheidet am 7. Dezember über die Nachfolge von Sommaruga. Gleichzeitig wird auch der SVP-Sitz von Ueli Maurer neu besetzt. Um diesen haben sich fünf SVP-Kandidat*innen beworben. 

Daniel Jositsch hat das geplante Frauenticket der SP kritisiert und fühlt sich diskriminiert.  
Daniel Jositsch hat das geplante Frauenticket der SP kritisiert und fühlt sich diskriminiert.  
Keystone (Archivbild)