Parkbussen vom Roboter Kann mich künstliche Intelligenz auch in der Schweiz büssen?

Von Oliver Kohlmaier

28.3.2023

Elektronisch überwachte Parkräume sind auch in der Schweiz denkbar.
Elektronisch überwachte Parkräume sind auch in der Schweiz denkbar.
IMAGO/YAY Images (Symbolbild)

Ein Supermarkt-Betreiber in Deutschland spricht mithilfe künstlicher Intelligenz Bussen aus — und ruft Datenschützer auf den Plan. Wie ist die Rechtslage in der Schweiz?

Von Oliver Kohlmaier

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein Supermarkt-Betreiber in Deutschland setzt ein KI-gestütztes System ein, um den Kundenparkplatz zu überwachen
  • Auch in der Schweiz werden solche Systeme kommen, sagt ein Experte
  • Vor allem die Verfolgung per KI ist rechtlich aber problematisch

Eine Busse ist immer ärgerlich, vor allem wenn sie ein Computer ausspricht. Ein solcher Fall in Deutschland gibt derzeit zu reden. Ein Supermarkt-Betreiber nahm die Dienste eines Unternehmens für «digitale Parkraumüberwachung» in Anspruch.

Die Firma mit dem vielsagenden Namen «Parkvision» bietet ein KI-gestütztes System an, das Fahrzeuge mit Lenker*innen verknüpft, deren Laufwege verfolgt und bei Verstoss gegen die Bedingungen automatisch büsst.

Etwaige Datenschutzbedenken will die Firma im Vorhinein ausräumen: «Sofort nach Registrierung des Kennzeichens werden Personen und Tiere mithilfe von intelligenten Softwarekomponenten unkenntlich gemacht», heisst es dazu auf der Website des Unternehmens.

Dass die Persönlichkeitsrechte auch ihrer Hunde gewährleistet werden, dürfte die Fahrzeughalter*innen dabei eher wenig interessieren. Vielmehr aber die saftige Busse, die ihnen ein Computer verpasst hat.

«Videoüberwachung von privaten Parkflächen ist zulässig»

Medienberichten zufolge büsste das System bereits hundertfach, der Ärger der parkierenden Kundschaft ist gewaltig. Nach zahlreichen Beschwerden hat sich der hessische Landesdatenschutzbeauftragte eingeschaltet (Anm. der Red.: Der Sitz des Unternehmens liegt in Hessen).

Gibt es so etwas auch hierzulande? Eine Anfrage an Parkvision, ob das Unternehmen seine Dienste auch in der Schweiz anbietet, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Zur Person
zVg

Sven Kohlmeier ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht bei der Kanzlei Wicki Partners in Zürich. Er ist spezialisiert auf IT- und Datenschutzrecht und in grenzüberschreitenden schweizerisch-deutschen Rechtsfragen tätig.

«Ein KI-Laufwege-Parkplatz-Überwachungssystem ist mir aus der Schweiz nicht bekannt» sagt Rechtsanwalt Sven Kohlmeier im Gespräch mit blue News. Zumindest eine Entwicklung in diese Richtung sei jedoch bereits in vollem Gange.

Elektronisch überwachte Parkflächen mit Kennzeichenerfassung gebe es ohnehin schon — und die ersetzen zunehmend die hierzulande üblichen Schranken. In Zukunft werde es womöglich immer mehr davon geben, vermutet Kohlmeier und sagt: «Die Videoüberwachung von privaten Parkflächen ist zulässig und heute teilweise schon Praxis.»

Früher oder später werde es auch in der Schweiz Parkflächen geben, «die mit KI überwacht werden».

Rechtliche Grauzone

Allerdings wirft ein solches KI-gestütztes System ganz neue rechtliche Probleme auf. Damit befassen sich derzeit Datenschützer in Deutschland — und womöglich auch bald Gerichte.

Und hierzulande? «Eine systematische Erfassung von Fahrzeugführern und Erstellung von Bewegungsprofilen für die Überwachung von Parkenden halte ich für unzulässig, weil sie nach meiner Auffassung unverhältnismässig ist.» So gebe es zur Überwachung von Parkflächen «mildere und weniger Persönlichkeitsrecht verletzende Massnahmen als eine KI-gestützte Gesichtserkennung», erklärt Kohlmeier.

Letztlich aber handle es sich wie in Deutschland um eine rechtliche «Grauzone», da bisher keine Gerichtsentscheidung vorliege. Auch ein Kennzeichenscanning mit KI-gestützter Überwachung und Abrechnung könne aber unter «Einhaltung von datenschutzrechtlichen Vorgaben zulässig sein», sagt der Experte.

Grundsätzlich würden mit Inkrafttreten des neuen Datenschutzgesetzes am 1. September dieses Jahres höhere Anforderungen gelten, etwa an eine «ordnungsgemässe, transparente und verständliche Information oder bei der Datenübermittlung ins Ausland».

Künstliche Intelligenz im Skilift?

Wie sensibel das Thema ist, zeigt der Aufruhr in Gelsenkirchen. In der Schweiz sei dies nicht anders, erklärt der Fachanwalt. Die Diskussion um die ursprünglichen Pläne der SBB um die automatisierte Auswertung von Kundenströmen habe dies erst kürzlich vor Augen geführt.

Doch Kohlmeier betont, dass die Entwicklung Künstlicher Intelligenz unaufhaltsam voranschreite und in viele Lebensbereiche vordringen wird: «Es ist meines Erachtens nur eine Frage der Zeit, bis KI-gestützte Gesichtserkennung auch andere Lebensbereiche erfasst, der Skilift wäre etwa auch so ein Anwendungsfall.»

Werde der Datenschutz gewahrt und willigen die Betroffenen ein, sei dies rechtlich umsetzbar, sagt Kohlmeier.

Ohnehin seien nicht wenige Menschen bereit, beim Thema Datenschutz Zugeständnisse zu machen: «Komfort und Bequemlichkeit überwiegen ganz oft die Bedenken zum Schutz der eigenen Persönlichkeitsrechte.»

Schweiz wappnet Lehrer gegen KI-Chatbots an den Schulen

Schweiz wappnet Lehrer gegen KI-Chatbots an den Schulen

Ist eine Software, die dank künstlicher Intelligenz sowohl Aufsätze schreiben als auch Mathe-Aufgaben lösen kann, Fluch oder Segen für das Bildungssystem? Fragen, mit denen sich Schweizer Lehrer bei einem Seminar in Genf beschäftigen.

27.02.2023