Impf-Kampagne stockt Jetzt hängt es von den Jungen ab

Von Lukas Meyer

5.7.2021

In Zürich werden seit dem Montag auch 12- bis 15-Jährige geimpft.
In Zürich werden seit dem Montag auch 12- bis 15-Jährige geimpft.
KEYSTONE

Die Impfkampagne ist nicht mehr so gut unterwegs wie auch schon. Mit niederschwelligen Angeboten wollen die Kantone noch mehr Leute erreichen, und einige planen sogar Impfaktionen in Schulen.

Von Lukas Meyer

Die epidemiologische Lage ist gut, das Virus wird aber bleiben. Das stellte Bundesrat Alain Berset an der letzten Pressekonferenz fest. Vor allem die Delta-Variante beunruhigt – eine hohe Impfquote ist darum umso wichtiger. Denn wer zweifach geimpft ist, soll gut geschützt sein, mit Moderna am besten.

Bisher sind 50 Prozent mindestens einmal geimpft. Bis Mitte August sollen alle, die wollen, vollständig geschützt sein. 80 Prozent sind das Ziel – laut Umfragen ist das möglich. Wie sieht das in der Realität aus? In Bern etwa haben sich 72,4 Prozent der impfberechtigten Bevölkerung für eine Impfung registriert, wie die Gesundheitsdirektion mitteilt.



Andernorts sieht es ähnlich aus: «Die Impfkampagne im Kanton Zürich verläuft gut», teilt die Gesundheitsdirektion mit. Die Impfgruppen, die zuletzt Zugang zur Impfung erhielten – also jüngere Menschen –, seien weiterhin am Aufholen. Allerdings sei die Impfbereitschaft in städtischen Gebieten höher als in weniger urbanen Bezirken.

Dafür sind im Kanton Bern seit Längerem Impfbusse im Einsatz. Diese seien eingeführt worden, um auch abgelegene Gemeinden erreichen zu können, so die Gesundheitsdirektion: «Das Angebot wird stark genutzt und die Termine sind immer ausgebucht.»

Zudem bieten etwa Bern und Zürich seit dieser Woche in ihren Impfzentren Walk-in-Möglichkeiten an. «Dies ist vor allem auch für Personen eine grosse Hilfe, die sich nicht über die Applikation anmelden können oder die sprachliche Unterstützung benötigen», heisst es aus Bern.

Schulen beobachten die Lage

Und was ist mit den Kindern? Infektiologe Urs Karrer von der Taskforce des Bundes warnt im «Tages-Anzeiger» vor einer Variante: «Delta kann nach den Sommerferien in Schulen zu neuen Corona-Hotspots führen.» Er empfiehlt 12- bis 15-Jährigen, sich unbedingt impfen zu lassen, der Nutzen überwiege die Risiken klar.

Damit hat man in vielen Kantonen gerade erst angefangen. In Zürich etwa stehen dafür 10'000 Termine in drei Impfzentren und im Kinderspital zur Verfügung, gebucht wurden bisher 6500. Sie wollen wieder einfacher reisen und unbeschwerter leben können, sagten einige zu SRF. Die Impftermine sind den Schulzeiten angepasst und ab 15 Uhr und am Samstag verfügbar. Da Jugendliche von einer erziehungsberechtigten Person begleitet werden müssen, braucht der Prozess mehr Platz und Zeit, es wurde ein eigener Teil mit grösseren Kabinen im Impfzentrum eingerichtet.

Impfungen in Schulen durchführen will Zürich nicht. Der Aufwand sei wegen der logistischen und medizinischen Vorgaben zu hoch, heisst es aus der Gesundheitsdirektion. Anders ist es im Aargau: Dort sei eine Impfung vor Ort denkbar, wenn nach den Sommerferien Massnahmen an der Oberstufe durchgeführt werden sollen, berichtet «Watson». Zudem könne man sich in Filialen von Migros und Coop impfen lassen. Auch im Wallis will man in Schulen selber impfen.



Urs Karrer fordert auch, dass in Schulen weiterhin Massnahmen wie regelmässiges Testen oder CO₂-Messungen umgesetzt werden sollen. Zudem dürfe die Wiedereinführung der Maskenpflicht kein Tabu sein, wenn es angezeigt sei. Die Maskenpflicht an Schulen wurde gerade erst aufgehoben, es gelten aber weiterhin Schutzkonzepte sowie Abstands- und Hygienemassnahmen.

«Wir beobachten und analysieren den Verlauf der Corona-Pandemie kontinuierlich, auch die Delta-Variante», teilt die Bildungsdirektion des Kantons Zürich mit. «Welche Schutzmassnahmen nach den Sommerferien für die Schulen gelten sollen, wird zeitnah und basierend auf der dann aktuellen Situation entschieden werden.»



Da nicht klar ist, wann eine Impfung von Kindern unter 12 Jahren möglich sein wird, setzt der Bundesrat bei Schulen weiterhin auf präventives Testen. Der Schulbetrieb soll ohne einschränkende Massnahmen weitergeführt werden können und Ausbrüche bei Kindern möglichst verhindert werden. In Ländern, in denen die Delta-Variante vorherrschend ist, werden überdurchschnittlich viele Ansteckungen in Schulen festgestellt.

Von der Impfung überzeugen

Nun beginne der harzige Teil der Impfkampagne, urteilt die «Neue Zürcher Zeitung». Man müsse die Unentschlossenen abholen und sich gleichzeitig gegen die Kampagnen von Impfskeptikern wehren, die Impfungen auch über Corona hinaus erschweren wollen.

Neben den niederschwelligen Angeboten wie dem Impfen in Bussen und Supermärkten oder Walk-in-Möglichkeiten setzen Bund und Kantone dabei auf Werbung. Das BAG setzt auf Prominente und reagiert sehr schnell auf neue Entwicklungen: Der Super-Nati-Fan Luca Loutenbach, der beim Spiel gegen Frankreich zu einem Meme wurde, stellt sich zur Verfügung, um die Jungen von der Impfung zu überzeugen.

Zudem redet Alain Berset auf seinem Instagram-Kanal unter dem Hashtag #Ichbingeimpft etwa mit Ex-Miss Christa Rigozzi oder dem Schweizer ESC-Teilnehmer Gjon's Tears.

Der Kanton Zürich hat bereits Mitte Mai eine Informationskampagne lanciert, um die Impfquote zu erhöhen. Diese Woche startete die zweite Welle, die im Online-Bereich schwergewichtig bei den jüngeren Personen ausgespielt wird. Unter der Überschrift «Schon geimpft für…?» werden weitere gute Gründe gezeigt, warum sich eine Impfung lohnt.

Mit der zweiten Welle seiner Kampagne will der Kanton Zürich vor allem Junge ansprechen.
Mit der zweiten Welle seiner Kampagne will der Kanton Zürich vor allem Junge ansprechen.
Gesundheitsdirektion Kanton Zürich

Angebot anpassen

Die Impf-Dynamik müsse aufrechterhalten und wo nötig neu entfacht werden, sagt derweil der oberste kantonale Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger im Interview mit der «SonntagsZeitung». Gerade Schüler*innen müssten angegangen werden, zudem müsse an Schulen weiterhin breit getestet werden.

Die Kantone würden ihr Impfangebot anpassen, um die Ungeimpften anzusprechen. Ausserdem brauche es gezielte Aktionen, um gewisse Bevölkerungsgruppen anzusprechen, zum Beispiel via Kulturvereine. Die Migrationsbevölkerung werde zudem mit WhatsApp-Sprachnachrichten direkt angesprochen.

Quote von 75 Prozent der Bevölkerung in weiter Ferne?

Einer Umfrage bei verschiedenen Kantonen zufolge dürfte kaum ein Kanton bis zum Herbst eine Impfquote von deutlich über 60 Prozent erreichen. Das vom Bund formulierte Impfziel von 75 Prozent der Bevölkerung sei damit in weite Ferne gerückt, eine Immunität von über 80 Prozent, mit der die erwartete vierte Welle im Herbst verhindert werden könnte, sei ausgeschlossen.

Im Kanton Zürich wurden in der Woche bis zum 27. Juni noch über 10’000 Personen pro Tag geimpft, in der darauffolgenden Woche aber weniger als 500, schreibt die «SonntagsZeitung». Zudem sei die Impfbereitschaft bei den Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren tief, schreibt die «NZZ am Sonntag». Bei den Gesundheitsbehörden der Kantone hätten sich bislang im Durchschnitt nicht einmal zehn Prozent für eine Impfung angemeldet.