Volle Intensivstationen Impfstatus aus medizinischer Sicht relevant bei Triage

SDA/uri

10.12.2021 - 17:29

Ärzte und Pflegekräfte betreuen einen Patienten in einer Intensivstation (Symbolbild).
Ärzte und Pflegekräfte betreuen einen Patienten in einer Intensivstation (Symbolbild).
Bild: Jens Büttner/dpa

Mit übervollen Intensivstationen ist auch die Triage in den Spitälern wieder zum Thema geworden. Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften fordert, dass der Impfstatus dabei keine Rolle spielen darf – wobei sich das aus medizinischer Perspektive nicht verhindern lässt. 

Aus Sicht der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) darf der Covid-19-Impfstatus kein explizites Kriterium sein bei der Frage, wer bei zu wenig Kapazitäten noch einen Platz auf der Intensivstation bekommt und wer nicht. Aus medizinischer Sicht spiele der Impfstatus allerdings sehr wohl eine Rolle.

Bekanntermassen hat jemand, der nicht gegen Covid-19 geimpft ist, das höhere Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs. Falls es in einem Spital zu einer Triage-Entscheidung kommt, werde dieses unter anderem anhand der kurzfristigen Überlebensprognose der Patientinnen und Patienten getroffen, schreibt die SAMW.



Dabei würde auch der erwartete Behandlungsaufwand und die Behandlungsdauer mit einbezogen. Ungeimpfte Covid-Kranke mit schwersten Verläufen haben gemäss SAMW unter diesem Aspekt daher schlechte Chancen auf eine intensivmedizinische Behandlung.

Die SAMW reagiert mit der Mitteilung auf einen offenen Brief von acht Krebs-Organisationen, die forderten, die Triage-Richtlinien zu überdenken. Krebspatientinnen und – Patienten hätten Angst, dass sie im Notfall oder bei einer planbaren, aber nötigen Operation bei einer Triage-Entscheidung aufgrund der «kurzfristigen Überlebensprognose» keinen Platz bekommen würden.

Das verneint die SAMW. Das Kriterium der kurzfristigen Überlebensprognose komme Krebspatienten im Triage-Fall in der Regel zu Gute. Wenn es bei ausserordentlicher Ressourcenknappheit so weit komme, dass eine schwerstkranke Person mit Krebs im Vergleich zu anderen IPS-Pflichtigen die schlechtere Überlebensprognose habe, erfolge eine Therapiezielumstellung auf palliative Behandlung.

Impfstatus kein Triage-Kriterium

Die SAMW weist zudem darauf hin, dass es auch eine Form von Triage sei, wenn planbare Eingriffe wegen der Überlastung in den Spitälern verschoben werden. Durch verschobene Eingriffe würden Behandlungen allenfalls aufwändiger und Heilungschancen kleiner.



Bei Ressourcenknappheit seien gemäss Richtlinien in erster Linie Behandlungen aufzuschieben, bei denen durch die zeitliche Verzögerung keine Verschlechterung der Prognose, keine irreversiblen Gesundheitsschädigungen oder kein vorzeitiger Tod zu erwarten seien.

Die Krebs-Organisationen forderten von der SAMW, zu prüfen, ob das Personal, wenn es zwischen zwei Patienten entscheiden muss, beispielsweise im Falle einer schweren Lungenentzündung, die Geimpften bevorzugt behandelt sollte. Die Organisationen gehen davon aus, dass dadurch auch die Impfbereitschaft erhöht würde.

Die SAMW lehnt dies entschieden ab. Zwar verstehe sie das Unverständnis gegenüber Ungeimpften, hielt sie fest. Es sei schwer auszuhalten, dass viele Menschen die Prävention vor einem schweren Krankheitsverlauf nicht nutzen und deshalb aufwändige Behandlungen und viele Ressourcen beanspruchten. Dennoch hält es die SAMW für ausgeschlossen, den Ungeimpften damit zu drohen, sie im Notfall nicht zu behandeln und sterben zu lassen.

Das Recht auf medizinische Versorgung sei ein Grundrecht. Dieses könne man nicht verlieren, auch nicht durch wissentlich riskantes Verhalten.



SDA/uri