Psychotherapeut zur Impf-Offensive«Ich befürchte, der Zug ist abgefahren»
Von Alex Rudolf
14.10.2021
Menschen von ihren Überzeugungen abzubringen, ist ein schwieriges Unterfangen. Ein Psychotherapeut erteilt dem Bundesrat Ratschläge in Sachen Impf-Offensive.
Von Alex Rudolf
14.10.2021, 06:45
14.10.2021, 08:32
Alex Rudolf
Der Bundesrat steht vor einer Mammutaufgabe. Denn will er die Schweiz sicher aus der Corona-Pandemie führen und alle Einschränkungen so rasch wie möglich aufheben, müssen sich laut dem Bundesrat noch eine Million Menschen impfen lassen.
Diese Zahl gab Gesundheitsminister Alain Berset (SP) am Mittwoch vor den Medien bekannt.
Dieses Unterfangen packt der Bundesrat mit einer Impf-Offensive an. Er will knapp 100 Millionen Franken für Massnahmen ausgeben, die die Menschen über das Impfen informieren und schliesslich auch dazu motivieren sollen.
Wie wirkungsvoll ist das? Ist es nicht wahnsinnig schwierig, Menschen von einer inneren Überzeugung abzubringen?
Felix Hof
«Ich befürchte, der Zug ist abgefahren», sagt Psychotherapeut Felix Hof zu blue News. Denn eine Meinungsänderung herbeizuführen, sei ein langwieriger Prozess, wie er erklärt. So habe er zahlreiche Klient*innen in seiner Zürcher Praxis, die sich ebenfalls nicht impfen lassen wollen.
Darunter habe es Impf-Gegner*innen, aber auch Impf-Skeptiker*innen und Verschwörungstheoretiker*innen. «Es sind keineswegs naive, uninformierte Menschen, sondern solche, die teils zahlreiche Fachartikel gelesen haben», hält er fest.
Mit sämtlichen Klient*innen spreche Hof eingehend über das Thema Impfschutz und die damit einhergehende gesellschaftliche Solidarität. «Teilweise erreiche ich die Menschen mit guten Argumenten», sagt er. Dennoch: «Bislang konnte ich noch niemanden zu einer Impfung bewegen.»
«Dass man jene Menschen überzeugen muss, die ohnehin schon skeptisch gegenüber Impfungen eingestellt sind, fällt der Regierung reichlich spät ein.»
Felix Hof
Psychotherapeut
Warum werden die heute beschlossenen Massnahmen aus Hofs Sicht nicht greifen? Er erklärt dies mit dem bisherigen Zickzack-Kurs der Landesregierung. «Die Bewerbung der Impfungen in der Schweiz ist das nackte Chaos und geprägt von Pannen», sagt er.
«Dass man jene Menschen überzeugen muss, die ohnehin schon skeptisch gegenüber Impfungen eingestellt sind, fällt der Regierung reichlich spät ein», sagt er. Die grosse Infrastruktur, die man nun für die Impf-Skeptiker*innen aufbauen will, hätte man schon längst erarbeiten können.
Nun brauche es Vertrauensbildung
«Jene Menschen, die sich jetzt noch nicht haben impfen lassen, werden von den Massnahmen des Bundes nicht erreicht, denn sie sind von diesem Thema schlicht übersättigt. Daher kann man sie nicht mehr erreichen.»
Das Problem sei, dass man den Überblick verloren habe und sich kein eigenes Bild mehr darüber machen kann, was gut ist für einen und was nicht, sagt Hof.
Was rät der Psychotherapeut der Landesregierung? «Was nun dringend notwendig ist, ist Vertrauensbildung. Diese erreicht der Bundesrat, indem er weniger kommuniziert und wenn er kommuniziert, dies weniger bedrohlich tut.»