Berset informiert«Von mir aus reicht es jetzt langsam»
aru/phi
13.10.2021
Nachdem die Kantone den 50-Franken Gutscheinen für Impf-Überzeuger schlechte Noten gaben, zieht der Bundesrat die Idee zurück. Stattdessen kommt eine Kampagne, damit sich noch eine Million Schweizer*innen impfen lassen.
aru/phi
13.10.2021, 15:24
13.10.2021, 16:49
aru/phi
Das hat der Bundesrat entschieden
An seiner heutigen Sitzung beschliesst der Bundesrat die Impf-Offensive, die knapp 100 Millionen Franken kostet.
Darin enthalten sind eine Impf-Woche vom 8. bis zum 14. November, zusätzliche Beratungs- und Impf-Stellen sowie individuelle Informationsangebote.
Vor einer Woche präsentierte der Bundesrat Vorschläge, mit denen die Impf-Quote in die Höhe getrieben werden soll. Eine der Ideen: Impf-Gutscheine im Wert von 50 Franken für Menschen, die andere zur Impfung motivieren.
Bei den Kantonen kam der Gutschein schlecht an, weshalb der Bundesrat darauf verzichtet.
Gesundheitsminister Alain Berset hat keine Erklärung für den Umstand, dass ein beträchtlicher Teil der Schweizer Bevölkerung impfkritisch eingestellt ist. Für den Bundesrat sei ein Impf-Obligatorium aber nie ein Thema gewesen. Berset erinnerte vor den Medien in Bern daran, dass der Aufhänger für das Referendum zum Epidemiengesetz im Jahr 2013 ebenfalls das Impfen gewesen sei.
Mit Blick auf die sehr hohe Impfquote in Portugal sagte er, die höhere Bereitschaft in diesem Land habe sich vielleicht aus den Erfahrungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der ehemals weitverbreiteten Kinderlähmung ergeben.
Auf eine weitere Frage, weshalb der Bundesrat von seinem einstigen Ziel abgerückt sei, wonach die Massnahmen aufgehoben würden, sobald alle, die sich impfen lassen wollten, dies gemacht hätten, sagte Berset, im Juni sei die ansteckendere Delta-Variante des Coronavirus noch kein Thema gewesen.
Eine Million Geimpfte fehlen
Der damals herrschende wissenschaftliche Konsens hinter den Aufhebungszielen sei dadurch überholt. «Die Situation ist heute eine völlig andere», so der Gesundheitsminister. Deshalb müsse man weiterhin versuchen, möglichst viele Menschen von einer Impfung zu überzeugen.
Laut Berset könnten die Corona-Massnahmen wohl aufgehoben werden, wenn sich noch rund eine Million Menschen in der Schweiz für eine Impfung entscheiden würden. «Dann wären wir auf einem ähnlichen Niveau wie einige Nachbarländer.» Mit jeder Impfung komme man dem Fernziel näher, die Pandemie zu kontrollieren, sagte er. Deshalb gelte es, den Zugang zur Impfung für alle so leicht wie möglich zu machen.
Verglichen mit den Spitzenzeiten Anfang Sommer liegt das Impftempo in der Schweiz laut Berset sechs Mal tiefer. «Die Zahlen stagnieren, wir impfen derzeit weniger als 10'000 Personen pro Tag.» Zwar sei die epidemiologische Situation aktuell «leicht ermutigend». Die Lage bleibe aber heikel, weil bald viele Personen aus den Herbstferien zurückkehrten und die kältere Jahreszeit beginne. «Wir müssen vorsichtig sein», sagte Berset.
Das Protokoll der Pressekonferenz
Liveticker
Neue Beiträge
Liveticker beendet
16.28 Uhr
Ende der Medienkonferenz
Wir danken an dieser Stelle – wie immer – für die geschätzte Aufmerksamkeit.
16:26 Uhr
Risiko für junge Männer?
Skandinavische Länder schränken die Impfungen bei jüngeren Männern ein, da es vermehrt zu Herzmuskel-Entzündungen komme. Ein Journalist will wissen, wie der Bundesrat die Lage beurteilt? WiePatrick Mathys sagt, dass dies relativ selten vorkomme. Solche Erkrankungen habe es auch in der Schweiz gegeben und das werde beobachtet, doch Herzbeutelerkrankungen kämen häufiger bei jenen vor, die sich nicht impfen und Covid bekommen, sagt der BAG-Experte.
16.22 Uhr
Wie viele sind geimpft?
Berset: «Die 71 Prozent betreffendie über 18-Jährigen. 60 Prozent sind es mit den unter 18-Jährigen. 65 Prozent der Gesamtbevölkerung sind gemipft.»
16:22 Uhr
Erweiterte Zertifikatspflicht wird neu beurteilt
«Ist die erweiterte Zertifikatspflicht angesichts der sinkenden Fallzahlen noch gerechtfertigt?» will eine Journalistin wissen. Berset hält dies für eine legitime Frage und stellt eine Neubeurteilung der Situation in Aussicht.
16.20 Uhr
Wie lange denn noch???
Berset: «Bei einem Marathon hat man einen Start und ein Ziel. Wir sind irgendwo beim Ende, aber es ist wie im Stadion, in dem man Runden dreht. Man weiss nicht, wann man ans Ziel kommt. Wir haben heute alles selber in der Hand. Ich denke, wir sind auf der Zielgerade, aber wo genau, weiss ich nicht. Von mir aus reicht es jetzt langsam.»
16:18 Uhr
Bundesrat reagiert auf aktuelle Ereignisse
Was wenn auch dieser Effort der Regierung keine Früchte trägt? Gibt der Bundesrat dann auf und akzeptiert, dass ein Teil der Schweizer*innen keine Impfung will? Berset erklärt, dass der Bundesrat auf die aktuellen Ereignisse reagiere. Für längerfristige Massnahmen, fehle die gesetzliche Grundlage. «Früher oder später wird jede Person in Kontakt mit dem Virus kommen.»
16.16 Uhr
Stichwort Statistik
Sollte man bei der Impfquote Nicht-Impfbare rausrechnen? Wer ist in den Zahlen enthalten? Warum sind die Genesenen nicht drin? Mathys verspricht, dass es demnächst Anpassungen bei den Statistiken geben werde, die dann auch ausgewiesen würden. Bei den Impfzielen seien die Genesenen bereits einberechnet.
16:15 Uhr
50 Millionen günstiger wegen Verzicht auf Gutscheine
Warum kostet die Impf-Offensive nur noch knapp 100 Millionen Franken, will ein Journalist wissen. Der Wegfall des Gutscheins erkläre die Senkung der Kosten um rund 50 Millionen Franken, so Berset.
16.12 Uhr
Nochmal Thema Lockerung
Ab dem Moment, an dem das Risiko einer Überlastung [der Spitäler] weg ist, können wir Massnahmen zurücknehmen», verdeutlicht Berset nochmal.
16:10 Uhr
Auf mehr Entgegenkommen gehofft?
Hätte der Bundesrat auf mehr Entgegenkommen von den Kantonen hinsichtlich der Impf-Gutscheine gehofft? Berset winkt ab: «Die Reaktionen der Kantone waren sehr ablehnend. Wollen sie eine Massnahme nicht umsetzen, verfolgt der Bundesrat diesen Ansatz auch nicht weiter.»
16.09 Uhr
Die Sache mit dem Gutschein
Ob sich Berset gewundert habe, dass sein Gutschein-Vorschlag «so kolossal gescheitert« sei? «Ein bisschen ja», sagt Berset. Aber die Lage verlange auch ungewöhnliche Ideen. Dann sagt er: «Es war keine Überraschung.»
16.07 Uhr
Wann könnte es weitere Lockerungen geben?
«Der Bundesrat hat die Massnahmen nicht an die Impfungen, sondern an die epidemiologische Lage geknüpft», meint Berset. Es gebe auch noch «viel Ungewissheit» – etwa wegen der Ferien oder weil sich wegen des Wetters mehr Leute Innenräumen aufhielten. Die Abstimmung im November zum Covid-Gesetz beeinflusse Lockerungen ebenfalls nicht.
16:05 Uhr
Sämtliche Altersklassen müssen mehr geimpft werden
«Wir merken, dass wir Fortschritte in sämtlichen Alterskategorien machen müssen.» So lautet Bersets Antwort auf die Frage, ob der Fokus der Impf-Offensive auf den 16 bis 25-Jährigen liege.
16.03 Uhr
Wer sind die Ungeimpften?
«Wir können keine einfachen Profile erstellen», sagt Berset. «Wir stellen fest, dass die Impffrage etwas sehr Persönliches ist. Das ist schwer greifbar.» Das einzige, was er sagen kann, sei, das mit dem Alter die Bereitschaft für den Schuss zunehme.
16:02 Uhr
Fast 100 Prozent der Ansteckungen durch Delta-Variante
Warum wich der Bundesrat von seiner Haltung ab, so viele Menschen wie möglich impfen zu wollen? Noch im Sommer war dies das Ziel. «Vor Juni war die Lage eine andere, weil die Delta-Variante noch nicht hier war,» erklärt Berset den Richtungswechsel: «Heute sind beinahe 100 Prozent der Ansteckungen in der Schweiz der Delta-Variante zuzuschreiben. Da müssen wir handeln.»
15.59 Uhr
Stichwort Fachkräftemangel
Kann der Bund auch Personal stellen? «Die Impfung liegt in der Verantwortung der Kantone», antwortet Berset. Deshalb könne es nicht sein, dass nun der Bund Fachkräfte aufstellt. Aber: «Es ist uns klar, dass das Personal die Herausforderung ist.» Es gebe 30'000 Ärzte und über 100’00 Pflegende: Da müsse es doch möglich sein, Leute für die Impfangebote zu finden, auch wenn es gewiss nicht einfach sei. «Es muss machbar sein.»
15:56 Uhr
Warum hat die Schweiz so viele Impf-Skeptiker?
Warum gibt es in der Schweiz so viele Impf-Skeptiker, will ein Journalist wissen. Berset erinnert sich an das Epidemien-Gesetz, über das die Schweiz 2013 abgestimmt hat. «Damals merkten wir, dass es in unserem Land unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gibt», so Berset. Das sei auch gut. Dem Bundesrat sei von Beginn weg bewusst gewesen, dass es in der Schweiz nie eine Impf-Pflicht geben werde. Eine mögliche Erklärung, warum Portugal eine derart hohe Impf-Quote aufweise, sei die Polio-Pandemie in den 1920er-Jahren, die mit Impfungen bekämpft werden konnte.
15.55 Uhr
Eine Million als Benchmark?
«Wenn uns das nicht gelingt, werden wir die Massnahmen weiterführen oder verschärfen», sagt Berset. Aber er wolle nicht sagen, dass eine Million neue Geimpfte das festgeschriebene Ziel seien. Der Bundesrat nehme die Zahlen zur Kenntnis und biete den Kantonen Hilfe an, um Probleme zu vermeiden – wie etwa ein Chaos in den Spitälern.
15:53 Uhr
Letzte Chance für die Schweiz?
Der Bundesrat bediene sich eines kriegerischen Vokabulars, stellt ein Journalist fest. Handelt es sich bei dieser Impf-Offensive um die letzte Chance? Berset verneint, betont aber auch den Ernst der Lage. «Man weiss heute sehr genau, was die Folgen der Impfung, aber auch was die Folgen der Krankheit ist. Wir sollten uns impfen lassen, um aus der Krise zu kommen», so Berset.
15.51 Uhr
Beginn der Fragerunde
Die Entwicklung der Pandemie im Oktober sei noch nicht absehbar, sagt Berset. Er verspricht weiter «grosses Engagement», betont aber auch: «Der Bundesrat kann diese Krise nicht beenden. Aber die Gemeinschaft kann sie beenden.»
15.48 Uhr
Stichwort Impfskepsis
«Es gibt in der Schweiz eine Impfskepsis, die es in Portugal nicht gibt», sagt Berset im Vergleich zum iberischen Land, das keine Beschränkungen mehr hat, wo aber auch 90 Prozent der Menschen geimpft seien. «Sie wissen es auch: Die Delta-Variante ist so ansteckend wie die Pocken. Die Pocken sind wir losgeworden – durch Impfung.»
15.45 Uhr
Drei Pfeiler
Drei Pfeiler sollen die Impfquote voranbringen: Eine Impf-Woche inklusive Aufklärungskampagne ist der erste Schritt. «Wir wollen mit Fakten überzeugen.» Das ganze soll auf Bundes-, Kantons- und Gemeinde-Ebene passieren. 15 Millionen Franken fliessen in diese Massnahme.
Ein zweiter Pfeiler sind neue, mobile Impfstellen, die lokale und «niedrigschwellige» Angebote machen sollen. In den Nachbarländern habe sich gezeigt, dass diese Massnahme wirke. Sie sei ein Angebot an die Kantone, betont Berset. Der dritte Pfeiler betrifft ganz allgemein die Punkte Aufklärung und Information.
15.41 Uhr
Eine Million Schweizer brauchen noch eine Impfung
«Wir haben im Juni 60'000 Menschen pro Tag geimpft. Jetzt sind es 10'000», klagt Berset. Bei den Über 65-Jährigen müssten 93 Prozent geimpft sein – hier fehlten noch 100'000 Menschen. In allen Altersgruppen müssten sich noch eine Million Schweizer impfen lassen.
15.39 Uhr
Impfquote erhöhen
Seit 600 Tagen stecke die Schweiz in der Corona-Krise – der Ausweg sind die Impfstoffe, weiss Berset. «Daher will der Bundesrat die Impfung unterstützen.» Im Vergleich zu den Nachbarn sei die Impfquote noch ausbaufähig: Dort liegen ihm zufolge die Quoten zwischen 10 und 20 Prozent höher. Das habe dort auch nur mit Massnahmen und «zum Teil sehr originellen» Anreizen geklappt.
15.37 Uhr
Zurück zur Pandemie
Berset nennt die aktuelle Lage «leicht ermutigend» im Vergleich zur Zeit vor sechs Wochen, aber auch «heikel». «Die Herbstferien beginnen nach und nach, und es wird kälter«, sagt er. Es gebe deutlich weniger Fälle als vor sechs Wochen. Da die Lage unsicher bleibe, habe der Bundesrat beschlossen, «vorwärts zu machen».
15.34 Uhr
Zur Bundesratsvisite in Luzern
Vorab wird Alain Berset nach dem heutigen Bundesratsausflug in Luzern befragt. «Es war ein schöner Moment, und es tut gut, dass solche Kontakte heute wieder möglich sind.» Und gab es auch Kritik? «Es gab auch Fragen, es gab auch kritische Fragen», so Berset. «Der Austausch war sehr offen und respektvoll.»
Keine 50 Franken-Gutscheine: Die Möglichkeit, Personen mit einem Gutschein zu belohnen, die jemanden von der Impfung überzeugen, wird nach der Konsultation fallen gelassen.
Allerdings noch nicht offiziell: Alain Berset redet gerade noch im Foyer in zwei TV-Kameras. Nun betritt er den Saal, in dem die Pressekonferenz stattfindet. Ueli Maurer lässt sich entschuldigen: Er tagt mit den anderen G20-Finanzministern gerade in Washington.