Halbleere Ränge bei Impfwoche-Konzerten «Dass es eine solche Boshaftigkeit gibt, hätte ich nie gedacht»

SDA/lmy

11.11.2021 - 10:36

Kein Piks nötig: Konzert für alle während Impfwoche

Kein Piks nötig: Konzert für alle während Impfwoche

Stress, Stefanie Heinzmann, Kunz, Dabu Fantastic – das Line-Up der Konzertreihe «Back on Tour» ist vielversprechend. Sie sind Teil der nationalen Impfwoche, die zum Ziel hat, möglichst viele Nichtgeimpfte vom Impfen zu überzeugen. Aus diesem Grund stand auch neben dem Konzertareal in Thun der Impfbus des Kantons Bern bereit. Dieser blieb aber die meiste Zeit leer. Eine kleine Umfrage unter den Konzertbesucherinnen und -besuchern hat gezeigt, dass diese bereits geimpft sind. Eine Konzertbesucherin ist sich sicher, dass jene, die sich nicht impfen lassen wollen, auch nicht mehr überzeugt werden können.

11.11.2021

Die «Back on Tour»-Konzerte im Rahmen der Nationalen Impfwoche haben zum Teil vor halbleeren Rängen stattfinden müssen. Grund dafür könnten Boykott-Aufrufe der Impfgegner sein.

SDA/lmy

Die 500 Tickets gingen alle weg, doch am Schluss fanden sich nur rund 100 Zuschauer am Impfwoche-Konzert in Sion ein. Dasselbe passierte am Tag zuvor in Lausanne, und auch am Montag in Thun waren es nur 300 bis 400 Zuschauer.

Zwar seien ihnen die Gründe für die geringe Zuschauerzahl nicht im Detail bekannt, schrieb der Projektleiter Impfoffensive, Michael Beer vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Doch sie könnten nicht ausschliessen, dass «massnahmenkritische Menschen die Tickets mit der Absicht, nicht aufzutauchen», reserviert hätten. Von solchen Aufrufen in den sozialen Medien und Messenger-Plattformen hätten sie nach dem Ticketvergabe-Start erfahren.



Bei Ticketcorner hiess es auf Anfrage, sie hätten sie zwar einige Dutzend doppelte Bestellungen stornieren müssen. Aber Indizien auf systematischen Betrug hätten sie keine gehabt.

Boykott-Aufrufe auf Telegram

Der Co-Präsident der Massnahmen-Gegner-Bewegung, Nicolas A. Rimoldi, verneinte auf Anfrage, etwas mit einer Boykott-Aktion zu tun zu haben. Sie seien keine Impfgegner, sondern wehrten sich gegen einen Impfzwang. Er könne sich jedoch vorstellen, dass gewisse Personen in Besitz eines Tickets später realisiert hätten, dass sie solche, mit «massiver Steuergeldverschwendung» finanzierte Konzerte nicht unterstützen wollten.

In Telegram-Chats wird allerdings zum Boykott aufgerufen, wie Nau.ch berichtet. Man solle Tickets buchen, aber nicht ans Konzert gehen. Einige Mitglieder der Chats gäben an, dies bereits getan zu haben: «2 Menschen vor Impf-Geschwurbel gerettet», schreibt einer.

Auch Künstlerinnen enttäuscht

Die Künstler*innen der Impftour reagierten enttäuscht: Die Wallliser Sängerin Heinzmann zum Beispiel wählte am Mittwochabend deutliche Worte: «Dass es eine solche Boshaftigkeit gibt, eine Impfkampagne zu sabotieren, hätte ich nie gedacht. Das finde ich wahnsinnig schade», sagte sie gegenüber dem «Walliser Boten».

Stefanie Heinzmann in Lausanne: Die Walliser Sängerin zeigte sich enttäuscht über die mutmasslichen Boykott-Aufrufe.
Stefanie Heinzmann in Lausanne: Die Walliser Sängerin zeigte sich enttäuscht über die mutmasslichen Boykott-Aufrufe.
Keystone

Der Rapper Stress kritisierte im «Blick», dass diese Leute von Freiheitsentzug sprächen, gleichzeitig aber anderen die Freiheit wegnähmen. «Das ist lächerlich». Kurz vor den Festtagen gehe es doch auch darum, «seine Liebsten zu schützen. Darüber müsse man sich Gedanken machen «und einen Dialog führen, wie wir aus der Pandemie kommen».

Kein Problem mit leeren Rängen

Auch Dabu Bucher von Dabu Fantastic zeigte sich gegenüber dem «Blick» genervt, «dass sie uns hindern, die Menschen zu informieren.» Die Organisatoren wollten ein bisschen Normalität zu den Menschen bringen. «Dass das nun von anderen Menschen sabotiert wird, ist total schade». Er hoffe, dass zu den nächsten Konzerten alle Personen kommen könnten, die wollen.

Doch Bucher und Stress haben keine Angst, heute in St. Gallen und morgen in Luzern vor leeren Rängen zu spielen. «Wir haben offensichtlich ein Problem in der Schweiz und müssen reagieren», sagt Stress. Er sei aus voller Überzeugung dabei und habe kein Problem damit, vor leeren Rängen zu spielen.

Wie Oliver Rosa von Organisator Gadget Entertainment «Zentralplus» sagt, prüft man Massnahmen, um dies in Luzern zu verhindern. An den Gratistickets will man aber festhalten, um den Zugang zu den Konzerten möglichst inklusiv und niederschwellig zu halten.