«Gut gemeint, aber nicht umsetzbar» Skigebiete wehren sich massiv gegen Bersets Schutzkonzept

tafu

2.12.2020

Skifahren in Corona-Zeiten: Ein Thema, das zu Streit in den Alpenländern führt.
Skifahren in Corona-Zeiten: Ein Thema, das zu Streit in den Alpenländern führt.
Bild: Keystone / Gian Ehrenzeller

Um auch während der Pandemie die Skigebiete öffnen zu können, hat der Bundesrat Vorschläge für Beschränkungen unterbreitet. Bei den  Bergbahnen stossen diese allerdings auf heftigen Widerstand. 

Skiferien in Corona-Zeiten – nach den Wünschen mehrerer Länder sollen die in diesem Winter ausfallen, zu gross sei die Gefahr, dass man sich in Menschenansammlungen, beispielsweise beim Anstehen am Lift, anstecken könnte.

Dabei wird der Druck aus dem Ausland grösser. Während Gesundheitsminister Alain Berset in der Schweiz eine komplette Absage der Skisaison zu verhindern versucht, scheint der Streit zwischen den anderen Ländern hinsichtlich der richtigen Strategie zu eskalieren.

Die Regierungen von Deutschland, Italien und Frankreich haben bereits eine länderübergreifende Schliessung der Skigebiete gefordert. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte hatte vorgeschlagen, Skigebiete mindestens bis zum 10. Januar zu schliessen und einen Streit unter den Alpenländern ausgelöst. Angela Merkel wollte prüfen, ob man alle Skigebiete Europas schliessen könnte. Das werde zwar nicht einfach, so die deutsche Bundeskanzlerin, man werde es aber versuchen. Damit behält sie recht: Mehrere Länder signalisieren bereits Widerstand gegen eine komplette Schliessung.

Widerstand gegen Schutzkonzept

Für die Schweiz war am Montag ein ein Schutzkonzept von Berset bekanntgeworden, das eine Schliessung der Skigebiete verhindern sollte. Doch die reagieren alles andere als erfreut über die Ideen des Bundesrats und weisen die geplanten Beschränkungen vehement zurück, berichtet blick.ch.

So sei Bersets Vorschlag, die Anzahl der Gäste auf höchstens zwei Drittel des bestbesuchten Tages der vorangehenden Wintersaison zu begrenzen beziehungsweise eine Begrenzung der Gästezahl auf höchstens 80 Prozent des Durchschnitts der Weihnachtsfeiertage in den letzten fünf Jahren, schlicht nicht machbar.

«Wir haben jeweils erst am Abend eine Auswertung der Gästezahl im Gebiet, eine Prozentreduktion ist nicht durchführbar», erklärt Matthias In-Albon, Direktor der Bergbahnen Destination Gstaad BE gegenüber blick.ch. Die Gäste könnten nicht in Echtzeit erfasst werden, auch Mehrtageskarten- und Saisonabonnements-Besitzern könne man den Zutritt nicht verwehren.

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Man habe bereits – unabhängig von der Pandemie – für Spitzentage eine eigene Gästebeschränkung eingeführt. Der Tageskartenverkauf wurde auf 5000 pro Tag beschränkt. Aus Erfahrung wisse man, dass sich erst ab 5000 Tagesbesuchern Warteschlangen bildeten. Ausserdem werde es nur an einzelnen Toptagen wie dem 27. Dezember oder dem 2. Januar wirklich eng. Laut In-Albon seien die Vorschläge von Berset zwar «gut gemeint, aber bei unseren Bergbahnen und Systemen nicht umsetzbar».

Skigebiete treffen eigene Massnahmen

Unabhängig von den Vorschlägen des Bundesrats hatten bereits einige Skigebiete eigene Massnahmen zur Corona-Prävention eingeführt. Man setzt auf Onlineverkauf von Skipässen, Reservationen für die Bergrestaurants und längere Laufzeiten der Bergbahnen.

Und auch im Saastal VS nimmt man die Vorschläge mit Verwunderung auf. Es sei kaum machbar, in kürzester Zeit eine Reservationsplattform zu entwickeln, um die Besucherzahl geordnet reduzieren zu können. Man habe aber bereits selbst Vorkehrungen getroffen und ein Security-Team im Einsatz, das an den Talstationen Menschenansammlungen verhindern soll.

Auch bei den Titlis-Bergbahnen habe man bereits freiwillig die Kapazität für die Gondeln um ein Viertel gesenkt. Bei weiteren Einschränkungen sehe man die Profitabilität des Betriebs stark gefährdet. Vor allem aber sollte man Regelungen nicht nur für Bergbahnen, sondern auch für den öffentlichen Verkehr treffen, so Urs Egli von den Titlis-Bergbahnen. «Das Coronavirus erkennt nicht, ob es in einem Zug oder einer Bergbahn ist.»



Von einer «wirtschaftlichen Katastrophe» spricht gar Stefan Kern von der Destination Swiss Alps in Andermatt UR, sollten die Vorschläge umgesetzt werden und die Bahnkapazitäten beschränkt werden müssen. Zwar wäre die Reduktion der Gäste auf zwei Drittel gerade noch akzeptabel, da man die Gästezahl am Berg technisch jederzeit eruieren könne, allerdings sei das nutzlos, wenn der Grossteil der Menschen im Tal anstünde. Für die Pendelbahn Andermatt-Gemsstock habe man daher ein Reservationssystem eingeführt. Besucher könnten über eine App jederzeit sehen, wenn ihr im Voraus gebuchter Platz in der Gondel frei werde. So könnten auch Menschenansammlungen im Tal verhindert werden.

Offene Pisten auch bei den Nachbarn

In Österreich will man den Weg der kompletten Schliessung ebenfalls nicht mitgehen. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger zeigte nach Berichten des Bayerischen Rundfunks Unverständnis über die Forderungen aus Deutschland und Italien. Man wolle sich von keinem Land vorschreiben lassen, wann was zu öffnen sei. «Wir würden ja auch nie den Vorschlag liefern, dass man in Deutschland beispielsweise die Schulen schliessen soll oder Friseurbetriebe.»

Österreich sei das perfekte Skifahrerland. «Viele wünschen sich einen Tapetenwechsel, wollen mal wieder rauskommen aus der Stadt, wollen sich erholen, wollen Sport machen», so Köstinger weiter. Die Skipisten in ihrem Land seien sicher. Man habe umfangreiche Sicherheitskonzepte ausgearbeitet. Köstinger betonte ausserdem gegenüber dem RND, dass die Skipisten selbst nicht das Problem seien. «Denn das Coronavirus holt man sich nicht auf der Piste, sondern beim Feiern danach.»

Die Skisaison wird aufgrund des Lockdowns in Österreich wohl frühestens Mitte Dezember starten. Skilifte dürften dann zwar öffnen, Hotels und Gastronomie bleiben allerdings bis mindestens 6. Januar geschlossen. Für die Skiferien nach Österreich zu reisen, steht somit nicht zur Debatte.

Hinzu kommt, dass die Regierung von Kanzler Sebastian Kurz eine zehntägige Quarantänepflicht für alle Einreisenden aus Corona-Risikogebieten angekündigt hat. Zu diesen Risikogebieten zählen de facto alle Nachbarstaaten, auch die Schweiz. Diese Quarantänepflicht gelte ab «kurz vor Weihnachten».



In Deutschland wird es 2020 wohl keine offenen Skipisten geben. Sowohl die Bayerische Zugspitzbahn als auch das Skigebiet Garmisch-Classic werden den Skibetrieb 2020 nicht mehr aufnehmen. Im grössten Skigebiet Deutschlands, dem Feldberg im Schwarzwald, werde die Saison frühestens Mitte Dezember starten, Liftkarten werde es dann nur online geben, allenfalls werde die Ticketzahl beschränkt, berichtet der ADAC. Wer aus Bayern ins benachbarte Österreich zum Skifahren reist, muss sich bei seiner Rückkehr in Isolation begeben – auch wenn es sich nur um einen Tagesausflug handelt.

Quarantäne für Rückkehrer in Frankreich

Frankreich hat sich für die komplette Schliessung der Lifte entschlossen, die Wintersportorte selbst bleiben allerdings geöffnet. Um die Bürger an Skiferien in Ländern, die ihre Skigebiete nicht schliessen, zu hindern, hat die Regierung nun erklärt, Rückkehrer für sieben Tage in Isolation zu schicken.

Staatspräsident Emmanuel Macron hatte am Dienstag angekündigt, er werde Massnahmen ergreifen, um die Bürger über die Weihnachts- und Neujahrstage an Skiferien im Ausland und namentlich in der Schweiz zu hindern.

Es wäre ihm lieber gewesen, wenn es eine gesamteuropäische Lösung für die Wintersportorte gegeben hätte. Frankreich, Italien und Deutschland hätten sich für eine Schliessung ausgesprochen, die Schweiz und Spanien nicht, hielt Macron fest. Das sei das gute Recht der beiden Länder. Er werde seine Mitbürgerinnen und Mitbürger aber davor schützen, sich im Ausland anzustecken. Letztlich gelte es, auch eine Gleichbehandlung mit den geschlossenen französischen Winterdestinationen sicherzustellen, sagte Macron.

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