«Lesben beim Fussballspielen zuschauen» Funiciello und Rosenwasser bedienen altes Klischee

Stefan Michel

9.1.2025

Dürfen lesbische Aktivistinnen ein Klischee bedienen, das ihre Gegner in die Welt gesetzt haben? Für den Fussballverband und die Lesbenorganisation ist die Antwort klar. (Symbolbild).
Dürfen lesbische Aktivistinnen ein Klischee bedienen, das ihre Gegner in die Welt gesetzt haben? Für den Fussballverband und die Lesbenorganisation ist die Antwort klar. (Symbolbild).
Keystone

Anna Rosenwasser und Tamara Funiciello witzeln, dass sie an der Fussball-EM «Lesben beim Fussballspielen zuschauen» werden. Ein altes Klischee, auf das Fussballverband und Lesbenorganisation nicht eingehen wollen. 

Stefan Michel

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  • Anna Rosenwasser und Tamara Funiciello – beide Nationalrätinnen, Feministinnen und Queer-Aktivistinnen – bedienen das Klischee, dass Fussballspielerinnen oft lesbisch seien.
  • Konkret geben beide bei einem Podiumsgespräch bekannt, an der Frauen-EM im kommenden Sommer in der Schweiz Lesben beim Spielen zuschauen zu wollen.
  • Der Schweizer Fussballverband und die Lesbenorganisation der Schweiz finden unisono, solche Aussagen seien gar kein Thema, über das diskutiert werden müsse.

Anna Rosenwasser und Tamara Funiciello dürfen mit Fug als bekannteste Feministinnen und Queer-Aktivistinnen der Schweiz bezeichnet werden. Beide sind sie zudem Nationalrätinnen, und als solche blicken sie im Podiumsgespräch «Feministischer Sessionsrückblick» auf vergangene Parlamentssitzungen zurück.

Der Rückblick im Oktober hat Staub aufgewirbelt: Die Moderatorin will wissen, ob auch Rosenwasser und Funiciello Tickets für die anstehende Fussball-Europameisterschaften der Frauen in der Schweiz gekauft hätten.

Ein Thema, das die beiden Frauenrechtlerinnen sichtlich amüsiert. Anna Rosenwasser eröffnet kichernd, dass sie sich nicht für Fussball interessiere – «ich interessiere mich eigentlich nur für Lesben, die Sport machen.» Zumindest ein Teil des im Video nicht sichtbaren Publikums lacht mit.

Auch ihre Partei- und Parlamentskollegin Tamara Funiciello bedient das Klischee, wonach Fussballspielerinnen lesbisch seien. «Ich bin ein bisschen eskaliert und habe 35 Tickets gekauft», bringt sie vor einem Lachanfall noch heraus. «Ich werde einen Monat lang nichts anderes tun, als Lesben beim Fussballspielen zuschauen.»

Uraltes, ursprünglich homophobes Klischee

Das Bild der kickenden Lesbe ist so alt wie der Frauenfussball und macht immer wieder Schlagzeilen – etwa als der FC Wettswil-Bonstetten im Kanton Zürich sein Frauen-Team auflöste, mit einer Begründung, die auch mehr als 30 Jahre später noch zu reden gibt: «Der Verein wird ausgenützt für das Ausleben von ‹abnormalen Veranlagungen› (lesbisch).»

Auf die sexuelle Orientierung von Sportlerinnen hinzuweisen, hat bereits etwas Diskriminierendes. Im Fall FC Wettswil-Bonstetten stand zweifelsfrei Homophobie hinter der Massnahme. Tatsächlich ist Homosexualität im Frauen-Fussball sichtbarer als im Spiel der Männer.

Einzelne Athletinnen nutzen ihre Bekanntheit auch, um für die Rechte lesbischer Menschen einzutreten, etwa die Kapitänin des amerikanischen Weltmeisterinnen-Teams, Megan Rapinoe. Der «Blick» hat das Podiumsgespräch zwischen Rosenwasser und Funiciello aufgegriffen. In Fussballkreisen sollen die Äusserungen einige verstimmt haben, schreibt die Zeitung, ohne aber Spielerinnen namentlich zu zitieren.

Fussballverband und Lesbenorganisation bleiben cool

Der Schweizerische Fussballverband will gar nicht erst auf die Aussagen eingehen. Der Kommunikationsdirektor Adrian Arnold schickt eine Standard-Stellungnahme mit dem Inhalt:

«Toleranz ist einer der unverhandelbaren Grundwerte des SFV. Entsprechend ist das bei uns überhaupt kein Thema. Wir respektieren jede Spielerin und jeden Spieler und begegnen diesen unabhängig von deren sexuellen, politischen und religiösen Orientierung.»

Kein Thema sind die Sprüche auch für die Lesbenorganisation Schweiz LOS – deren Geschäftsführerin 2017 bis 2020 Anna Rosenwasser war. Die aktuelle Co-Leiterin der LOS, Alessandra Widmer, fragt zurück: «Ist es denn schlecht, lesbisch zu sein?» Seit Langem werde versucht, den Frauenfussball damit zu diskreditieren. «Dabei ist es ein Vorwurf, der keiner ist.»

Es sei interessant, fährt Widmer fort, dass das Thema nun wieder hochkomme. Der subtile Vorwurf dahinter: Es sind die Medien, die die Aussagen zum Diskussionsthema machen, wonach die Frauen-EM einen Monat lang Lesben beim Fussballspielen zeige.


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