Fragen und Antworten Das musst du über die Hitzewelle in der Schweiz wissen

Von Oliver Kohlmaier

20.7.2022

«Ich bin entweder drinnen oder im Wasser»

«Ich bin entweder drinnen oder im Wasser»

Die Schweiz schwitzt bei Temperaturen weit über 30 Grad. blue News hat in Bern und Zürich Passanten gefragt, wie sie trotz Gluthitze kühlen Kopf bewahren.

19.07.2022

Wie in weiten Teilen Europas leiden auch die Menschen in der Schweiz an hohen Temperaturen. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur aktuellen Hitzewelle.

Von Oliver Kohlmaier

Die Schweiz schwitzt. Bei Temperaturen bis zu 38,1 Grad — gemessen am Dienstag in Genf — ist es kaum mehr möglich, sich abzukühlen, alltägliche Arbeiten werden zur Anstrengung, der Körper streikt.

Wie häufig sind Hitzewellen wie diese in der Schweiz — und was hat der Klimawandel damit zu tun? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist eigentlich eine Hitzewelle?

Eine einheitlich gültige Definition für eine Hitzewelle gibt es nicht. Im deutschsprachigen Raum wird darunter meist eine mehrtägige Phase mit Tageshöchsttemperaturen von mindestens 30 Grad verstanden.

«Allgemein gesagt ist eine Hitzewelle eine Zeitperiode von mehreren Tagen mit ungewöhnlich heissen Temperaturen», schreibt Thomas Frölicher, Klimaphysiker an der Uni Bern auf Anfrage von blue News. 

Für die Schweiz beantwortet diese Frage das Hitzewarnkonzept des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz). Wenn die mittlere Tagestemperatur an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen 25 Grad (Warnstufe 3) oder 27 Grad (Warnstufe 4) übersteigt, wird es gefährlich für die Gesundheit. 

Aber auch bei Warnstufe 2, also einer mittleren Tagestemperatur von 25 Grad an ein oder zwei Tagen, kann es bereits zu Kreislaufbeschwerden oder Unwohlsein kommen. Derzeit gilt in weiten Teilen der Schweiz die Warnstufe 3.

«Mit der Tagesmitteltemperatur wird auch die Temperatur in der Nacht berücksichtigt», erklärt Frölicher. Die sei besonders relevant für die menschliche Gesundheit.

Warum ist es in der Schweiz derzeit so heiss?

Die aktuelle Hitzwelle entsteht wie so häufig in mitteleuropäischen Sommern. Heisse Luftmassen geraten unter Einfluss eines Hochdruckgebiets, das viel Sonnenschein bringt.

Verantwortlich für die aktuelle Hitzewelle ist das Hoch «Jürgen», das West- und Südeuropa schon länger plagt, für extreme Temperaturen sowie verheerende Waldbrände sorgt. «Jürgen» wandert nun allmählich von Westen nach Osten.

Auch andere Faktoren spielen jedoch eine Rolle für hohe Temperaturen. Denn die werden etwa auch von der Vegetation, der Bebauung oder der Bodenfeuchte beeinflusst. Nach einem zu warmen Frühling sind in der Schweiz die Böden vielerorts zu trocken, was hohe Temperaturen begünstigt.

Es ist wieder Hitzewelle in der Schweiz.  
Es ist wieder Hitzewelle in der Schweiz.  
KEYSTONE/Anthony Anex (Symbolbild)

Wie häufig sind solche Hitzewellen in der Schweiz?

Nach einem weitgehend verregneten Sommer 2021 wird die Schweiz in diesem Jahr bereits von der zweiten Hitzewelle heimgesucht, zuvor gab es einen warmen und trockenen Frühling. 

Phasen besonders heisser Tage sind für diese Jahreszeit grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. So gab es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hierzulande bereits mehrfach längere Hitzewellen mit höheren Durchschnittstemperaturen als jetzt. Und auch vor dem systematischen Erfassen sind im Schweizer Raum historische Hitzeperioden belegt, etwa 1540.

Die Daten jedoch sprechen eine eindeutige Sprache: Hitzewellen treten bereits jetzt häufiger auf, sie halten länger an und erreichen immer höhere Temperaturen. Laut der Weltwetterorganisation (WMO) wurden die sieben heissesten Jahre global alle seit 2015 verzeichnet.

Die Schweiz ist hier natürlich keine Ausnahme — im Gegenteil.  Klimaforscher Frölicher zufolge hatte es etwa in Zürich während der Referenzperiode von 1981 bis 2010 im Schnitt fünf Hitzetage mit Höchsttemperaturen von über 30 Grad — pro Jahr. In diesem Jahr sind es bis einschliesslich 18. Juli bereits acht.

Die erste Julihälfte war laut MeteoNews insgesamt «deutlich» zu warm. Verglichen werden die Daten bereits  mit der «neuen Normperiode» von 1991 bis 2020. Hier sind die wärmsten Jahre in der Schweiz bereits enthalten.

MeteoSchweiz zufolge ist es in jeder Dekade seit 1971 hierzulande wärmer geworden. Die sechs wärmsten Jahre der Schweiz seit Messbeginn 1964 wurden allesamt innert des vergangenen Jahrzehnts registriert.

Wann der Schweizer Rekordwert von 41,5 Grad, gemessen bei Grono in Graubünden im August 2003, übertroffen wird, ist somit wohl nur noch eine Frage der Zeit. Der Höchstwert wurde übrigens an einem felsigen Südhang registriert, die Messstation befindet sich heute woanders. Unter den «heutigen Bedingungen» wäre eine Temperatur von 40,5 Grad erreicht worden, schreibt MeteoSchweiz.

Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Extreme Hitze ist die augenfälligste Folge des Klimawandels. Die Forschung lässt keine Zweifel aufkommen: «Aufgrund des menschengemachten Klimawandels werden auch Hitzewellen häufiger, intensiver und länger andauern», schreibt Frölicher. Dabei steigen die Höchsttemperaturen «erheblich stärker» als die Durchschnittstemperaturen.

Lange Zeit hatte die Klimaforschung nur begrenzte Möglichkeiten, einzelne  Extremwetterereignisse wie etwa Hitzewellen als direkte Folge des menschengemachten Klimawandels nachzuweisen. Diese Zeiten jedoch sind mit der sogenannten Attributionsforschung längst vorbei. Thomas Frölicher erklärt: «Dieser relativ junge Forschungszweig hat in den letzten Jahren deutlich gezeigt, dass heutzutage keine Hitzewelle stattfindet, die nicht aufgrund des menschengemachten Klimawandels heisser ist, als es ohne Klimawandel der Fall wäre.»

So wären etwa im vergangenen Jahr die extremen Temperaturen im Westen Nordamerikas ohne den Klimawandel «praktisch unmöglich» gewesen, heisst es in einer Studie. Im Juni 2021 stieg das Quecksilber auf 49,6 Grad im westkanadischen Lytton, der Ort wurde von einer nachfolgenden Feuerwalze zerstört. Der landesweite Rekord wurde damit auf einen Schlag um 4,6 Grad überschritten. Höchstwerte werden seit Beginn systematischer Wetteraufzeichnungen üblicherweise in Zehntelgrad-Schritten übertroffen.

Auch die Hitzewelle 2019 in Westeuropa, die Temperaturrekorde reihenweise purzeln liess, ist von der Attributionsforschung gut untersucht. So kommt eine Studie eines internationalen Forscherteams zu dem Ergebnis, dass die Hitzewelle ohne den menschengemachten Klimawandel 1,5 bis 3 Grad niedriger ausgefallen wäre.

Für die aktuelle Hitzewelle in Europa liegen Frölicher zufolge noch keine Attributionsstudien vor. Es sei jedoch «klar, dass auch die jetzige Hitzewelle heisser ist aufgrund des Klimawandels.»

Wie extrem die künftigen Hitzewellen ausfallen werden, hinge in erster Linie davon ab, ob die Emissionen der Menschheit gesenkt werden können. Sollten diese ungebremst ansteigen, wären gegen Ende des Jahrhunderts die heissesten Tage im Jahr um 4 bis 8,5 Grad wärmer, verglichen mit dem Zeitraum zwischen 1981 und 2010:

«Hitzewellen mit Temperaturen von 40 Grad wären da keine Seltenheit mehr.»

Kein Hitzefrei auf Schweizer Baustellen

Kein Hitzefrei auf Schweizer Baustellen

Im Gegensatz zu anderen Ländern – beispielsweise Österreich – kennt die Schweizer Baubranche kein «Hitzefrei». Gerade in diesen Tagen, auf dem Höhepunkt der Hitzewelle, ist die Belastung für die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter gross. Genügend zu trinken, Schattenplätze und mehr Pausen: dies die Taktik gegen die Bruthitze.

18.07.2022

Welche Folgen hat die Hitze und wie kann sich die Schweiz anpassen?

Hitzewellen in der Schweiz werden also zunehmen, sie werden heisser und halten länger an. Dabei verursachen sie bereits jetzt verheerende Schäden. «Hitzewellen können zu einer ernstzunehmenden Gefahr werden, sowohl für die Gesundheit des Menschen als auch für die Infrastruktur und die gesamte Biosphäre», schreibt Frölicher. Aber auch die Umwelt, Forst- und Landwirtschaft litten erheblich unter anhaltender Trockenheit, die sehr oft mit einer langen Hitzeperiode einhergehen.

Die Schweiz wird sich somit anpassen müssen.

Von hohen Temperaturen besonders betroffen sind dabei die Städte. «Hitzewellen verstärken den sogenannten Wärmeinseleffekt, der dazu führt, dass die Hitzebelastung in den Städten im Vergleich zum Umland deutlich erhöht ist.»

Frölicher zufolge gibt es verschiedene Massnahmen, um sich anzupassen, etwa der Schutz von Risikopersonen, Massnahmen bei der baulichen Infrastruktur und der Raumplanung.

Wie schütze ich mich am besten vor der Hitze?

Wie gefährlich extreme Temperaturen sein können, zeigt allein der Blick auf den Hitzesommer 2003. Laut Zahlen des Bundes wurde für diesen Zeitraum eine Übersterblichkeit von 6,9 Prozent registriert, 975 Todesfälle wurden hierzulande verzeichnet. 

Um sich bestmöglich vor der Hitze zu schützen, empfiehlt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) «drei goldene Regeln»: Zum einen gilt es, körperliche Anstrengung zweitgehend zu vermeiden, vor allem zur heissesten Tageszeit. Wichtig sei es zudem, die Hitze fernzuhalten und den Körper zu kühlen, etwa durch leichte Kleidung, nächtliches Lüften oder kaltes Duschen. Ausserdem sollte der Körper mit reichlich Flüssigkeit versorgt und eher leicht gegessen werden.