Rezepte gegen die Gluthitze «Je früher eine Welle auftritt, desto grösser sind die Auswirkungen»

Von Uz Rieger

20.6.2022

Hitzewelle: Natur-Phänomen, Dürre und viel Schweiss

Hitzewelle: Natur-Phänomen, Dürre und viel Schweiss

Die Hitzewelle hatte Westeuropa über das Wochenende fest im Griff.

20.06.2022

Hitzerekorde und Tropennächte bereits im Juni: Viele Schweizer*innen leiden unter den hohen Temperaturen. Warum die frühe Hitze gefährlich ist und ob man sich dagegen wappnen kann, sagt eine Expertin. 

Von Uz Rieger

Der Rekord galt seit dem Jahr 1947 – die aktuelle Hitzewelle hat ihn eingeholt: In Beznau AG wurde am Sonntag mit 36,9 Grad die bislang höchste in der Schweiz gemessene Temperatur in einem Juni egalisiert. Auch in anderen Orten der Schweiz wurden lokale Rekorde gebrochen. 

Mit dem Klimawandel wird man sich künftig häufiger auf extreme Temperaturen einstellen müssen. Was das bedeutet, erklärt Martina Ragettli, sie ist Expertin am Schweizerisches Tropen- und Public-Health-Institut und forscht unter anderem zum Einfluss von Hitzewellen auf die Gesundheit. 

Wie gefährlich ist die derzeitige Hitzewelle?

Martina Ragettli: Hohe Temperaturen sind eine Belastung für die Gesundheit. Hitze kann Erschöpfung und Hitzschlag auslösen sowie bestehende Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-, Atemwegs-, Nieren- oder psychische Erkrankungen verschlimmern.

Wir beobachten häufig, dass je früher im Sommer eine Hitzewelle auftritt, diese auch grössere Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung hat. Denn gerade in der warmen Jahreszeit findet etwa der Adaptionsprozess für die heisseren Tage statt, sodass die Bevölkerung mit hohen Temperaturen zu Ende des Sommers besser zurechtkommen kann.

Muss wegen des Klimawandels auch in der Schweiz mit einer Zunahme von Hitzetoten rechnen?

Mit dem Klimawandel werden nicht nur die Hitzewellen häufiger, sondern auch intensiver. Modellrechnungen gehen davon aus, dass in den kommenden Jahrzehnten mit einem Anstieg der hitzebedingten Sterblichkeit zu rechnen ist. Derzeit ist aber noch nicht genau abzuschätzen, wie gut wir uns an diese Entwicklung anpassen und welche Massnahmen wir treffen werden. 

Wie kann man sich auf eine Hitzewelle vorbereiten?

Wichtig ist, das Verhalten während heissen Tagen anzupassen. Dazu gibt es die drei goldenen Regeln für Hitzetage vom BAG

1. Körperliche Anstrengungen vermeiden
2. Hitze fernhalten und den Körper kühlen
3. Viel trinken und leicht essen

Kann man sich überhaupt aktiv an Hitze gewöhnen?

Der menschliche Körper kann sich kurz- und langfristig an höhere Temperaturen anpassen. Eine langfristige Anpassung über Generationen ist aber nur an höhere Durchschnittstemperaturen möglich. Hitzewellen und Hitzetage werden immer ein Risiko für die Gesundheit sein.

Was kann der Staat tun, damit die Schweiz für künftige Hitzewellen gewappnet ist?

Wir können mit verschiedenen Massnahmen die Auswirkungen von Hitze auf die Gesundheit verringern. Dazu braucht es ein Zusammenspiel von verschiedenen Massnahmen:

1. Unser Verhalten während heissen Tagen anpassen. Dazu ist es wichtig, die Bevölkerung und das Gesundheitspersonal für die Risiken von Hitze zu sensibilisieren.
2. Wir brauchen auch spezielle Massnahmen während Hitzewellen, vor allem zum Schutz der Risikobevölkerung. Dazu gehören vor allem ältere Menschen und Personen mit chronischen Krankheiten.
3. Sehr wichtig sind auch Massnahmen bei der baulichen Infrastruktur und Raumplanung: Stadtplanerische und architektonische Massnahmen können helfen, die Hitzebelastung zu reduzieren (Dazu gehören etwa die Isolation von Gebäuden, gute Beschattung und ausreichend viele Grünräume und Begrünung).

Menschen kühlen sich am 18. Juni 2022 in einem Bassin an der Europaallee in Zürich ab. 
Menschen kühlen sich am 18. Juni 2022 in einem Bassin an der Europaallee in Zürich ab. 
Bild: Keystone

Wie wird sich das auf die Entwicklung der Städte auswirken?

Die Freiraumgestaltung und bauliche Massnahmen sind besonders in den Städten wichtig. In den Städten ist es oft wärmer als im Umland. Nachts ist dieser Unterschied besonders spürbar. Verantwortlich für diesen Wärmeinsel-Effekt sind die Strassen und Gebäude, die tagsüber viel Wärme speichern und in der Nacht eine starke Auskühlung verhindern. Mit beispielsweise Grün- und Freiflächen lassen sich Wärmeinseln in den Städten reduzieren.

Ist es künftig überhaupt möglich, in bestimmten Regionen wie Indien oder Pakistan zu leben?

Mit dem fortschreitenden Klimawandel und ohne greifenden Klimaschutz wird es zunehmend schwieriger, in bereits jetzt schon sehr heissen Regionen wie Indien, Australien oder Afrika ein würdevolles Leben zu führen. Gemäss Studien werden – falls die Erwärmung weiter fortschreitet und keine greifenden Klimaschutz-Massnahmen getroffen werden  – die Regionen, die im Durchschnitt mehr als 29 Grad erreichen, zunehmen.