Auch die Migros klagtDie Rettung der Credit Suisse könnte deutlich teurer werden
Stefan Michel
21.4.2023
Die Rettung der CS stösst auf juristischen Widerstand. Zwei Sammelklagen richten sich gegen die Abschreibung von Anleihen. Zweifel gibt es auch an der Rechtmässigkeit der 9-Milliarden-Garantie des Bundes.
Stefan Michel
21.04.2023, 15:35
21.04.2023, 16:05
Stefan Michel
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Zwei Sammelklagen greifen die Übernahme der CS durch die UBS juristisch an.
Die Kläger wehren sich dagegen, dass ihre Anleihen auf null abgeschrieben werden und sie ihr ganzes investiertes Geld verlieren.
Auch die Pensionskasse der Migros hat sich einer Sammelklage angeschlossen.
Ein Experte schätzt die Erfolgschancen als gering ein.
Für die 9-Milliarden-Garantie des Bundes zugunsten der UBS gibt es keine schriftliche Übereinkunft. Einzelne sehen diese deshalb als nicht rechtsgültig an.
Die notfallmässige Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat Anleger*innen Milliarden gekostet. Besonders jene, die sogenannte AT1-Anleihen gezeichnet haben, verlieren ihr ganzes darin investiertes Geld.
Diese AT1-Bonds hat der Bundesrat im Rahmen der CS-Rettung auf null abschreiben lassen. 16 Milliarden Franken haben sich auf diesem Weg in Luft aufgelöst.
Die Finanzpresse ist sich einig, dass das die Hierarchie der Kapitalgeber auf den Kopf stelle. Üblich sei, dass zuerst die Aktionär*innen ihr Geld verlieren und erst dann die Obligationäre. Tatsächlich müssen zwar auch die Aktien-Inhaber*innen Verluste hinnehmen. Der Aktienkurs ist allein am Montagmorgen nach der Übernahme auf 40 Prozent des Werts gefallen, den die CS-Papiere am Freitagabend davor hatten.
Additional-Tier-1-Anleihen
KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI
Additional-Tier-1-Anleihen (AT1 Bonds) sind nach der Finanzkrise eingeführt worden. Sie werden als Fremdkapital gezeichnet, können aber ohne Zustimmung der Inhaber*innen in Eigenkapital der Bank umgewandelt werden. Dies geschieht im Fall eines Konkurses und ermöglicht, Verluste aufzufangen und nicht den Steuerzahlenden aufzubürden.
Aber immerhin gibt es die CS-Aktie noch und es besteht zumindest theoretisch die Chance, dass sie wieder an Wert gewinnt. Die AT1-Anleihen hingegen sind wertlos und werden bald aus der Bilanz der CS gestrichen, erklärt die Rating-Agentur Standard & Poor's dem SRF.
Sammelklagen in den USA und Singapur
Doch dagegen regt sich Widerstand. Die Pensionskasse der Migros hat der Abschreiber 100 Millionen Franken gekostet. Das will die Vorsorgeeinrichtung nicht hinnehmen und hat sich einer Sammelklage angeschlossen, wie der «Tages-Anzeiger» meldet.
Diese geht von der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan aus. Sie hat gemäss «Tages-Anzeiger» bislang Anleger*innen versammelt, die zusammen 4,5 Milliarden Franken an AT1-Bonds hielten.
Die «NZZ» hat die Klageschrift auszugsweise gelesen. Das zentrale Argument sei, dass der Bundesrat mit der auf Notrecht basierenden Abschreibung gegen Treu und Glauben verstossen habe. Für diesen Eingriff in die Eigentumsrechte der Anleger*innen sei Notrecht keine ausreichende Rechtsgrundlage. Die Klage richtet sich gegen die Finma. Für den Schaden geradestehen sollen der Bund und die CS.
Eine weitere Sammelklage ist in Singapur in Vorbereitung, wie die «Financial Times» als Erste berichtet hat. Mindestens 80 Investoren beteiligen sich daran. Sie beklagen einen Bruch des Freihandelsabkommens zwischen Singapur und den EFTA-Staaten, das dessen Unterzeichnende vor unfairer staatlicher Massnahmen schütze. Genau das sei im Fall der Abschreibung der AT1-Bonds der CS geschehen.
Erfolgschancen ungewiss
Was geschieht, wenn die Klagen erfolgreich sind? Die «NZZ» hält es für möglich, dass die AT1-Anleihen reaktiviert werden müssten. Die Abschreibung wäre also rückgängig gemacht und die Papiere hätten wieder einen Wert. Eine andere Möglichkeit wäre eine Entschädigung der AT1-Anleger*innen. In jedem Fall würde es den Bund und die Eigentümerschaft der CS Geld kosten.
Standard & Poors's schätzt die Chancen der Klagen als gering ein. Anders sieht das offenbar die Bank Goldman Sachs. Diese kauft gemäss SRF AT1-Bonds der CS auf und hofft, dank Klagen später damit Geld verdienen zu können.
9-Milliarden-Garantie per Handschlag
Der CS-Deal hat noch eine andere Schwachstelle: Für die 9-Milliarden-Staatsgarantie zugunsten der UBS fehlt ein von beiden Seiten unterschriebenes Dokument. Das haben Recherchen von SRF ergeben.
Das Eidgenössische Finanzdepartement EFD stellt sich auf den Standpunkt, dass eine mündliche Abmachung genüge, da die Garantie Teil des 100-Milliarden-Gesamtpakets der Nationalbank sei, für das die nötigen Unterschriften vorliegen.
Für den Berner SP-Ständerat Hans Stöckli ist es entscheidend, welche Vereinbarungen im Zusammenhang mit der CS-Rettung rechtsgültig getroffen wurden, bevor der Nationalrat am 12. April die Notfallkredite abgelehnt hat. Also auch, ob die 9-Milliarden-Garantie formal gültig ist.
Der konkrete Übernahme-Vertrag zwischen dem Bund und der UBS wird erst in den kommenden Monaten ausgehandelt.
Bundesrätin Katrin Keller-Sutter bekräftigte immer wieder, dass an der Übernahme nicht mehr zu rütteln sei. Die Rechtsverfahren könnten aber deren Preis für die Steuerzahlenden und allenfalls die Aktionäre in die Höhe treiben.