Erstes Wisent-Baby seit 1000 Jahren «Der Stier zeigt immer wieder Interesse an den Kühen»

aru

7.7.2023

Kann sich der Wisent in Solothurn nach 1000 Jahren wieder durchsetzen? Ein Experiment soll das zeigen. 
Kann sich der Wisent in Solothurn nach 1000 Jahren wieder durchsetzen? Ein Experiment soll das zeigen. 
Bild: Oliver Berg/dpa

Nach 1000 Jahren kam das erste Wisent-Kalb in der Schweiz zur Welt. Der Projektverantwortliche Otto Holzgang erklärt, wie das geklappt hat und wie das Tier wieder in freier Wildbahn leben soll.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach über 1000 Jahren kam jüngst wieder ein Wisent in der Schweiz auf die Welt.
  • Das grösste Landsäugetier in Europa soll wieder frei leben können.
  • Projektleiter Otto Holzgang erklärt im Interview, warum es das braucht und wie er dieses Ziel erreichen will.

Herr Holzgang, warum braucht es in der Schweiz wieder in Freiheit lebende Wisent?

Otto Holzgang: Das Wisent ist das grösste Landsäugetier in Europa, das bis vor rund 1000 Jahren auch in der Schweiz vorkam. Nach dem Ersten Weltkrieg stand es kurz vor dem Aussterben und ist noch heute eine gefährdete Tierart. Heute kommt es vorwiegend noch im Osten vor. Die Schweiz als reiches und politisch stabiles Land kann hier einen Beitrag dazu leisten, dieses Tier nicht aussterben zu lassen.

Was bedeutet die erste Geburt eines Wisent-Kalbs in der Schweiz seit 1000 Jahren?

Es ist eine tolle Geschichte, denn es zeigt, dass wir bei uns im Gehege fruchtbare Tiere haben. Nun wollen wir unsere Herde langsam anwachsen lassen. Das neue Kalb wurde im Gehege gezeugt und geboren. Wir haben noch zwei andere Kühe, bei denen wir nicht sicher sind, ob sie trächtig sind oder nicht. Es ist möglich, dass wir noch weiteren Nachwuchs erwarten. Der Stier zeigt immer wieder Interesse an den Wisent-Kühen.

Zum Projekt

Auf der Sollmatt in Welschenrohr SO leben seit November 2022 Wisente in einem 50 Hektaren grossen Gehege, das frei betreten werden kann. Ziel des Projektes ist es, mit einer Wisent-Testherde zu untersuchen, ob der im Mittelalter ausgerottete Wisent heute als Wildtier im Jura tragbar ist.

Wie gingen Sie vor?

Wir übernahmen eine Wisent-Herde des Wildnisparks Zürich Langenberg, wo die drei weiblichen Tiere herkommen und ein Stier vom Tierpark Bruderhaus in Winterthur. Während mehrerer Monate wurde hier die neue Herde gebildet. Seit September leben diese Wildpark-Tiere bei uns und wir hoffen nun mit dem neuen Kalb, dass sie wilder und menschenscheuer werden.

Befürchten Sie nun viele Besucher*innen?

Ja, auch wenn wir Freude an Besuchenden haben, können zu viele die Herde stören. Leider sind nicht alle Menschen vernünftig und nähern sich der Herde zu sehr. Wenn man mit ausgestrecktem Arm ein Tier ganz mit dem Daumen abdecken kann, dann hat man ausreichend Distanz zum Tier. Das ist eine Faustregel, die wir den Besuchenden mitteilen wollen. Besonders jetzt ist dies extrem wichtig.

Warum?

Wisent-Kühe wollen ihre Kälber verteidigen, auch wenn sie sonst sehr sanftmütige Tiere sind, können sie hierbei aggressiv werden.

Wie geht es in den kommenden Jahren weiter?

Wir arbeiten ganz klar auf eine Auswilderung der Tiere hin. Dies tun wir in einem zehnjährigen Versuch. In der allerersten Phase, in der wir derzeit stecken, lebt die Herde in einem 50 Hektaren grossen Gehege. Dieses vergrössern wir im kommenden Jahr auf 100 Hektaren. Es kommt also noch mehr Wald als Lebensraum dazu. In dieser Zeit machen wir viele Untersuchungen. Wir wollen wissen, welchen Einfluss die Wisent-Herde auf die Landwirtschaft, den Wald, aber auch auf andere Wildtiere hat. Nicht zuletzt wollen wir mit dem Projekt auch der Bevölkerung die Möglichkeit geben, das Wisent kennenzulernen. Denn nur wenn es akzeptiert wird, kann es wieder angesiedelt werden in der Schweiz.