Experte über Sanktionen«Der Kreml verfügt noch immer über prall gefüllte Konten»
Von Jan-Niklas Jäger und Andreas Fischer
19.6.2023
G7 nehmen Russlands Einnahmequellen ins Visier
Weil Russlands Präsident Wladimir Putin auch mehr als ein Jahr nach dem Überfall auf die Ukraine nicht einlenkt, wollen die G7 die Sanktionen verstärken und vor allem Sanktionsumgehungen verhindern.
20.05.2023
Die Schweiz tut sich mit Sanktionen gegen Russland weiterhin schwer, bemängeln Kritiker. Doch was bringen sie überhaupt? Sanktionsexperte Christian von Soest ordnet ein.
Von Jan-Niklas Jäger und Andreas Fischer
19.06.2023, 06:00
19.06.2023, 06:34
Von Jan-Niklas Jäger und Andreas Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der Ständerat lehnt eine Taskforce zu russischen Oligarchen-Geldern ab.
Westliche Partner sind verstimmt über die Schweizer Haltung.
Sanktionsexperte Christian von Soest erklärt, was die Schweizer Sanktionen überhaupt gebracht haben.
«Die Wirksamkeit von Sanktionen», erklärt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf seiner Homepage, «hängt schliesslich stark davon ab, ob sie lückenlos umgesetzt werden.» Diese Feststellung ist insofern bemerkenswert, als dass besagte Sanktionen gegen russische Oligarchen in der Schweiz nur halbherzig umgesetzt werden. So zumindest tönen wiederholt kritische Stimmen aus den USA und der EU.
Der Vorwurf: In der Schweiz sei nur die Spitze des Eisbergs an russischem Vermögen eingefroren worden, und zwar nur das, was die Banken selbst melden. Der Ständerat hat die Einrichtung einer Taskforce, die solche Gelder aktiv aufspüren und dann sperren soll, erst am 14. Juni abgelehnt.
Haben die wirtschaftlichen Sanktionen der Schweizer bisher überhaupt etwas gebracht? «Man kann die Wirkung der Schweiz-Sanktionen nicht isoliert betrachten von anderen», sagt Sanktionsexperte Christian von Soest vom deutschen Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) im Gespräch mit blue News.
«Man kann das Geld nicht einfach ausgeben»
Die Sanktionen einzelner Länder funktionieren nur «im Konzert mit anderen». An den Russland-Sanktionen beteiligen sich mehr als 30 Staaten, die EU, die USA und die G7. «Das sind teils grosse Volkswirtschaften», so von Soest.
Dass die Schweiz so wichtig ist, liege in der Bedeutung des Finanzplatzes und «weil sehr viel russisches Kapital in der Schweiz liegt». Seitdem sich Bern den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat, hat die Schweiz 7,5 Milliarden Franken an Oligarchen-Geldern eingefroren und ausserdem 7,4 Milliarden Auslandsreserven der russischen Zentralbank. Ein Bruchteil der 100 Milliarden Franken, die laut US-Botschafter hierzulande auf den Konten lägen.
Dass das Geld eingefroren statt konfisziert ist, mache einen Unterschied, sagt von Soest und verweist auf die Diskussion, ob man sanktioniertes russisches Vermögen oder zumindest die Zinsen für Reparationen und den Wiederaufbau in der Ukraine nutzen sollte. «Formal gehört das Geld dem russischen Staat beziehungsweise den Oligarchen: Man kann es nicht einfach verwenden.» Diesen Schritt müsse man genau abwägen.
«Formal gehört das Geld dem russischen Staat beziehungsweise den Oligarchen: Man kann das nicht einfach ausgeben.» Deswegen friert man es nur ein, bis die Sanktionen irgendwann vielleicht aufgehoben werden «oder es eine Entscheidung gibt, wie man mit dem Geld umgeht».
Taskforce wäre ein gutes Signal gewesen
Eine Taskforce, die gezielt nach russischen Vermögen sucht, das dann gesperrt wird, wurde vom Parlament abgelehnt. Hätte die Einrichtung einer solchen überhaupt einen Unterschied gemacht? «Die Vermögensfeststellung und auch das Einfrieren ist teilweise kriminalistische Arbeit», sagt von Soest. «Man muss sehr genau nachverfolgen, wie die Eigentumsverhältnisse sind und wo das Geld liegt.»
Für die forensische Arbeit und die Umsetzung der Sanktionen wäre eine Taskforce sehr wichtig gewesen, konstatiert der Sanktionsexperte. Ausserdem wäre «eine Taskforce ein Zeichen, dass man die Umsetzung der Sanktionen und allfällige Umgehungstatbestände systematisch angehen will».
Oligarchen profitieren von Putins System
Auch wenn in der Schweiz weniger russisches Vermögen eingefroren wurde, als sich das die Partner wünschen: Das Geld fehlt Russland in der Kriegsfinanzierung. Aber machen die Beträge auch einen grossen Unterschied für Putin?
«Wir müssen zwei Arten von Geldern unterscheiden», sagt von Soest. «Einmal die Auslandsdevisen, die von der russischen Zentralbank in Franken gehalten werden und im Ausland liegen.» Auf dieses Geld kann Russland im Moment nicht zugreifen, weil es eingefroren ist. «Insofern trägt die Schweiz mit dazu bei, dass der russische Staat den Angriffskrieg weniger gut finanzieren kann.»
Anders sei es bei den «Vermögen der sogenannten Oligarchen. Dabei ist es schwieriger, eine direkte Verbindung zur Kriegsfinanzierung zu ziehen. Trotzdem kann es sinnvoll sein, auch diese Mittel festzusetzen. Aber es sind eben anderer Gelder».
Zudem, fügt von Soest an, habe Russland weiterhin beträchtliche Einnahmen aus Öl- und Gas-Verkäufen. «Der Kreml verfügt noch über prall gefüllte Konten, auf die er zugreifen kann.»
Eine Verschärfung der Finanzsanktionen von Schweizer Seite würde den finanziellen Spielraum des Kreml weiter einschränken, sagt von Soest. Wobei man sie nicht isoliert betrachten dürfe: «Sie wirken im Zusammenspiel mit politischer, militärischer und wirtschaftlicher Unterstützung der Ukraine zum Beispiel für den Wiederaufbau.»
Auch wenn die Schweiz in militärischen Dingen zurückhaltend ist: Christian von Soest sieht es zumindest als «ein starkes Zeichen, dass sich die neutrale Schweiz an den Sanktionen gegen Russland beteiligt».
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