Rahmenabkommen Schweiz–EU Der Bundesrat sortiert sich ein letztes Mal vor dem Finale

Von Tobias Bühlmann

16.4.2021

Da hatten die damaligen Amtskollegen noch zu lächeln: Guy Parmelin traf Ursula von der Leyen schon einmal – 2017 waren beide Verteidigungsminister und nahmen an einem Treffen mit ihrem österreichischen Kollegen in Berlin teil. Das nächste Treffen in Brüssel dürfte sich schwieriger gestalten.
Da hatten die damaligen Amtskollegen noch zu lächeln: Guy Parmelin traf Ursula von der Leyen schon einmal – 2017 waren beide Verteidigungsminister und nahmen an einem Treffen mit ihrem österreichischen Kollegen in Berlin teil. Das nächste Treffen in Brüssel dürfte sich schwieriger gestalten.
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«Zum Heulen», ein drohender «Super-GAU» – hört man sich in Bundesbern zum Rahmenabkommen mit der EU um, fallen harte Worte. Nun hat der Bundesrat die Gelegenheit, das verfahrene Thema endlich voranzubringen.

Von Tobias Bühlmann

16.4.2021

Das Thema ging am Mittwoch beinahe unter neben dem Rummel um die Lockerung der Corona-Massnahmen: Sehr bald reist eine Vertretung des Bundesrats, sehr wahrscheinlich Bundespräsident Guy Parmelin, nach Brüssel zu einem Treffen mit der EU-Spitze. Ziel: Endlich den gordischen Knoten zu lösen beim Institutionelle Rahmenabkommen (InstA) zwischen der Schweiz und der EU.

Vor dem Treffen wolle der Bundesrat in einer Sitzung noch einmal seine Haltung klären, berichtet der «Tages-Anzeiger» – die Zusammenkunft sei aber geheim. Der Bundesrat wollte bisher weder Datum noch Teilnehmende oder ein Vorbereitungs-Treffen bestätigen. Findet die Sitzung tatsächlich so statt, wird der Bundesrat gut daran tun, nichts nach aussen dringen zu lassen. Alles andere dürfte seiner Verhandlungsposition nur schaden.

«Ich erwarte nun, dass der Bundesrat am Montag eine konsolidierte Haltung zum Thema findet und dann in Brüssel mit einer Stimme spricht», sagt Elisabeth Schneider-Schneiter mit Blick auf den Artikel. Die basellandschaftliche Nationalrätin sitzt für die Mitte-Fraktion in der Aussenpolitischen Kommission (APK), die für das Dossier auf Ratsseite verantwortlich ist. Von einem Treffen des Bundesrats zum Thema hat aber auch sie nichts gehört.

«Es war zum Heulen, was man vom Bundesrat zum künftigen Verhältnis mit der EU und der Weiterführung der Bilateralen Verträge gehört hat.»

Bisher habe Bundesbern kein gutes Bild abgegeben beim Rahmenabkommen. «Es war zum Heulen, was man vom Bundesrat zum künftigen Verhältnis mit der EU und der Weiterführung der Bilateralen Verträge gehört hat in den letzten Jahren», so Schneider-Schneiter. Schliesslich sei die EU die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin der Schweiz. Sie frage sich darum, wo der Wille bleibe, alternative Lösungen zu suchen.

«Ich bin erstaunt, dass es da noch eine weitere Sitzung braucht», sagt Roland Rino Büchel zu dem Artikel. «Die Erwartungen sind klar, die muss man nicht wiederholen», findet der St. Galler Nationalrat, der für die SVP in der APK sitzt. Er will, dass der Bundesrat in Brüssel nichts unterschreibt, sondern allenfalls mit Vorschlägen zurückkommt, die er dann dem Parlament unterbreitet. Jetzt brauche es Standfestigkeit, keiner dürfe sich übertölpeln lassen.

Der SVP sind vor allem zwei Punkte ein Dorn im Auge: Die Frage nach der Gerichtsbarkeit und die dynamische Rechtsübernahme, mit der die Schweiz geänderte EU-Gesetze künftig quasi automatisch übernehmen müsste. Büchel hofft, dass der Bundespräsident mit Vorschlägen zurückkommt, wie man mit diesen Themen umgehen solle. Erreiche man nichts, lasse man das Rahmenabkommen halt fallen. Es ist kein Geheimnis, dass seine Partei diesem Schritt viel abgewinnen könnte.

«Wenn der Bundesrat nicht unterzeichnet, wäre das ein aussenpolitischer Super-GAU.»

Für Christa Markwalder von der FDP führt dagegen kein Weg am InstA vorbei. «Wenn der Bundesrat nicht unterzeichnet, wäre das ein aussenpolitischer Super-GAU für die Schweiz und ein innenpolitisches Armutszeugnis», sagt die Berner Nationalrätin. «Ich finde, der Vertrag ist gut ausgehandelt und man konnte viele Interessen der Schweiz einbringen.»

Die Landesregierung müsse sich nun gut überlegen, was er in die Waagschale werfen könnte, um das Abkommen zu retten. «Die EU hat schon lange die Bereitschaft signalisiert, diese offenen Punkte zu klären. Für mich wäre es unverständlich, wenn der Bundesrat das Rahmenabkommen scheitern lässt, wenn uns die EU nicht in allen strittigen Punkten entgegenkommt.» Schliesslich habe auch der Brexit gezeigt, dass die EU nicht von ihren Kernprinzipien abweicht. Wolle die Schweiz am Binnenmarkt teilhaben, müsse man also zu gewissen Zugeständnissen bereit sein.

«Wir brauchen ein Rahmenabkommen mit ausreichendem Lohnschutz.»

Zu Zugeständnissen nur bedingt bereit ist Fabian Molina, der für die Sozialdemokraten in der APK Einsitz nimmt. «Wir brauchen ein Rahmenabkommen mit ausreichendem Lohnschutz», nimmt er Bezug auf einen der drei strittigen Punkte in dem Vertragsentwurf. Auf die Unionsbürger-Richtlinie könnte seine Partei hingegen verzichten, wenn das dazu diene, dem Abkommen in der Schweiz zum Durchbruch zu verhelfen. Ob die EU zu diesem Schritt auch bereit wäre, ist aber fraglich.

Molina betont, der Bundesrat müsse sich vor dem Treffen nun noch einmal genau anschauen, was die neue Chef-Unterhändlerin Livia Leu seit dem Herbst erreicht hat in den Gesprächen mit Brüssel. Auch er erinnert daran, dass die EU der mit Abstand wichtigste Partner der Schweiz ist.

Sowohl Molina als auch Schneider-Schneiter sagen, dass die APK nichts gehört habe zu allfälligen Erfolgen in den Verhandlungen mit der EU. Die Nationalrätin der Mitte-Fraktion erwartet aber nicht, dass sich noch viel bewegt hat: «Wenn man erwartet, dass Livia Leu in wenigen Monaten das korrigieren kann, was in den letzten sieben Jahren verbockt wurde, dann ist das naiv.»

Mit was für Problemen Leu in Brüssel zu kämpfen hat, zeigt ein Bericht von SRF: Der Sender zitiert aus einem vertraulichen Bericht der EU-Kommission. Darin steht, dass die Schweiz das ausgehandelte Rahmenabkommen gar nicht in Kraft setzen wolle.

Chef-Unterhändlerin Leu habe in Gesprächen mit der EU keine eigenen Lösungsvorschläge formuliert für die strittigen Punkte. Stattdessen habe sie von der EU erwartet, dass sie Vorschläge mache – und diese anschliessend unbeantwortet gelassen. Vom geplanten Treffen erhoffe sich die EU nun Klarheit, was die Schweiz denn tatsächlich wolle. Die Schweiz müsse sich nun bewegen. Einen Plan B zum Rahmenabkommen gebe es nicht.