Ein Toter und zahlreiche Verletzte nach Tornado
Am Montag zog ein Tornado über die Region La-Chaux-de-Fonds. Er hinterliess eine Schneise der Zerstörung.
24.07.2023
Das heftige Unwetter in La Chaux-de-Fonds kurz vor dem Mittag hat ein Todesopfer gefordert. Viele Menschen wurden verletzt. Ein Meteorologe erklärt, wie der mutmassliche Tornado entstehen konnte.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Ein Tornado mit bis zu 217 km/h forderte in La Chaux-de-Fonds im Kanton Neuenburg mindestens ein Todesopfer.
- Laut Meteorologe Michael Eichmann seien Tornados bislang sehr selten in der Schweiz.
- Durch häufigere Extremwetterlagen steigt aber in Zukunft das Potenzial für Tornados.
Nach dem schweren Unwetter in La Chaux-de-Fonds am Mittag ist noch unklar, wie dieses meteorologisch einzuordnen ist. War es wirklich ein Tornado? «Das ist durchaus möglich, aber noch nicht ganz gesichert», sagt Michael EIchmann, Meteorologe beim Wetterdienst MeteoNews, auf Nachfrage von blue News. «Was wir sicher wissen, ist, dass die Messstation in La Chaux-de-Fonds eine Windspitze von 217,4 km/h registriert hat.»
Vergleichbare Windgeschwindigkeiten in dieser Höhenlage seien in der Schweiz bislang nicht aufgezeichnet worden. Der Schweizer Windrekord liege bei 268 km/h: Diese Böe sei allerdings in exponierter Lage auf dem Grossen St. Bernhard gemessen worden.
Falls es kein Tornado war, der in La Chaux-de-Fonds mindestens ein Todesopfer und mehrere Verletzte forderte, sei es wahrscheinlich ein «starker Downburst gewesen: also ein Fallwind im Vorfeld einer Gewitterzelle. Dabei stürzt die Kaltluft hinunter und bringt kleinräumig sehr starke Böen mit.» Von der Wetterlage her sei aber durchaus möglich, dass es sich um einen Tornado handelte, so Eichmann.
Video zeigt Ausmass der Zerstörung in La Chaux-de-Fonds
Zahlreiche Menschen wurden nach einem Unwetter im Kanton Neuenburg verletzt, die Sachschäden sind beträchtlich. Eine Person verlor ihr Leben, als wegen des Unwetters ein Baukran auf einer Baustelle im Bahnhofquartier umstürzte, wie die Kantonspolizei in einer Mitteilung schreibt.
«Es gab schon stärkere Tornados in der Schweiz»
«Tornados sind relativ selten in der Schweiz», erklärt der Meteorologe Entwarnung. Schwache Tornados kämen alle zwei oder drei Jahre einmal vor. Tornados werden nach Windstärken in der Fujita-Skala eingestuft. Oftmals würden Tornados in der Schweiz am unteren Rand dieser Skala gemessen und erreichten die Stufen F0 und F1.
Das Ereignis in La Chaux-de-Fonds würde mit 217 km/h Windgeschwindigkeit die Stufe F2 erreichen – also ein etwas stärkerer Tornado sein. Der letzte Tornado in dieser Stärke wurde laut Eichmann 2004 im Kanton Fribourg aufgezeichnet, in Villargiroud. «Es gab in der Historie allerdings auch schon stärkere Tornados in der Schweiz: etwa einen Tornado der zweithöchsten Stufe F4, der 1971 ebenfalls in der Westschweiz registriert wurde.»
Laut Eichmann sei der Jura die Schweizer Region, die am ehesten von Tornados betroffen sind. Grund dafür sei die Topografie. «Eine der Zutaten für einen Tornado ist die Windscherung: Das heisst, dass man in unterschiedlichen Höhen der Atmosphäre unterschiedlich starke Winde mit unterschiedlichen Windrichtungen hat. Das führt zunächst einmal zu Superzellen, die in der Folge dann Tornados produzieren können.»
Der Jura ist für Tornados ideal
Durch die Topografie würden sich vom Westen kommende Schauer und Gewitter verstärken, erklärt Eichmann, der von «perfekten Bedingungen» spricht, damit sich die Windscherung ausbilden kann. Im Mittelland wäre das schon wieder ganz anders, «weil man zwischen dem Jura und den Alpen eine kanalisierte Strömung hat».
Dass Tornados in den letzten Jahren, auch bedingt durch den Klimawandel, häufiger auftreten in der Schweiz, kann Eichmann nicht bestätigen. «Dazu, dass es eine starke Zunahme gibt, lassen sich aufgrund der Daten keine belastbaren Aussagen machen. Tornados sind Ereignisse, die relativ selten auftreten.» Allerdings würden sie heute besser dokumentiert als vor hundert Jahren.
Bei Tornados: Weg vom Fenster und Schuhe mitnehmen
Grundsätzlich könne man aber davon ausgehen, dass mit dem wärmeren Klima Superzellen häufiger vorkommen. «Dadurch steigt das Potenzial für Tornados tendenziell», sagt Eichmann. Allerdings seien Superzellen nur eine von mehreren Zutaten für einen Tornado, ergänzt der Meteorologe.
Am heutigen Nachmittag könne es durchaus sein, dass weitere starke Gewitterzellen insbesondere durch das Mittelland ziehen, sagt Eichmann. «Aber ich würde sagen: Man muss keine besondere Angst haben, dass noch einmal ein Tornado entsteht.»
Es helfe, einen Blick auf den Niederschlagsradar in der Wetterapp zu werfen, bevor man aus dem Haus geht. Und wenn es dann doch zu starken Windböen kommt, sollte man in geschlossenen Räumen Schutz suchen: «Wichtig ist, weg von Fenstern zu bleiben und unbedingt Schuhe mitzunehmen, damit man im schlimmsten Fall nicht durch Scherben laufen muss.»