Femizide, Ruhegehälter und mehr Das hat der Bundesrat heute beschlossen

SDA, smi

10.12.2021

So harmonisch wie auf dem Bundesratsfoto 2020 dürften die Magistrat*inne3n nicht zu ihren Entscheiden gefunden haben, die sie heute kommunizieren. 
So harmonisch wie auf dem Bundesratsfoto 2020 dürften die Magistrat*inne3n nicht zu ihren Entscheiden gefunden haben, die sie heute kommunizieren. 
Annette Boutellier/Yoshiko Kusano

Von E-Mobilen bis zum E-Voting und vom Sport-Doping bis zur Medienförderung – der Bundesrat gibt heute diverse Entscheide bekannt. Wir halten euch auf dem Laufenden. 

SDA, smi

Staatliche Infrastruktur bleibt geschlossener Markt

Der Bundesrat sieht keinen Anlass für eine gesetzliche Neuregelung des Zugangs zu sogenannten geschlossenen Märkten. Dies schreibt er in einem am Freitag verabschiedeten Bericht. Dabei geht es um Dienstleistungen, für die es eine Konzession oder einen Leistungsauftrag des Bundes braucht - beispielsweise den Betrieb eines Flughafens, eines Radio- oder TV-Senders oder des Stromverteilnetzes. Die Vergabe sei schon heute transparent und fair. Punktuell will der Bundesrat Anpassungen vornehmen. Mit dem Bericht erfüllte er ein Postulat von FDP-Nationalrat Andrea Caroni AR).

Ungleichstellung von Frau und Mann

Für den Bundesrat sind die meisten der Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern im Bundesrecht rechtlich zulässig. Ein Grossteil der Unterschiede sei gerechtfertigt, weil sie dem Schutz der Schwangerschaft und Mutterschaft dienten und deshalb mit dem Grundsatz der Gleichstellung von Frau und Mann vereinbar seien, teilte der Bundesrat mit. Gewisse ungerechtfertigten Unterschiede werden laut Bundesrat in naher Zukunft behoben. Darunter fallen etwa das ungleiche Rentenalter, die strafrechtliche Ausschliessung von Männern als Opfer bei Vergewaltigungen, die Witwen- und Witwerrente und die Militärdienstpflicht. Zu diesem Schluss kommt der Bundesrat in einem Bericht zur Erfüllung des Postulats von Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR).

Digitalisierung der Bundesvewaltung

Der Bundesrat schafft eine weitere wichtige Voraussetzung für die digitale Transformation der Bundesverwaltung. Er hat beim Bundesamt für Statistik (BFS) die Ausarbeitung einer neuen Verordnung zur Datenbearbeitung in Auftrag gegeben. Diese soll bis Ende 2022 vorliegen. Die einheitliche und verbindliche Bewirtschaftung der Daten soll insbesondere sogenannte Silos in der Datenhaltung aus der Welt schaffen. So könne der Austausch von Daten innerhalb der Verwaltung effizienter erfolgen, schreibt die Landesregierung. Mit der sogenannten Datengouvernanz werden verbindliche Leitplanken für die ganze Bundesverwaltung gesetzt. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sollten ihre Daten im Kontakt mit den Behörden möglichst nur einmal erfassen müssen und sie sollen Änderungen an einer einzigen Stelle vornehmen können.

Gesperrte Gelder aus der Ukraine

Rund siebzig Millionen Franken des früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch sowie von Personen aus seinem Umfeld in der Schweiz bleiben bis mindestens 2023 gesperrt. Dies hat der Bundesrat am entschieden. Es seien noch Entscheidungen ukrainischer Gerichte hängig, schrieb er zur Begründung. Janukowitsch war 2014 nach Massenprotesten gegen seinen Russland-freundlichen Kurs und für eine engere Anbindung an die EU ins Exil nach Russland geflohen. Die ukrainische Justiz wirft der damals gestürzten Regierung und der Familie des Ex-Präsidenten massive Korruption vor.

Langsamverkehr fördern

Der Bundesrat will den Langsamverkehr in Städten und grossen Siedlungen «höher priorisieren». In diesem Sinne schlägt er zahlreiche Massnahmen vor, so soll etwa die generelle Öffnung von Busstreifen für den Radverkehr geprüft werden. Das schreibt die Landesregierung in einem neuen Bericht. Dessen Kurzfazit: Es gibt viel Potenzial, den Langsamverkehr attraktiver zu gestalten. So könnten Verkehrsflächen künftig etwa «dynamisch geregelt» werden. Möglich wäre laut dem Bundesrat etwa, die Fahrstreifen je nach Tageszeit unterschiedlich verschiedenen Verkehrsmitteln zuzuteilen. Weiter strebt der Bundesrat «spezifische Parkierungsflächen für Leichtmotorfahrräder» an. Das Verkehrsdepartement Uvek soll nun die Vorschläge konkretisieren.

E-Mobile auf Velowegen

Auf Velowegen sollen künftig auch elektrische Kleinfahrzeuge bis 450 Kilogramm und 25 km/h mit zwei Bremsen sowie Cargo-Bikes fahren dürfen. Das geht aus einem Bericht hervor, den der Bundesrat am Freitag zur Kenntnis genommen hat. E-Bikes mit Tretunterstützung über 45 km/h müssen demnach auf der Strasse bleiben. Das Trottoir soll nach Ansicht des Bundesrats weiterhin den Fussgängerinnen und Fussgängern, Trottinett- sowie Rollschuhfahrenden und anderen Lenkenden von nicht elektrischen Geräten vorbehalten bleiben. Das Verkehrsdepartement Uvek wird nun gestützt auf diese Grundsätze die Vorschläge konkretisieren und eine Revision des Strassenverkehrsrechts erarbeiten.

Sport-Doping als Strafdelikt

Sportler, die sich selber dopen, müssen sich vielleicht künftig strafrechtlich verantworten. Der Bundesrat hat dem Verteidigungsdepartement VBS den Auftrag erteilt, die Strafbarkeit des Selbstdopings im Wettkampfsport bis Ende 2023 vertieft zu prüfen und entsprechend Antrag zu stellen. Zudem erhöht die Landesregierung den Bundesbeitrag für die Stiftung Antidoping Schweiz bis 2024 schrittweise um insgesamt 720'000 Franken auf 3,45 Millionen Franken pro Jahr. Der Bund übernimmt wie bis anhin sechzig Prozent der Aufwendungen von Antidoping Schweiz. Der Aufwand wird grösser wegen neuer Vorgaben der Weltantidoping-Agentur (Wada). Diese verteuern die Kontroll- und Präventionstätigkeit um rund 1,2 Millionen Franken.

Prävention von Femiziden

Der Bundesrat sieht Handlungsbedarf bei Tötungsdelikten an Frauen innerhalb der Partnerschaft und will entsprechende Präventionsmassnahmen ergreifen. Das schreibt er in einem Postulatsbericht zu den Ursachen und Massnahmen von Tötungsdelikten an Frauen im häuslichen Umfeld. Die Anzahl Tötungsdelikte sei in der Schweiz zwar gering, 40 Prozent davon passierten jedoch innerhalb der Partnerschaft. Der Bundesrat schlägt deshalb unter anderem vor, den missbräuchlichen Gebrauch von Waffen weiter zu vermindern und Fachpersonen im Gesundheitswesen auf die häusliche Gewalt zu sensibilisieren.

Ruhegehalt von Magistratspersonen

Nach Ansicht des Bundesrats könnten Magistratspersonen für das Alter nur ungenügend abgesichert werden, wenn sie neu in die Bundespensionskasse Publica einzahlen müssten. Dies hat er anlässlich der Verabschiedung eines Berichts zum Thema mitgeteilt. Die Amtsdauer sei zu kurz, um das benötigte Kapital anzusparen. Heute erhalten Mitglieder der Landesregierung, Bundesrichterinnen und -richter sowie Bundeskanzlerinnen und -kanzler statt einer Rente ein Ruhegehalt. Das Parlament hatte vom Bundesrat verlangt, Alternativen zum heutigen System zu prüfen.

Ausbau der Verbandsklage

Wenn mehrere Personen gleich oder gleichartig geschädigt worden sind, sollen sie ihr Recht gemeinsam durchsetzen können. Der Bundesrat hat seine Botschaft zu einer entsprechenden Änderung der Zivilprozessordnung verabschiedet, wie die Regierung mitteilte. Demnach soll die bestehende Verbandsklage ausgebaut werden. Künftig soll es auch möglich sein, dass Ersatzansprüche geltend gemacht werden können. Bisher ist die Verbandsklage gemäss Mitteilung auf Persönlichkeitsverletzungen beschränkt. Neu sollen alle Rechtsverletzungen so eingeklagt werden können.

Medienförderung

Der Bund beteiligt sich nächstes Jahr weiterhin gleich stark an den Zustellkosten von abonnierten Zeitungen und Zeitschriften durch die Schweizerische Post wie 2021. Der Bundesrat hat die Ermässigung für die Tages- und Wochenzeitungen der Regional- und Lokalpresse auf 29 Rappen pro Exemplar und für die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse auf 18 Rappen festgesetzt. Dieser Entscheid sei unabhängig von der Ausweitung der Medienförderung, über welche die Bevölkerung im Februar abstimmt, hiess es.

E-Voting

Die Kantone sollen bald wieder Versuche mit E-Voting durchführen können. Der Bundesrat hat beschlossen, dass die dafür nötigen rechtlichen Grundlagen bis Mitte 2022 vorliegen sollen. Die Vernehmlassung habe gezeigt, dass die Kantone die Vorlage mit grosser Mehrheit begrüssten. Der Bund wird sie vorläufig bei der Umsetzung finanziell unterstützen. E-Voting-Versuche sollen auf maximal dreissig Prozent der Stimmberechtigten eines Kantons und schweizweit maximal zehn Prozent aller Stimmberechtigten limitiert werden. Die Digitalisierung der politischen Rechte soll laut dem Bundesrat über E-Voting hinaus im Dialog mit den Kantonen, der Wissenschaft und den betroffenen Organisationen weitergeführt werden.

Zivilschutz in der Pandemiebekämpfung

Der Bundesrat setzt zur Bewältigung der Pandemie wieder Angehörige des Zivilschutzes ein. Er hat ein drittes solches Aufgebot beschlossen, wie er mitteilte. Der Zivilschutz soll bis zum 31. März 2022 die Kantone namentlich bei der Kontaktverfolgung und der Impfkampagne unterstützen. Vorgesehen ist ein Kontingent von maximal 100'000 Diensttagen, der Bund rechnet mit Kosten von maximal 2,75 Millionen Franken. Hintergrund ist die Zunahme der Corona-Neuansteckungen und der Hospitalisationen im Zusammenhang mit Covid-19, wie die Landesregierung schrieb.

Tourismusförderung

Der Bundesrat will wegen der Pandemie vermehrt innovative Projekte im Bereich des Tourismus fördern. Er hat eine entsprechende Revision des Bundesgesetzes über die Förderung von Innovation, Zusammenarbeit und Wissensaufbau im Tourismus (Innotour) in die Vernehmlassung geschickt, wie er mitteilte. Vorgesehen ist, dass der Bund dazu für die Jahre 2023 bis 2026 zwanzig Millionen Franken mehr einsetzt - und der Bundesanteil von maximal fünfzig auf maximal siebzig Prozent erhöht wird. Die Vernehmlassung dauert bis am 24. März 2022. Die Massnahme ist Teil des Anfang September vorgestellten Programms für die Erholung des Tourismus.

Förderung des Kulturerbes

Das Winzerfest in Vevey VD, die Kunst des Trockenmauerbaus oder die Basler Fasnacht: Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz über die umgesetzten Massnahmen zur Anerkennung, Förderung und Bewahrung der lebendigen Traditionen in der Schweiz. Er hat den entsprechenden zweiten periodischen Bericht der Schweiz über die Umsetzung des Unesco-Übereinkommens zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes verabschiedet. Das Übereinkommen will lebendige Traditionen bewahren sowie dafür sensibilisieren. Die Schweiz hat sich mit der Ratifizierung verpflichtet, alle sechs Jahre einen Bericht über die Fortschritte der Umsetzung vorzulegen.

Steinabbau für Gleisschotter in Schutzgebieten

In einer Prognose, die der Bundesrat zur Kenntnis genommen hat, geht der Bund für den Zeitraum zwischen 2025 und 2035 von einem Bedarf von jährlich knapp 1,2 Millionen Tonnen Gleisschotter aus. Der Abbau des Rohstoffs Hartstein könnte gleichzeitig erschwert werden. Abbaustandorte überlagern sich gemäss dem Bericht in vielen Fällen mit Schutzgebieten oder sie liegen in Regionen von touristischer Bedeutung. Zudem führten beantragte Rohstoffabbauerweiterungsprojekte oftmals zu Widerständen aus der lokalen Bevölkerung. Damit könnte es sein, dass künftig vermehrt Hartstein importiert werden muss, schreiben die Studienautoren beispielsweise.

AHV-Nummer zur Identifikation von Grundeigentümern

Der Bundesrat setzt die neue Verordnung zum Grundbuch auf den 1. Januar 2023 in Kraft. Neu wird damit unter anderem geregelt, dass die Verwaltung neu die AHV-Nummer zur Identifikation von Personen verwendet, wie er mitteilte. Zudem wird der Bund Anfragen von Behörden entgegennehmen und an die zuständigen kantonalen Stellen weiterleiten. Aufgrund der Vernehmlassung präzisierte die Landesregierung die Bestimmungen zum Datenschutz. Unter anderem müssen Anfragen berechtigter Behörden protokolliert werden.