Einkaufstourismus Das Gezerre ums Einkaufswägeli der Schweizer ist eröffnet

Von Julia Käser

12.6.2020

Für 1,6 Milliarden Franken sollen Schweizerinnen und Schweizer in Lörrach, Waldshut und Konstanz geshoppt haben. 
Für 1,6 Milliarden Franken sollen Schweizerinnen und Schweizer in Lörrach, Waldshut und Konstanz geshoppt haben. 
Bild: Keystone

Am Montag öffnet die Schweiz die Grenzen zum Schengen-Raum. Der ersehnte Startschuss für Schweizer Einkaufstouristen? Während man im Ausland darauf hofft, wagt man bei Migros und Coop keine Prognose.

Wie geplant öffnet die Schweiz am Montag die Grenzen gegenüber den anderen Schengen-Staaten. Die Grenzkontrollen werden aufgehoben, es gilt die volle Personenfreizügigkeit. Freuen wird das unter anderem jene, die ihre Einkäufe regelmässig etwa in Deutschland oder Frankreich tätigen, denn: Somit ist auch Einkaufstourismus wieder erlaubt. 

Verwirrung um 24 Stunden

Während es von Schweizer Seite her heisst, die Grenzen würden in der Nacht auf den 15. Juni (Montag) geöffnet, herrscht in Deutschland Verwirrung rund um den genauen Öffnungszeitpunkt. Das Auswärtige Amt schreibt, die Grenzöffnung erfolge erst mit Ablauf des Montags – also in der Nacht auf den 16. Juni. Laut SWR gibt es aber Anzeichen dafür, dass auch Deutschland ab Montagmorgen auf Grenzkontrollen verzichtet.

Dieser verzeichnete vor der einschneidenden Corona-Zeit einen Aufschwung. In einer Studie der Credit Suisse (CS) wird das vor allem auf die unterschiedlichen Preisniveaus der Schweizer und ausländischer Produkte zurückgeführt. 48 Prozent weniger soll ein durchschnittlicher Einkaufskorb in Deutschland kosten.

Durch die Corona-Krise wurde der Einkaufstourismus trotz steigender Attraktivität im Vorjahr jäh ausgebremst. Shoppen im grenznahen Ausland war vom einen auf den anderen Tag nicht mehr möglich. Zugutekam das vor allem den hiesigen Grossisten.

Coop und Migros verzeichneten erhöhte Nachfrage

So spürt Coop in den Grenzregionen seit einigen Monaten eine erhöhte Nachfrage, wie Sprecherin Marilena Baiatu bestätigt. «Seit Ende Februar haben die Warenkörbe unserer Kundinnen und Kunden schweizweit spürbar zugenommen», sagt auch Migros-Sprecher Marcel Schlatter auf Anfrage von «Bluewin».



Die Gründe dafür seien primär darin zu finden, dass das Gastroangebot wochenlang geschlossen gewesen sei – ebenso wie Grenzen, so Schlatter. Das Ausbleiben des Einkaufstourismus stehe demnach sicherlich in einem Zusammenhang mit den gesteigerten Abverkäufen der Migros.

Zahlen, die diese Veränderungen ausdrücken, nennt Coop-Sprecherin Baiatu nicht. Auch gemäss Schlatter ist es zum Beziffern der Entwicklung zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh. Zudem wisse man nicht, wie sich die Situation nach der Grenzöffnung gestalten werde. 

«Verzichte vorerst auf Shoppingtouren ennet der Grenzen»

Nicht sofort wieder nach Deutschland oder Frankreich einkaufen gehen will T.B.*, die das vor der Corona-Krise immer wieder einmal getan hatte. «In der nächsten Zeit werde ich darauf verzichten. Auch meine Ferien verbringe ich dieses Jahr in der Schweiz», sagt sie zu «Bluewin». 

Die Einkaufstouren im grenznahen Ausland unternehme sie meist zusammen mit Bekannten. «Das tiefere Preisniveau von ausländischen Produkten ist ein Grund dafür, dass ich ennet der Grenzen einkaufe. Zudem gibt es dort bestimmte Produkte, die mir entsprechen und in der Schweiz nicht erhältlich sind», erklärt die junge Frau. 

Ihr sei bewusst, dass die Wirtschaft darunter leide, wenn die Schweizerinnen und Schweizer ihre Einkaufswägeli allzu oft in deutschen oder französischen Supermärkten füllten. «Deshalb achte ich schon darauf,  das Allermeiste hier einzukaufen.»

Grossisten hoffen, Neukunden halten zu können

Dass sich solche Gedanken während der Krise verfestigt haben, wünschen sich die Grossisten. «Selbstverständlich erhoffen wir uns, dass die Kundschaft den Mehrwert von einheimischer Produktion erkennt», so Schlatter. In der Schweiz ausgegebenes Geld sichere schliesslich Arbeitsplätze, stärke die hiesige Wirtschaft und das komme allen zugute.

Auch bei Coop heisst es, man würde sich darüber freuen, im Zuge der Krise neu gewonnene Kundinnen und Kunden weiterhin begrüssen zu dürfen. 

Auf der anderen Seite der Grenze wird derweil auf das Gegenteil gehofft. Für umgerechnet rund 1,6 Milliarden Franken sollen Herr und Frau Schweizer in den Landkreisen Lörrach, Waldshut und Konstanz im vergangenen Jahr eingekauft haben.

Der dortige Handel, die Gastronomie sowie das Handwerk sind stark auf die Schweizer Einkaufstouristinnen und Einkaufstouristen angewiesen. Sie verzeichneten infolge der Grenzschliessungen im Zuge der Corona-Krise massive Umsatzeinbussen. Einige sehen sich in der Existenz bedroht. 

*Name der Redaktion bekannt

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