EU-Dossier Bundesrat will wieder verhandeln – und erntet mehr Lob als Kritik

SDA, gbi

29.3.2023 - 19:50

Kommen sie sich näher? Aussenminister Ignazio Cassis empfängt EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic am 15. März in Bern.
Kommen sie sich näher? Aussenminister Ignazio Cassis empfängt EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic am 15. März in Bern.
Bild: Keystone/Peter Schneider

Nach langem Stillstand will der Bundesrat im EU-Dossier vorwärtsmachen. Von den meisten Parteien und Verbände erhält er Zuspruch. Nur die SVP ist so gar nicht erfreut über die Pläne zu einem neuen Rahmenabkommen.

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Der Bundesrat erkennt eine «positive Dynamik» im Knorz mit der EU. Nun will er die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen voranbringen: Bis Ende Juni sollen die Eckwerte eines Verhandlungsmandats erarbeitet werden, teilte der Bundesrat am Mittwoch mit.

Es gehe darum, «für die noch offenen Fragen Lösungen zu erarbeiten, um die gemeinsame Basis für die Vorbereitung eines Verhandlungsmandats festzulegen». Dazu wird Staatssekretärin Livia Leu am 20. April nach Brüssel reisen, um ihren Verhandlungspartner der EU, Juraj Nociar, zu treffen. Es handelt sich um die neunte Sondierungsrunde.

Als Grundlage der Gespräche dient laut Bundesrat der von ihm vorgeschlagene Paketansatz, bei dem die institutionellen Fragen in den einzelnen Abkommen festgeschrieben sind. Zudem soll das Paket neue Abkommen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit enthalten. Dieser Ansatz ermögliche einen breiten Interessenausgleich und erhöhe die Erfolgsaussichten, so die Regierung.

Grüne und Grünliberale fordern mehr Tempo

Die Mehrheit der Parteien und Verbände nimmt den Entscheid positiv auf. Den Grünen und den Grünliberalen kann es aber gar nicht schnell genug gehen: Der angedachte Prozess sei zu träge, schreibt etwa GLP-Präsident Jürg Grossen auf Twitter.

Auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli bezeichnete den Zeitplan als zu zögerlich. Insgesamt begrüssten es aber die beiden Parteichefs, dass wieder Bewegung ins EU-Dossier kommt.

SP-Co-Präsident Cédric Wermuth äussert keine Kritik am Zeitplan. Er begrüsse den Entscheid des Bundesrats, sagte er zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Ohnehin gebe es noch offene Fragen, für die es innenpolitische Lösungen brauche – etwa betreffend Lohnschutz, Strom und Service Public.

Auch die Mitte sah noch Klärungsbedarf, insbesondere betreffend dem Lohnschutz. Sie forderte in einer Stellungnahme ein klares Bekenntnis zum Schutz des Lohnniveaus und der Sozialwerke. Vom Bundesrat erwarte man mehr als «leere Ankündigungen». Ein «Versagen im Bereich des Sozialschutzes» könne schliesslich zu einer Zunahme der Spannungen in der Gesellschaft führen, wird Mitte-Präsident Gerhard Pfister zitiert.

Ganz anders die Reaktion der SVP: Seine Partei sei «schockiert» darüber, dass der Bundesrat nun ein erneutes Rahmenabkommen plane, sagte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi auf Anfrage. Ein solches würde einer Beerdigung der Volksrechte gleichkommen.

Die SVP wehre sich weiterhin gegen eine automatische Rechtsübernahme wie auch gegen die Unterstellung der Schweiz unter den Europäischen Gerichtshof.

Von der FDP lag zunächst keine Stellungnahme zum Thema vor.

Zurückhaltende Gewerkschaften

Positive Rückmeldungen kamen aus der Wirtschaft. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse betonte etwa die Bedeutung der Partnerschaft mit der EU. Der Entscheid des Bundesrats sei deshalb ein wichtiger Schritt für die Schweizer Wirtschaft.

Auch der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem) begrüsste den Bundesratsentscheid. Er ermutige den Bundesrat, das angekündigte Verhandlungsmandat nun rasch zu verabschieden.

Zurückhaltender reagierten die Gewerkschaften. So bekräftigte der Schweizerische Gewerkschaftsbund, dass er auf Lohnschutz und Service Public beharre.

EU-Kommission begrüsst Entscheid

Uneingeschränkt positiv reagierte Brüssel. Sie begrüsse den Entscheid des Bundesrates, liess die EU-Kommission ausrichten. Dieser werde nun helfen, «das volle Potential unserer Kooperation zu entfalten, andere Bereiche wie Strom, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eingeschlossen».

Das Ziel bleibe dasselbe: «Die Aufwertung der Beziehungen EU-Schweiz in einer Weise, welche die tiefe Integration der Schweiz im EU-Binnenmarkt» unter gleichen Bedingungen reflektiere, schrieb die Brüsseler Behörde weiter.