280'000 Franken Jahreslohn zum Trotz Berner Regierungsrat rechnet Banane als Spesen ab

aru

17.1.2024

Der Berner Regierungsrat mit Christine Häsler, Christoph Ammann, Evi Allemann, Staatsschreiber Christoph Auer, Philippe Müller, Kommunikationsbeauftragter Reto Wüthrich, Christoph Neuhaus, Pierre Alain Schnegg, Astrid Bärtschi von links.
Der Berner Regierungsrat mit Christine Häsler, Christoph Ammann, Evi Allemann, Staatsschreiber Christoph Auer, Philippe Müller, Kommunikationsbeauftragter Reto Wüthrich, Christoph Neuhaus, Pierre Alain Schnegg, Astrid Bärtschi von links.
Quelle: Keystone

«Kleinlich und peinlich» – so fallen die Reaktionen auf die Spesen von Berner Regierungsräten aus. Auffallend dabei ist, dass die Frauen sparsamer mit Steuergeldern umgehen als Männer.

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  • Trotz eines grosszügigen Jahreslohns von rund 280'000 Franken rechnen Berner Regierungsräte auch Kleinstbeträge als Spesen ab.
  • Darunter etwa ein Mehrkornbrötli für 95 Rappen und eine Banane für 20 Rappen.
  • Experten kritisieren diese Praxis. Denn: «Bereits die Bearbeitung kostet 25 bis 30 Franken», sagt etwa Kuno Schedler, Professor für Public Management.

1,3 Millionen Franken verdiente der Berner Sicherheitsdirektor Philippe Müller seit seinem Amtsantritt im Jahr 2018. Zu seinem Lohn von jährlich rund 280'000 Franken kommt noch 8'000 Franken Spesenpauschale pro Jahr hinzu.

Trotz dieses grosszügigen Lohnes rechnet Müller auch mal ein Biomehrkornbrötli für 95 Rappen und eine Banane für 20 Rappen ab. Auch ein «Laugenbretzeli mit Butter» für 3.20 Franken ist in den Spesen zu finden. Dies zeigen Dokumente, die dem «Kassensturz» vorliegen.

Für Daniel Wyrsch ist der Fall klar: Der Geschäftsführer des Bernischen Staatspersonals und SP-Mitglied kritisiert Müller. «Bei einem Jahresbruttoeinkommen von knapp 280'000 Franken finde ich das sehr kleinlich und peinlich. Kantonsmitarbeitende können das nicht abrechnen. Jeder nimmt da sein Znüni selbst mit.»

Und Kuno Schedler, Professor für Public Management an der Universität St. Gallen, kritisiert solche Kleinstausgaben ebenfalls. «Bereits die Bearbeitung kostet 25 bis 30 Franken. Und die Frage stellt sich: Wenn jemand 20 Rappen ausreizt, was reizt er sonst noch aus?»

Regierungsrat Philippe Müller gibt gar Kleinstbeträge als Spesen an.
Regierungsrat Philippe Müller gibt gar Kleinstbeträge als Spesen an.
Quelle: Keystone

Philippe Müller selbst will zu den Spesen keine Stellung nehmen.

Auch Vizeregierungspräsident Christoph Ammanns (SP) Ausgaben sind nicht über jeden Zweifel erhaben. So lieh er für den Neujahrsempfang des Bundespräsidenten 2019 einen «Edenhut» und einen Seidenschal vom Kostümfundus des Berner Stadttheaters aus. Die Leihgebühr betrug 30 Franken. Für Kuno Schedler steht fest, dass diese Auslage bereits in der Spesenpauschale von 8'000 Franken enthalten ist. Und zwar unter dem Punkt «Bekleidungskosten». Auch Ammann nimmt zu den Spesen keine Stellung.

Reto Wüthrich, Kommunikationsbeauftragter des Berner Regierungsrats, schreibt, dass die Auslagen rechtens seien: «Es handelt sich bei den abgerechneten Aufwendungen um Auslagen, die in einem Exekutivamt auf Kantonsebene üblich und gerechtfertigt sind. Dass die Regierungsmitglieder dem Kanton solche amtlich bedingten Auslagen in Rechnung stellen, entspricht der geltenden Rechtsordnung.»

Anfänglich wollte die Staatskanzlei die Spesenbelege der Regierungsräte gar nicht herausgeben, wie es weiter heisst. Mit Verweis auf das Öffentlichkeitsprinzip bat der «Kassensturz» um Einsicht. Doch vonseiten der Staatskanzlei hiess es, dass der Aufwand, um die Quittungen von vier Jahren herauszugeben, unverhältnismässig und der Inhalt zu heikel sei. «Die Belege können Informationen enthalten, die teilweise den persönlichen Geheimbereich betreffen.»

«Kassensturz» legte Beschwerde gegen diesen Entscheid ein. Doch bevor das Berner Verwaltungsgericht über den Fall befand, händigte die Staatskanzlei die Spesenquittungen aus – es handelt es sich um rund 300 Seiten.

Diese Belege würden zeigen, dass Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP), Wirtschaftsdirektor Christoph Ammann (SP) und Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) Gäste aus Wirtschaft und Politik auf Kosten des Kantons zum Essen einladen.

Kuno Schedler von der Universität St. Gallen hält es für legitim, wenn der Regierungsrat zum Mittag- oder Abendessen einlädt.
Kuno Schedler von der Universität St. Gallen hält es für legitim, wenn der Regierungsrat zum Mittag- oder Abendessen einlädt.
Quelle: Screenshot SRF

Für Kuno Schedler gehören solche Treffen zum Job eines Regierungsrats: «Wenn es um die Beziehungspflege geht, um wichtige und persönliche Gespräche, sind solche Essen gerechtfertigt.»

Wie eine Umfrage von «Kassensturz» zeigt, ist die Pauschale von 8'000 Franken für Spesen vergleichsweise tief. Die höchsten Pauschalen werden in der Romandie ausgezahlt. Klein- und Kleinstausgaben können in vielen anderen Kantonen nicht einzeln abgerechnet werden.

Auch zeigt sich, dass Regierungsrätinnen sparsamer mit Steuergeldern umgehen. Während die Regierungsräte Christoph Ammann, Pierre Alain Schnegg und Philippe Müller mehrere Tausend Franken für Essen mit Gästen verrechnen, sind es bei Justizdirektorin Evi Allemann, Bildungsdirektorin Christine Häsler und Finanzdirektorin Astrid Bärtschi nur wenige Hundert Franken.

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